Omikron-Welle
Zur Lage in den Krankenhäusern

Die Omikron-Welle stellt das Gesundheitssystem einmal mehr vor Herausforderungen. Das betrifft besonders Krankenhäuser und das medizinische Personal. Wie ist die Lage in den Kliniken, welche Rolle spielen die Meldewege und wie wirkt sich die angespannte Personallage aus?

    Krankenpflegerinnen und -pfleger behandeln eine Covid-Patienten auf einer Krankenstation.
    Medizinisches Personal: zu Beginn des dritten Pandemiejahres im Dauerstress (picture alliance / dpa)

    Wie ist die Lage in den Krankenhäusern?

    Zurzeit sieht es noch nicht so aus, als ob die Omikron-Welle schon auf den Intensivstationen durchgeschlagen ist. Die hohen Inzidenzzahlen machten sich noch nicht auf den Intensivstationen bemerkbar, so der Präsident der Deutschen Gesellschaft für Internistische Intensivmedizin und Notfallmedizin (DGIIN), Christian Karagiannidis, im Deutschlandfunk.
    Über das Intensivregister werde aber ein Anstieg der Fälle registriert. Zurzeit liegt der Anteil invasiv beatmeter Covid-Patienntinnen und Patienten in Deutschland bei knapp 53 Prozent. Doch darüber hinaus gebe es eine erhebliche Dunkelziffer, da in Krankenhäusern nicht viel sequenziert* werde. Dies erfolge nur nach dem Zufallsprinzip.
    (*Anm. d. R.: die genetische Untersuchung positiver Proben)
    Notfallmediziner Karagiannidis zur Lage auf den Intensivstationen (15.01.2022)
    Im Vergleich zu anderen Ländern gebe es in Deutschland immer noch zu viele ungeimpfte Menschen, erklärte Karagiannidis weiter. Dadurch sei auch die Anzahl der Menschen, die auf den Intensiv- oder Normalstationen lande, deutlich höher als in anderen Ländern.
    Ungefähr 62 Prozent der Patientinnen und Patienten auf den Intensivstationen mit Covid-19 seien ungeimpft und nur fünf Prozent seien geboosterte Patienten, hob Karagiannidis hervor.
    Unter Omikron sei im Verhältnis zu den Infizierten mit deutlich weniger Intensivpatienten als bei den vorhergegangenen Varianten des Coronavirus zu rechnen, so die Deutsche Interdisziplinäre Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI). Im Hinblick auf die sehr hohen Inzidenzen bedeute dies allerdings, dass die generelle Zahl der Patienten wieder deutlich steigen könne.
    Das wirkt sich auch auf die Normalstationen in den Krankenhäusern aus. Insgesamt lägen in etwa 10.000 Patienten auf der Normalstation, sagte Gerald Gaß, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG), im Deutschlandfunk. Das sei zwar keine wirklich große Belastung. Aber: Die zusätzliche Belastung entstehe durch den Aufwand, da diese Patienten und Patientinnen als Infektionspatienten separiert werden müssten.
    Insgesamt führt die Omikron-Variante zu weniger schweren Verläufen und zu weniger intensivpflichtigen Patienten. Dennoch sei sie sehr wohl gefährlich und könne zu einer Überlastung des Gesundheitssystems führen, so die DKG.

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    Wie werden Patienten erfasst und wie ist die Datenlage?

