Ein alter Mann verkauft Kirschen, ein anderer will seine Lottoscheine loswerden, dazwischen kniet eine Obdachlose, wie Ameisen strömen aus allen Richtungen Berufspendler an ihr vorbei zur Metrostation. Der Omonia-Platz im Herzen von Athen ist einer der bekanntesten Orte und für die meisten auch einer der hässlichsten. An einer Hausfassade eines mehrstöckigen Kaufhauses begrüßt ein absurd-riesiges Plakat die Leute mit "Welcome To Greece".
"10, 20, 30 Meter. Wenn du weiter gehst, wirst du sie sehen. Frauen, aus der ganzen Welt, die ihre Dienste anbieten, direkt vor der Polizeiwache," sagt Thanassis Georgopoulos, der am Omonia-Platz einen Sockenladen betreibt. Um zu zeigen, was er meint, geht er mit mir ein paar Schritte weiter.
"Wie viel willst du? 50. Geht's nicht günstiger? 40. Was machen wir, alles?"
Armut zwingt Frauen zur Prostitution
Abgemagert, verängstigt, mit hängenden Schultern, im Schlabber-Pulli und zerrissener Jeans. Es wird klar, die Armut zwingt die Frauen, Geld mit ihrem Körper zu verdienen. Dabei entspricht keine der wartenden Frauen dem verbreiteten Klischee einer zurechtgemachten Sexarbeiterin.
"Wir kennen uns alle hier in der Nachbarschaft. Diese beiden da drüben, an der Ecke. Es ist noch früh jetzt. Nachts da ist hier richtiger Bazar."
Der 53-jährige Thanassis Georgopoulos hat sich an dieses Bild gewöhnt. Ihn regt vielmehr das korrupte System dahinter auf. Die Prostituierten müssen manchen Polizisten von ihrem Geld etwas abgeben, sonst werden sie festgenommen, wie der Familienvater sagt.
"Es gibt einen Vorgesetzten, der das Geld einsteckt und so die Illegalität befördert. Und das im Zentrum Athens, hier auf dem Bürgersteig. Das ist doch unerträglich."
Ein hässlicher Fleck in Athen
Einst eine teure und vornehme Vorzeigegegend, mit Springbrunnen auf dem zentralen Platz, ist nichts mehr davon übrig geblieben. Heute ist der Omonia-Platz nur noch ein zubetonierter, hässlicher Fleck mit vielen leerstehenden Häusern im Zentrum Athens, nur wenige Minuten vom Parlament entfernt.
Immer wieder laufen kleine Gruppen über den Platz. Mit Plastiktüten in der Hand. In den durchsichtigen Supermarkt-Tüten ist alles, was sie haben. Sie sprechen kein Griechisch. Es stellt sich heraus: Sie sind Flüchtlinge aus Syrien, die es übers Mittelmeer geschafft haben. Unter ihnen auch der 22-jährige Halid.
"Zuerst sind wir nach Libanon, dann Türkei, dann mit einem kleinen Boot von Bodrum zur griechischen Insel Kos. Hier ich habe ein Foto."
Sammelpunkt für Flüchtlinge
Er wischt auf seinem Smartphone, zeigt wie dichtgedrängt die Menschen auf dem Boot ihre Finger zum Victory-Zeichen heben. Zehn Tage dauert bereits seine Flüchtlingsodyssee. Und er hat noch einen weiten Weg vor sich. Athen ist nur Durchreisestadt, Omonia der zentrale Sammelpunkt für viele ankommende Flüchtlinge. Halid denkt: Nichts wie weg hier, gleich heute.
"Thessaloniki, dann Deutschland. Weil uns da die Leute respektieren. Wir kommen für euch!"
Es passt zum Omonia-Betrieb, dass buntgekleidete Marketing-Hostessen von großen Mobilfunkunternehmen den syrischen Flüchtlingen Handykarten anbieten.
Der Platz: Ohne grün, ohne Baum, der nur ein wenig Schatten spenden könnte in den heißen Sommertagen, mit chaotischem Verkehr, mit heruntergekommenen Hausfassaden. Hier verkauft die Rentnerin Vaja Schuhe, Trikots, Taschen - für nur zehn Euro. Manche mit Markennamen, die meisten sind aber Fälschungen. Es war schon mal schlimmer, als vor ein paar Jahren Drogenabhängige vor ihrem Laden Heroin spritzten, meint sie. Die sind jetzt nicht verschwunden, sondern nur zwei Straßen weiter.
"Wenn sie wollten, es wäre alles besser hier. Ich weiß nicht, warum niemand was tut. Tsipras haben wir auch gewählt, damit er Ordnung rein bringt. Er hat aber gerade Wichtigeres zu tun, als sich um diesen Fleck hier zu kümmern. Tja und jetzt fängt wieder die Unsicherheit an."
Für sie ist klar: Der Platz ist nach wie vor der Inbegriff für alles, was in Griechenland falsch läuft. Wer zum Omonia-Platz kommt, der kriegt einen ziemlich ehrlichen Eindruck, wie es den meisten in Griechenland geht.