Archiv

Online-Ausstellung
Iranische Komponistinnen und ihr Weg von der Idee zum Klang

Die Online-Ausstellung "Rooted in Iran" zeigt Skizzen, Zeichnungen und Notizen von iranischen Komponistinnen, die unter anderem in Teheran, Kanada und Deutschland leben. Die Berliner Komponistin Ruth Wiesenfeld hat gemeinsam mit der Iranian Female Composers Association IFCA die Werke ausgewählt.

Von Franziska Buhre |
    Leeres Notenpapier liegt auf einem hellen Holztisch. Daneben liegen ein Kugelschreiben, ein leeres Notizbuch und ein Smartphone mit Kopfhörern.
    Anhand der Werke der Komponistinnen der Iranian Female Composers Association kann man entdecken, wie vielschichtig musikalisches Schaffen in der Diaspora sein kann (Symbolfoto) (imago images / agefotostock)
    In einem Diagramm aus engen Linien streben schwarze Dreiecke in einen Kreis, verbinden sich oder bleiben getrennt. Darüber steht die Zeitangabe 30 Sekunden, darunter, dass die Melodie im Vordergrund stehen soll. Die Zeichnung hat Atefeh Einali angefertigt, für ihre Komposition "I am from nowhere" für Solo-Akkordeon und Streichquartett. Aus dem Kreis entstehen viele, sich überlagernde Kreise, an deren Bögen viele kleine Pfeile rotieren. Einali lebt in Manchester, die Komponistin schickte die Zeichnung ihrer Kollegin Ruth Wiesenfeld nach Berlin. Ihr hat sie auch erzählt, wie sie komponiert:
    "Das hier ist eine Setar. Wenn ich sie spiele, denke ich darüber nach, was ich vorhabe. Ich benutze diese Noten nicht in meinem Stück, aber es funktioniert, für alle mein Stücke. Ich weiß nicht, wie, aber es ist erstaunlich. Ich kann besser nachdenken, wenn ich spiele, über das Stück, dass ich komponieren will."

    Einblicke in den Entwicklunsprozess von neuer Musik

    Ruth Wiesenfeld hat die Ausstellung "Rooted in Iran" in Zusammenarbeit mit der Iranian Female Composers Association IFCA kuratiert. Sie bekam Post von iranischen Komponistinnen aus Teheran, Kanada, den USA, England, Norwegen, der Schweiz und Deutschland. Einige der Skizzen, Zeichnungen und Notizen stellt Wiesenfeld Online im Rahmen ihres Projektes "Towards Sound" vor. Wiesenfeld interessiert sich besonders für die visuellen Zeugnisse, die den Weg von einer Idee zum Klang abbilden.
    "Ich finde, es schafft eine große Nähe, zu sehen oder zu spüren, nicht nur wie denken andere, sondern wie lassen sich andere Menschen in diesem Prozess des Suchens, Sehen durch diese Skizzen. Das sind ja sehr fragile Momente, finde ich. Wenn man eine Idee hat, eine vage Vorstellung für irgendetwas, was es noch nicht gibt. Oft denken Menschen ja Neue Musik, zeitgenössische Musik ist so abstrakt, so kompliziert, so schwer zugänglich und ich finde, wenn man diese Skizzen sieht, in denen teilweise auch ganz alltägliche Geschichten oder nachvollziehbare Überlegungen stecken, dass auch das ein bisschen den Zugang erleichtert."
    In dem Hörspiel "Visiting Grandpa", der kanadisch-iranischen Komponistin Parisa Sabet erklingen gesungene Gebete. Sabet gedenkt mit dem Hörspiel ihrem Großvater, der Mitglied der in Iran verfolgten Bahá’i-Religion war, Anfang der 1980er-Jahre inhaftiert wurde und im Gefängnis starb.

