Nicht nur in Deutschland, auch in den Niederlanden fallen Sätze wie diese: "Viele Menschen in den Niederlanden sehen ihre Meinung nicht in den Mainstreammedien wiedergespiegelt. Warum? Weil die Mainstreammedien links oder liberal sind und denken, die Menschen sollten links oder liberal wählen. Es gibt also eine Lücke im Angebot, und wir sind dazu da, diese Lücke zu füllen."
Das ist Arnold Karskens. Als ehemaliger Kriegsreporter ein bekanntes Gesicht in den Niederlanden, zuletzt ist er vor allem als Kritiker seiner Zunft in Erscheinung getreten. Und nun ist er einer der Macher von "Ongehoord Nederland", einer neuen Rundfunkgesellschaft , die - wie der Name es schon sagt – die ungehörte Niederlande zu Wort kommen lassen will.
Die Initiative hat die Mindestanzahl von 50.000 Mitgliedern erreicht und kann sich damit um Sendeplätze für einzelne Stunden im öffentlich-rechtlichen Rundfunk bewerben. Anders als in Deutschland ist das öffentlich-rechtliche Programm in den Niederlanden nicht geografisch gegliedert, sondern setzt sich aus verschiedenen Trägern zusammen, die sich meist weltanschaulich unterscheiden. Für ihr Programm erhalten sie Geld vom Staat.
Die Entscheidung darüber, ob "Ongehoord Nederland" Teil des öffentlich-rechtlichen Programms wird, soll im Sommer fallen. Aber schon jetzt weiß Arnold Karskens, mit welchem Angebot er die Medienlandschaft verändern will.
"Wenn es um den Einfluss der EU geht oder die Folgen der Einwanderung, sieht man im Fernsehen kaum Leute, die eine andere Meinung vertreten. Aber es gibt sie und sie sollten gehört werden. Sie fragen sich: Warum kann mein Kind kein Haus haben, weil die Häuser alle den Flüchtlingen übergeben werden? Sowas wollen wir besprechen."
Journalistin: Attentat auf Fortuyn änderte Medienlandschaft
Zwar ist überhaupt nicht klar, ob Karskens und sein Team tatsächlich eine Sendelizenz erhalten werden, aber die Nervosität ist groß, was mit der rechtspopulistischen Rundfunkgesellschaft auf die Niederlande zukommt. Es ist eine Art Reflex, der aber auch einen Ursprung hat, sagt Xandra Schutte, Chefredakteurin des Magazins De Groene Amsterdammer.
"Nach dem Attentat auf den rechtspopulistischen Politiker Pim Fortuyn im Jahr 2002 wurde viel darüber gesprochen, ob die Medien blind seien, was die Probleme in der Zuwanderungsgesellschaft angeht, ob sie den Aufstieg der Rechten ausgeblendet haben. Und damit hat sich die Medienlandschaft stark gewandelt."
Es hat sich eine Art vorauseilender Gehorsam gebildet, findet Xandra Schutte, von dem das rechte Spektrum eigentlich profitiere. Persönlichkeiten, wie der rechtskonservative Politneuling Thierry Baudet, dessen Partei zwar nur zwei Sitze im Parlament hat, sei ein gern gesehener Gast in Talkshows, und selbst das links-intellektuelle Magazin Schuttes zählt viele Klicks, wenn es den Politiker thematisiert.
"Sie sind sehr privilegiert, und dazu kommt: Wir haben in den Niederlanden nur ein seriöses Debattenprogramm, sonntagmorgens. Und täglich nach den Hauptnachrichten lediglich eine Mischung aus Reportagen. Die Politiker werden nur zu seichten Talkshows eingeladen, wo sie ungestört Unwahrheiten erzählen können. Thierry Baudet kann die lächerlichsten Dinge über den Klimawandel behaupten und es gibt keinen Moderator, der ihn mit Fakten konfrontiert, das ist gefährlich."
"Man sollte sagen: Wir wollen es einfach nicht"
Zwar betonen die Macher von "Ongehoord Nederland", dass sie für mehr Meinungsvielfalt sorgen wollen. Aber auch persönliche Gründe könnten der Antrieb für die Gründung gewesen sein. Nicht nur Arnold Karskens hat mit seinen ehemaligen Journalistenkollegen gebrochen – auch sein Partner Joost Niemöller, einst geschätzter Kulturjournalist, der nun mit rassistischen Äußerungen auffällt und Verschwörungstheorien anhängt.
"They are crazy people, really crazy people. This Arnolds Karskens, there is something in his head and Joost Niemöller, also", findet Pieter Klok, Chefredakteur der linksliberalen Tageszeitung "de Volkskrant". Er kritisiert, dass es die anderen Medien waren, die mit ihrer Berichterstattung dem rechtspopulistischen TV so viel Aufmerksamkeit beschert haben. Auch sei die Hürde für die Gründung einer Rundfunkgesellschaft – 50.000 Mitglieder – zu niedrig. Doch womöglich lässt sich der Sendebetrieb ganz einfach verhindern.
"Ich finde, der Minister sollte einfach seine Erlaubnis nicht erteilen. Manchmal muss man Nein sagen. Aber die Leute haben Angst vor Extremisten, fühlen sich eingeschüchtert. Aber das sollte man nicht tun. Man sollte sagen: Wir wollen es einfach nicht."
Die Zukunft von "Ongehoord Nederland" hängt auch davon ab, ob es gelingt, die Unterstützer der Rundfunkgesellschaft bei der Stange zu halten. Einen Beitrag dazu liefert auch der berühmte Rechtspopulist Geert Wilders, der im Internet bereits energisch für sie geworben hat. In einem Video sagt er, er wolle den öffentlich-rechtlichen Rundfunk abschaffen.
Doch bis es so weit ist, soll "Ongehoord Nederland" ein Teil davon sein.