    Die Hospitalisierungs-Inzidenz gibt an, wie viele Menschen pro 100.000 Einwohner binnen sieben Tagen wegen einer Corona-Infektion im Krankenhaus behandelt werden. Bund und Länder hatten den Wert im November 2021 als entscheidenden Maßstab für eine Verschärfung oder Lockerung der Corona-Maßnahmen festgelegt.
    Im DIVI-Intensivregister ist die Zahl der Patienten mit Corona-Infektion auf Intensivstationen tagesaktuell abrufbar. Daneben weist das Robert Koch-Institut (RKI) Werte zu Krankenhausaufnahmen von Corona-Infizierten aus – berechnet pro 100.000 Einwohner und Woche und basierend auf Meldungen der Krankenhäuser. Weil es dabei einen hohen Meldeverzug gibt, weist das RKI ergänzend zu dieser Hospitalisierungs-Inzidenz eine Schätzung aus.
    Ein direkter kausaler Zusammenhang zu Covid-19 muss zum Zeitpunkt der Meldung bei der Krankenhausaufnahme noch nicht hergestellt werden, so das RKI. Dies soll eine „niedrigschwellige, zügige und aufwandsarme Meldung gewährleisten.“ Keine Meldepflicht besteht, wenn bei der Aufnahme deutlich wird, dass sie in keinem Zusammenhang mit der Covid-19-Diagnose steht, etwa bei einem Verkehrsunfall.
    Einige Experten kritisieren, dass mit der Omikron-Welle und milderen Verläufen bessere Daten zur Lage auf Normalstationen der Kliniken nötig wären. Denn gerade Aspekte wie Krankheitslast und -schwere sollte aus ihrer Sicht mehr Bedeutung bei der Lagebewertung zukommen. Diese Belastung lasse sich aber mit den vorhandenen Daten nicht abschätzen. Gebraucht würden nun tagesaktuelle Fallzahlen zu Patienten, die mit oder wegen Covid-19 in Krankenhäuser kommen.

    Mit oder wegen Corona – welche Rolle spielt diese Unterscheidung bei der Meldung?

    Bei den bisherigen Meldewegen und -verfahren sei es in der Tat nicht in jedem Einzelfall möglich, genau zu identifizieren, ob ein Patient mit oder wegen Corona im Krankenhaus sei, erklärte Gerald Gaß, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG), im Deutschlandfunk. Dies betreffe die Unterscheidung, ob ein Patient im Krankenhaus zwar positiv getestet wurde, aber mit einer anderen Grunderkrankung aufgenommen wurde, oder, ob es sich bei den Symptomen, die der Patient bereits "mitbringe", um Krankheitssymptome aufgrund einer Corona-Infektion handele.
    DKG-Chef Gaß zu den Meldewegen bei Covid-19 im Krankenhaus (01.02.2022)

    Um diese Unterscheidung präzise treffen zu können, müsse man die einzelnen Fälle im Verlauf der Krankenhausbehandlung weiterverfolgen, so DKG-Präsident Gaß weiter. Im Rahmen einer weitergehenden Diagnostik sei es dann möglich zu bestimmen, ob die Symptome Folge der Corona-Infektion seien, oder ob der Patient aufgrund anderer Ursachen im Krankenhaus sei.

    Mit oder wegen Corona – welche Rolle spielt diese Unterscheidung bei der Behandlung im Krankenhaus?

    Auf den Normalstationen mache es von der Krankheitssymptomatik – beispielsweise bei Lungenbeschwerden – keinen Unterschied, ob der Patient diese Beschwerden aufgrund einer Coronainfektion mitbringe oder ob es sich um eine andere Grunderkrankung handele, so Gaß.
    Allerdings ergebe sich bei infizierten Patienten ein Mehraufwand aufgrund des Infektionsschutzes. Beispielsweise müsse eine kardiologische Abteilung in einem größeren Krankenhaus dann unterteilt werden in einen Infektionsbereich und einen Nicht-Infektionsbereich. Im Infektionsbereich werde dann auch mehr Personal gebraucht, weil die Behandlung aufwendiger sei.
    Intensivmediziner schildern, dass ein zunehmend breites Spektrum an infizierten Patientinnen und Patienten auch zunehmend mehr fachspezifische Isolationsbereiche erfordere, wie beispielsweise bei der Kinder- und Jugendmedizin, in der Kardiologie und der Chirurgie. Eine einzige internistische Covid-Station genüge nicht mehr.

    Wie könnten Meldewege in Krankenhäusern modernisiert werden?

    Fachleute sehen den Stand Deutschlands bei der Digitalisierung als Grundproblem bei den Meldungen. Sie fordern beispielsweise eine Automatisierung der Meldung. Bisher würden Covid-19-Intensivfälle jeden Tag händisch ins System eingegeben.