    Schwierigkeiten im Iran Konzerte zu planen

    Für iranische Komponistinnen bedeutet es eine Gratwanderung, wenn sie Themen wie Religion oder die Stellung der Frau in der iranischen Gesellschaft in ihre Musik mit einfließen lassen möchten. Frauen können Komposition in Iran studieren, was der 1938 geborenen Fozieh Majd noch nicht möglich war. Majd studierte in Europa und wurde eine angesehene Musikethnologin in Iran, ihre Werke werden inzwischen auch im Ausland aufgeführt. Doch Konzerte in Iran sind mit langen Genehmigungsverfahren verbunden und daher kaum zu planen. Die in der iranischen Diaspora lebenden Komponistinnen, bieten ihren Kolleginnen in Iran daher nicht nur Zuspruch und Ressourcen, sondern auch Aufführungsmöglichkeiten. Parisa Sabet bekam als Kind in Shiraz Klavierunterricht mit klassischer europäischer Musik. Schließlich lernte sie auch traditionelle iranische Musik, die ihre Werke auch heute inspiriert.
    "Ich setze mich nicht einfach hin und bin nur am Komponieren. Bevor ich anfange, denke ich sehr viel nach. Ich stelle mir zum Beispiel vor, wie ich im Publikum sitze und was ich hören möchte, und was als Nächstes. Wann ich mein Publikum überraschen kann. Wenn mich eine Idee beschäftigt, die ich musikalisch nicht verwirklichen kann, lasse ich sie ruhen und tue etwas anderes. Was auch immer mich in diesem Moment interessiert, wird mir helfen, diesen Prozess zu durchdringen."
    Musik als Summe der Einflüsse
    Deutschland sei eines der wenigen Länder, in denen man professionell in der Szene der Neuen Musik arbeiten könne, sagte die Komponistin Farzia Fallah im Dlf. Deswegen sei sie auch 2007 für die Ausbildung ins Land gekommen und geblieben.
    Aida Shirazi ist ähnlich aufgewachsen: Sie begann als Neunjährige mit dem Klavierspiel, mit elf kam die klassische iranische Musik dazu. Sie studierte Klavier in Teheran, dann Komposition in Ankara, inzwischen promoviert sie an einer Universität in Kalifornien zu Komposition und Theorie.
    "Viele meiner Werke basieren entweder auf Text oder sind davon inspiriert. Ich liebe Dichtung, mit Poesie bin ich aufgewachsen. Poesie ist im Alltag der Menschen in Iran überall präsent, unabhängig davon, welchen Beruf jemand hat oder aus welcher gesellschaftlichen Schicht man kommt. Und in der Alltagssprache gibt es so viele poetische Redensarten. In manchen Kulturen ist Musik sehr präsent, sie ist Teil jeden Aspekts des täglichen Lebens. So ist es mit der Poesie in Iran."
    Shirazi lässt persische Poesie in elektronischer Musik einfließen. In dem Video zu dem Stück "Orbis" schweben weiße persische Schriftzeichen durch einen schwarzen Raum, ballen sich zu Trauben, die sich wie Planeten umkreisen, durchflutet von Lichtblitzen. Dazu rezitiert Shirazi einen Vierzeiler des klassischen persischen Dichters Omar Khayyam.

    Netwerk wichtig für iranische Komponistinnen

    Ob mit Bezug zu Iran oder ohne – anhand der Werke der Komponistinnen der Iranian Female Composers Association kann man entdecken, wie vielschichtig musikalisches Schaffen in der Diaspora sein kann. Ruth Wiesenfeld betont, wie wichtig das Netzwerk für den Zusammenhalt komponierender Frauen ist.
    "Es fehlen die Mentorinnen. Dadurch, dass die Komponistinnen nicht so sichtbar sind, ist es auch für jüngere Frauen schwierig, überhaupt auf die Idee zu kommen, dass man Komponistin werden kann beziehungsweise dann weibliche Vorbilder zu haben. Und dadurch, dass es diese Vereinigung gibt, glaube ich, kann man von früh an in seinem Weg als Komponistin sieht man einfach, ah, da gibt es andere Frauen die haben das auch geschafft und die unterstützen sich und da gibt es diese Netzwerke, die Männer sonst so gut untereinander schließen, die gibt es für Frauen. Das finde ich so toll, dass das so positiv und vorwärtsgewandt ist."