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Online-Auftrag der Öffentlich-Rechtlichen
"Sender zur Löschung zu zwingen, grenzt an Schikane"

Rundfunkpolitiker sollten sich fragen, was es für einen guten öffentlich-rechtlichen Rundfunk im digitalen Zeitalter braucht. "Solange sie online keinerlei Werbeeinnahmen erzielen können, sollen sie auch tun dürfen, was sie wollen," sagte der Wirtschaftswissenschaftler Leonhard Dobusch im Dlf.

Leonhard Dobusch im Gespräch mit Christoph Sterz |
    Leonhard Dobusch forscht an der Universität Innsbruck unter anderem zum Management digitaler Gemeinschaften und privater Regulierung.
    Leonhard Dobusch ist Mitglied des ZDF-Fernsehrats als Vertreter des Bereichs "Internet". (Leonhard Dobusch / privat)
    Christoph Sterz: Was dürfen die Öffentlich-Rechtlichen online machen und was nicht? Sollen es nur Videos und Audios sein, oder sind auch Texte okay? Und müssen die Inhalte irgendwann wieder von den Seiten runtergenommen werden? Das wollten die Politiker der dafür zuständigen Bundesländer schon im vergangenen Jahr entscheiden, konnten sich aber nicht einigen.
    In den nächsten Tagen soll es einen neuen Anlauf geben. Und dann werden die zuständigen Medienpolitiker wieder über so Begriffe wie Presseähnlichkeit oder über die Sieben-Tage-Regel sprechen. Aber sind das auch die drängenden Themen, wenn es um die Öffentlich-Rechtlichen und deren Apps und Online-Seiten sprechen?
    Leonhard Dobusch ist österreichischer Wirtschaftswissenschaftler und Mitglied des ZDF-Fernsehrats als Vertreter des Bereichs "Internet". Und er hat eine klare Meinung dazu, ob da überhaupt über das Richtige und Wichtige diskutiert wird.
    Leonhard Dobusch: Mein Eindruck ist, dass das Hauptproblem der Diskussion war und ist, dass sich die Rundfunkpolitiker weniger mit der Frage beschäftigen, was es für einen möglichst guten öffentlich-rechtlichen Rundfunk im digitalen Zeitalter braucht - und darum sollte es ja eigentlich gehen und die ganze Diskussion mehr geprägt war von der Angst vor schlechter Presse, und man sich deshalb eigentlich mit gestrigen Konzepten wie: Darf Rundfunk im Internet presseähnlich sein beschäftigt hat. Selbst in den Bereichen, wo man Fortschritte verkündet hat, wie z.B. dem Ende der Sieben-Tage-Frist muss man sagen, dass die in der Praxis gar nicht mehr diese große Rolle spielt. Dass aber an der Löschfrist zumindest - was man bisher gehört hat - weiterhin festgehalten werden soll.
    Löschfrist an sich ist ein Problem
    Sterz: Dann lassen Sie uns doch erstmal auf diese Sieben-Tage-Regel blicken, die ja nur noch abgeschwächt gültig ist so wie Sie das sagen. Die Sieben-Tage-Regel schreibt ja unter anderem vor, dass Videos und Audios nach sieben Tagen entfernt werden müssen. Wenn Sie jetzt die freie Wahl hätten, wie würden Sie das Ganze regeln?
    Dobusch: Es ist heute bereits so, dass in ganz vielen Fällen mit Hilfe von sogenannten Telemedienkonzepten die Sender Inhalte auch länger, teilweise sogar mehrere Jahre online zugänglich lassen dürfen. Allerdings mit ganz wenigen Ausnahmen - nicht dauerhaft, d.h. der größte Fehler wäre meines Erachtens die Sieben-Tage-Frist durch eine 30-Tage- oder eine Dreimonats-Frist zu ersetzen. Das Problem ist, dass am Ende immer noch eine Löschpflicht steht. Das bedeutet also, dass z.B. wenn irgendwelche You-Tube-Clips von irgendwelchen öffentlich-rechtlichen Sendungen wie Böhmermanns "Neo Magazin Royale" zum Beispiel, die vielleicht sogar viral gegangen auf YouTube sind, dann müssen die nach einer bestimmten Zeit letztlich dann doch wieder und eigentlich auch völlig ohne Grund gelöscht werden, obwohl eigentlich alle Beteiligten ein Interesse daran hätten, dauerhaft im Internet bleiben.