    Fast jedes Krankenhaus habe ein sogenanntes Krankenhausinformationssystem, also eine digitale Datenbank, in die alle Patientinnen und Patienten am Aufnahmetag mit einer sogenannten Aufnahmediagnose aufgenommen werden, erklärte Gerald Gaß, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG), im Dlf. Vorschlag der DKG sei nun, dass diese Informationen ausgeleitet und dann auch an das RKI übertragen werden könnten.

    Wie ist die Personallage in den Krankenhäusern?

    Die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) hat im Dezember 2021 erklärt, dass sich der Personalmangel in der Pandemie verschärft habe. Demnach hätten vier von fünf Krankenhäusern Probleme, offene Pflegestellen auf ihren Allgemein- und Intensivstationen zu besetzen. Bundesweit seien rund 22.300 Pflegestellen vakant. Auch in einer Stellungnahme des Deutschen Berufsverbands für Pflegeberufe (DBfK) heißt es, die Pandemie habe die Personalsituation und die spezifischen Belastungen noch verschärft.

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    Den akuten Personalmangel in der Pandemie legen auch Daten des Jobportals "Stepstone" nahe. Dort war die Zahl der Stellenanzeigen für Pflegeberufe im Dezember 2021 um 85 Prozent höher als vor Beginn der Pandemie im Januar 2020. Zum Vergleich: Die Jobausschreibungen insgesamt haben auf dem Portal im selben Zeitraum um 40 Prozent zugelegt. Absolute Zahlen nannte das Düsseldorfer Unternehmen allerdings nicht.
    Mediziner Floto: Das Gesundheitssystem im Dauerstress (31.01.2022)

    Welche Rolle spielt die Impfpflicht ab dem 15. März für Krankenhäuser?

    Bislang sehen die Krankenhäuser wenig Probleme mit der Impfpflicht, die für Krankenhauspersonal ab dem 15. März gilt. Aktuell hätten die Deutsche Krankenhausgesellschaft noch keine Meldungen von Krankenhäusern zu möglichen Kündigungen aufgrund der Impfpflicht erreicht. Die Impfquote in den Krankenhäusern sei bundesweit mit mehr als 90 Prozent sehr hoch, allerdings gebe es regionale Unterschiede und an einzelnen Standorten könne es zu Problemen kommen, so die DKG.

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    Zweifel an der Umsetzbarkeit der Impfpflicht gibt es aber bereits seit Wochen. So hatten Gesundheitsämter in Mecklenburg-Vorpommern, Thüringen und Berlin bereits angekündigt, mit dieser Überprüfungsaufgabe überfordert zu sein und die Impfpflicht nicht durchsetzen zu können.

    Wie können Kliniken reagieren, wenn die Personaldecke durch Quarantäne reduziert wird?

    Steigende Covid-19-Infektionen und die darauf folgende Quarantäne von sieben Tagen sei auch für die kritische Infrastruktur ein Problem, sagte der Präsident der Deutschen Gesellschaft für Internistische Intensivmedizin und Notfallmedizin (DGIIN), Christian Karagiannidis, im Deutschlandfunk. Dies zeige sich auch in den Krankenhäusern. Bei der ohnehin dünnen Personaldecke dort sei das eine echte Herausforderung.
    Im Fall, dass Pflegepersonal sowie Ärztinnen und Ärzte in hohen Zahlen in Quarantäne gehen müssen, seien Notfallpläne in Krankenhäusern unumgänglich, erklärte Karagiannidis weiter. Das bedeute, dass Teilbereiche des Krankenhauses zugunsten der Notfallbereiche eingeschränkt werden müssten. Beispielsweise könnten Eingriffe eingestellt werden, die man auch gut verschieben könne. Auf diese Weise könne für etwa drei oder vier Wochen alles auf die Notfallversorgung konzentriert werden, so Karagiannidis.
    Quellen: dpa/afpd/DGIIN/DKG/