Im Internet nennt er sich Hawk, zu deutsch "Falke". Seinen richtigen Namen will der Litauer lieber nicht verraten. Denn er hat mächtige Gegner in der digitalen Welt. Der mittelständische Unternehmer kämpft in seiner Freizeit gegen sogenannte russische Trolle. Deren Markenzeichen: gezielte Desinformationen und sogenannte Fake News.
Der Falke ist in Litauen nicht allein. Er und andere Online-Aktivisten nennen sich "Elfen" - und sie sind online vernetzt. Wenn sie Lügen und russische Propaganda im Netz entdecken, schreiben sie dagegen an, in Foren, Kommentarspalten, auf Twitter oder Facebook, wie der Falke erklärt.
"Als Russland in die Ukraine einmarschierte, fanden wir, es war an der Zeit, etwas Praktisches zu tun und nicht nur Fernsehen zu schauen. Und der Anfang war leicht gemacht: Jeder positive Artikel über die EU, Nato oder Litauen bekam damals immer gleich hunderte von negativen Kommentaren. Unsere Entscheidung war ganz einfach: dagegen anschreiben mit positiven Kommentaren."
Fake-News-Kampagnen im Baltikum
Die Elfen betonen, sie agierten rein defensiv, es gehe ihnen nur um Richtigstellung. Gegen-Desinformation oder Hackerangriffe seien tabu. Der Falke spricht gut russisch, er hat noch kurze Zeit in der früheren Sowjetarmee gedient. Über die Absichten Moskaus macht er sich keine Illusionen. Gerade die kleinen baltischen Staaten seien tagtäglich Desinformationskampagnen ausgesetzt, weil sie vermeintlich leichter zu destabilisieren seien.
Der Falke ruft auf seinem Laptop ein Beispiel auf: Die Kopie einer Nachrichtenseite in litauischer Sprache, auf der verbreitet wird, Angehörige einer in Litauen stationierten Bundeswehr-Einheit hätten einen jüdischen Friedhof verwüstet.
"Das ist mit Photoshop montiert worden. Ein deutscher Panzer auf einem jüdischen Friedhof in Kaunas. Eine total verrückte Provokation. Aber so arbeiten die."
Seit nun schon fast 30 Jahren ist Litauen unabhängig, die ehemalige Sowjetrepublik ist heute Mitglied von Europäischer Union und NATO. Die Litauer wissen, dass das in Moskau nicht gern gesehen wird. Besonders seit Ausbruch der Ukraine-Krise leben viele Litauer in Angst vor dem übermächtigen Nachbarn.
Russischsprachiges Angebot fehlt
Maxim Zacharow gehört zur russischen Minderheit in Litauen, die etwa sechs Prozent der Bevölkerung ausmacht. Auch er sorgt sich, dass aus Moskau gesteuerte Propaganda das Klima zwischen Litauern und der russischen Minderheit vergiften könnte. Dafür sieht er aber auch eine Mitverantwortung der litauischen Regierung:
"Wir hatten früher einen eigenen russisch-sprachigen Fernsehsender im Land. Wir Russen konnten uns dort über das Geschehen in Litauen informieren. Aber irgendwann wollte kein Litauer diesem Sender mehr ein Interview geben, bloß weil sein Logo dem eines Moskauer Senders glich. Wir empfinden es schon als diskriminierend, dass es seitdem in Litauen kein eigenes russischsprachiges Medienangebot mehr gibt."
Im litauischen Verteidigungsministerium weist man diese Kritik von sich, im dortigen digitalen Abwehrzentrum sieht man allein die russischen Internetkampagnen als Gefahr und schätzt die Elfen-Bewegung. Denn wenn die Desinformationen nicht rechtzeitig bekämpft würden, könne sogar die Kriegsgefahr im Baltikum steigen, glaubt der diensthabende Leutnant Tomas Ceponis und zeigt auf die Monitorwand vor ihm, wo in einer Ecke auch Moskaus internationaler Kanal "Russia Today" flimmert:
"Gefahren der Trollfabriken ernster nehmen"
"Je mehr die andere Seite von dieser Propaganda beeinflusst ist, desto mehr werden sie uns hassen und als Soldaten besonders motiviert sein, uns Litauern oder anderen westlichen Ländern etwas anzutun. Deshalb ist es für uns wichtig, mit den Bürgern Russlands in Kontakt zu kommen."
Auch die Elfen würden gerne gemeinsam mit Gleichgesinnten in Russland für die Wahrheit und gegen die Propaganda der Trolle kämpfen. Doch es sei schwer dort Freiwillige zu finden, die Angst vor Repressionen sei groß, sagt der Falke. Dennoch zählt das Netzwerk der Elfen nach eigenen Angaben bereits mehrere tausend Mitglieder. Die meisten stammen aus Ländern entlang Russlands Grenzen, von Polen bis Armenien.
"Wir sehen uns als Freiheitskämpfer. Wir kämpfen für die Werte der liberalen Demokratie. Die Gefahren der Trollfabriken sollten im Westen viel ernster genommen werden."