    Sender zur Löschung zu zwingen grenzt an Schikane
    Sterz: Also sollten Videos von öffentlich-rechtlichen Sendern dauerhaft - für immer - im Internet bleiben?
    Dobusch: Es ist so, dass die öffentlich-rechtlichen Sender natürlich Rechte erwerben müssen. Und das heißt, es wird, auch wenn es einen Depublikationszwang, also eine Löschfrist komplett abschaffen würde, das nicht bedeuten, dass alle Inhalte deshalb dauerhaft online verfügbar sind. Das ist unleistbar. Ich glaube, das kann man nicht seriös fordern. Es wird weiterhin so sein, vor allem im fiktionalen Bereich, wenn es um Serien geht, dass dann weiterhin die Sender für eine bestimmte Dauer die Online-Rechte erwerben können, was dann den Produzenten ermöglicht, auch noch im Nachgang weitere Verwertungen mit diesen Inhalten zu erzielen. Es gibt aber viele Inhalte, wo diese Verwertungskaskade eben nicht so relevant ist: tagesaktuelle Inhalte. Dazu zählen z.B. tagesaktuelle oder relativ aktuelle Satire-Shows wie die "Heute Show" oder Böhmermann, die auch auf YouTube teilweise eingestellt werden. Dort sind die Rechte vorhanden. Da haben auch die Kreativen Interesse daran, dass das dauerhaft als Visitenkarte online bleibt. In diesen Fällen, die Sender trotzdem zur Löschung zu zwingen - das grenzt an Schikane.
    Presseverleger wollten ihre Konkurrenten schwächen
    Sterz: Neben der Sieben-Tage-Regel geht es ja in den nächsten Tagen auch um etwas, dass in den vergangenen Monaten sehr stark diskutiert wurde, nämlich das Thema der Presseähnlichkeit. Die deutschen Zeitungsverlage, die sagen, dass die öffentlich-rechtlichen im Netz zu viel Text anbieten, eine zu starke Konkurrenz für die werbefinanzierten Privatmedien seien. Das Ganze ist ja auch schon vor Gericht gelandet. Gerade heute ist noch bekannt geworden, dass der NDR wegen eines Rechtsstreits um die Tagesschau App den Bundesgerichtshof dazu bringen will, doch noch eine Revision zuzulassen. Ja, aber so wie es aussieht, bleibt dieser Begriff der Presseähnlichkeit erstmal weiterstehen in den Regeln für die öffentlich-rechtlichen im Rundfunkstaatsvertrag. Ist das zeitgemäß Ihrer Meinung nach?
    Dobusch: Ich glaube, die Strategie der privaten Presseverleger, die ist eigentlich sehr durchsichtig und durchaus perfid. Man will hier quasi einen unliebsamen Konkurrenten schwächen: indem man an so einem veralteten Konzept festhält, soll möglichst wenig erlaubt werden im Bereich von Journalismus online zu tun. Das kann natürlich dazu führen, dass die öffentlich-rechtlichen Anbieter im Internet es schwerhaben, auch substantiell Reichweiten zu erzielen, was dann in der nächsten Runde erst recht wieder Legitimierungsprobleme für zum Beispiel einen Rundfunkbeitrag aufwerfen wird. Spätestens dann, wenn die Bedeutung der linearen Sender irgendwann zurückgehen wird. Ich glaube, man muss sich hier auf simple und klare Regeln verständigen. Meiner Meinung nach ist das, solange die öffentlich-rechtlichen online keinerlei Werbeeinnahmen erzielen können, sollen sie auch tun dürfen, was sie wollen. Umgekehrt können quasi die privaten Anbieter mit Werbeerlösen ihre Angebote finanzieren sofern das möglich ist. Oder auch mit Subskriptionsangeboten oder Ähnlichem.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.