"Einfach dieses Wort "Gemeinsam" zu benutzen, das bedeutet ja noch nicht, dass man das auch einlöst", so Blecking im Dlf. Es könne auch eine Form der Anpassung an den Zeitgeist sein. Wenn dahinter wirklich ein Programm stehe, dann müsse das an Taten ersichtlich werden. Er fragt sich, was das in Zukunft gegenüber den nächsten Gastgebern der Spiele, gegenüber in der Kritik stehenden Verbänden und vor allem für die Politik des IOCs bedeuten wird. "Wenn das bedeuten würde, dass man sich mehr für die Mühseligen, die Beladenen und die Schwachen dieser Welt engagiert, dann stimme ich dem zu."
"Lieber Taten als Plakatsprüche"
Seit den Spielen in Rio de Janeiro 2016 ermöglicht das IOC ein Flüchtlingsteam bei den Spielen: Athlet*innen mit Migrationshintergrund treten in unterschiedlichen Sportarten unter der Flagge des IOCs als Flüchtlingsteam an. Doch sich dafür zu qualifizieren, ist je nach Sportart ein Marathon durch die Statuten. Vor diesem Hintergrund möchte Blecking "das IOC lieber an seinen Taten messen als an seinen Plakatsprüchen."
Sport ist kein Selbstläufer
Dem Sport wird immer wieder die Fähigkeit nachgesagt, Brücken zu bauen, doch auch ist nicht von vornherein gegeben. "Der Sport kann Menschen zusammenbringen, die dann eine sozusagen ethnische Festung oder nationalistische Festung bilden." Von Zusammenhalt und Gemeinsamkeit sei dann nicht mehr viel zu sehen. Auf der anderen Seite könne der Sport aber tatsächlich auch das Leben in einer Gemeinschaft ermöglichen, doch das alles sei kein Selbstläufer, so Blecking: "Sport ist weder auf Bindung, ein Wir-Gefühl aufzubauen noch auf Brücken angelegt. Es ist Frage der Politik, wie man damit tagt."
An sich befürwortet Blecking die Idee der Olympischen Spiele. Die Wochen der Wettkämpfe seien wie eine "Auszeit" in der sonst unruhigen Weltgeschichte, in der man sich nirgendwo sicher fühlen kann. Sich dieser Tatsache zu vergewissern und dafür einmal die Uhren anzuhalten, sei wichtig und mit Hilfe eines großen Sportfestes eine sehr gute Idee. Die Frage bleibe aber, wie es in der Praxis umgesetzt wird.
Das IOC in der Krise
Blecking sieht das IOC in einer großen Krise. Und der Motto-Zusatz "Communiter" widerspreche sowohl der intransparenter Vergabe des Spiele als auch der Situation in der nächsten Gastgeberstadt Peking. Um daran wirklich etwas zu verändern, müsse das IOC demokratisiert werden und in eine internationale Institution überführt werden, fordert der Sporthistoriker.
"Ich bin ganz sicher, dass in dieser Idee eine Menge an Visionärem für eine Menschheit, die auf der Suche ist nach einer Zukunft, steckt, aber dann muss man diese Suche anders angehen."
Communiter als neues Kaninchen?
Für Blecking ist der Ergänzung des Olympischen Mottos vor allem eine Reaktion auf die Krise des IOCs: "Ich habe das Gefühl, dass Bach die Krise der Bewegung erkennt und dass er immer wieder ein Kaninchen aus dem Hut zaubert. Und Communiter ist das neue Kaninchen, das Bach aus dem Hut zaubert."