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Online-Content-Netzwerk "funk"
"Sich mit der Mediennutzung weiterentwickeln"

Mit "funk" wollen ARD und ZDF nicht nur die 14- bis 29-Jährigen für sich gewinnen. Das digitale Angebot soll auch eine Verjüngungskur für die gesetzten Programme sein. Wie das funktionieren soll, beantwortet die stellvertretende Geschäftsführerin Sophie Burkhardt im Corso-Gespräch.

Sophie Burkhardt im Corso-Gespräch mit Christoph Reimann |
    Die Programmgeschäftsführer von "funk", dem neuen multimedialen Format für das "Junge Angebot" von ARD und ZDF, Sophie Burkhardt (ZDF) und Florian Hager (ARD), blicken am 29.09.2016 in Berlin bei der Vorstellung von "funk" in die Kamera des Fotografen. Das Online-Programm "funk", mit dem 14- bis 29-Jährige ins Netz gelockt werden sollen, startet am 1. Oktober 2016.
    "Nicht sofort monetarisieren": Die stellvertretende Programmchefin von funk, Sophie Burkhardt (Maurizio Gambarini/dpa)
    Christoph Reimann: Es gibt Comedy von der Bildundtonfabrik, es gibt YouTube-Selbstbespiegelung mit LeFloid, es gibt Serien-Übernahmen aus dem Ausland und journalistische Angebote vom Ratgeber-Magazin bis zum recherche-aufwändigen Journalismus. 40 Formate stellt "funk", das neue Angebot von ARD und ZDF, ins Netz. Alles, um bloß nicht den Anschluss zu verlieren an die 14- bis 29-Jährigen. Stellvertretende Geschäftsführerin von "funk" ist Sophie Burkhardt, hallo.
    Sophie Burkhardt: Hallo.
    Reimann: Frau Burkhardt, ich hab einmal, so ein paar Klickzahlen habe ich mir angesehen von Ihren Eigenproduktionen: Da ist jetzt von 1.000 Klicks bis 35.000 Klicks pro Video alles dabei. Sind Sie denn zufrieden mit dem Start von "funk"?
    Burkhardt: Ja, also der Start ist ja jetzt tatsächlich erst mal ein Start. Also wir sind insofern ganz zufrieden damit, weil wir jetzt froh sind, dass wir jetzt mal diese Bandbreite haben. Und wir haben tatsächlich ganz unterschiedliche Abrufzahlen. Das hängt ein bisschen auch davon ab, weil manche Sachen jetzt wirklich neu gestartet sind, manche Sachen ja auch schon ein bisschen Vorlauf haben. Das heißt, wir haben durchaus auch Formate, wo es eher in die 100.000 hereingeht. Aber es ist so, dass die Sachen sich natürlich auch jetzt noch langsam ausbauen müssen. Die müssen ja auch jetzt bei den Leuten, die sie erreichen sollen, auch langsam ankommen. Das heißt, wir sind insofern zufrieden, weil wir echt sehr viele Formate haben, die sich jetzt in den ersten Folgen schon schön entwickelt haben und da schon mal so einen guten Aufschlag haben. Ich fand ganz überzeugend das Format "Der Jäger und Sammler", das Recherche-Format. Das hat über 200.000 Views jetzt über das Wochenende angesammelt. Also, da kommen wir schon so in Bereiche, wo wir sagen, da ist so ein erster guter Aufschlag da, und da sind wir gespannt, wie sich das dann weiter entwickelt.
    Informieren, orientieren und unterhalten
    Reimann: Über "Jäger und Sammler" würde gleich noch mal gerne sprechen, über die erste Folge. Jetzt erst mal die Frage: Erst erstmal so ein paar Samen auszusähen, also 40 sozusagen in Ihrem Fall, und dann zu gucken, welche aufgehen, das ist ja eine beliebte Strategie im Internet. Und Ihr Chef, Florian Hager, hat auch gesagt: Na gut, nicht alles wird funktionieren. Aber woraus nichts wird im Internet, das lässt man dann eigentlich links liegen. So kennt man das von privaten Unternehmen. Wie verhält sich das denn zu Ihrem Programmauftrag, den Sie ja doch haben.
    Burkhardt: Ja also der Programmauftrag bedeutet ja eben, dass wir diese Vielfalt weiterhin haben. Das heißt, wir stehen da für eine gewisse Vielfalt, wir haben ja drei Bereiche: Informieren, Orientieren und Unterhalten. Und das sehen wir schon als unseren Auftrag an, dass wir in diesen drei Bereichen aktiv sind. Das heißt, wenn wir jetzt feststellen, es funktioniert nur Unterhaltung, dann würden wir natürlich nicht daraus ziehen, dass wir jetzt Informieren und Orientieren sein lassen. Was aber ist, ist, dass wir natürlich Formate entwickeln wollen. Das wir sagen, die Formate müssen funktionieren. Und wenn wir merken, ein Format funktioniert nicht gut, ein Format erreicht nicht die Leute, die es erreichen soll, dann werden wir natürlich erst mal schauen, was können wir machen, um das Format zu optimieren. Aber dann auch an manchen Stellen sagen, gut, dann lassen wir dieses Format sein und nutzen die Ressourcen, um etwas anderes in einer ähnlichen Art oder in einem ähnlichen Genre auch aufzubauen, das vielleicht mehr Chancen hat, statt weiterhin darauf zu setzen, auf etwas, was sich nicht entwickelt. Und da haben wir natürlich auch die Möglichkeit, als öffentlich-rechtliche anders als jetzt private Anbieter am Markt, einen längeren Atem zu haben, weil wir eben die Sachen nicht sofort monetarisieren müssen. Wir müssen ja mit den Sachen kein Geld machen, sondern wir können denen eine längere Entwicklung und auch eine längere, langsame Entwicklung erlauben, wenn es denn eine Entwicklung gibt.
    Auch Medienmacher ohne journalistische Ausbildung
    Reimann: Stichwort optimieren - wie viel journalistisches Vorwissen müssen die Leute denn da eigentlich mitbringen? Werden die geschult? Denn es ist ja nun etwas anderes, ob ich als YouTuber ein verwackeltes Video ins Netz stelle und meine eigene Meinung in die Öffentlichkeit herausposaune, oder ob ich das im Auftrag von ARD und ZDF mache.
    Burkhardt: Ja, also unser Projekt ist ja so aufgestellt, dass wir ja so eine matrixförmige Struktur haben. Das heißt unsere Formate werden ja in den ARD-Anstalten und im ZDF betreut und da sind ja dann auch Redaktionen beteiligt. Also wir haben immer eine abnehmende Redaktion, die auch konzeptionell dafür geradesteht und die auch tatsächlich eine ganz klassische journalistische Abnahme macht. Auf der anderen Seite ist es aber auch so, dass wir gerade auch mit Leuten, mit denen wir zusammen arbeiten, Leute haben, die so tief im Medienbereich sind und die aber auch noch etwas, sozusagen, dazu bekommen, indem wir quasi da Recherche zur Verfügung stellen oder eben auch mal so eine Abnahme oder eine größere redaktionelle Betreuung, als das sonst möglich ist. Ohne dass wir aber jetzt sagen, wir holen uns jetzt da YouTuber und erzählen denen mal, wie man wirklich richtig Journalismus macht, weil wir sind ja diejenigen, die wissen, wie es geht. Sondern da kommen Leute von verschiedenen Seiten an ein Projekt dran, und dass diese verschiedenen Seiten zusammenspielen, das ist, glaube ich, gerade die Chance, die wir bei vielen unserer Formate haben.
    Mischformen journalistischer Darstellungsformen
    Reimann: Über das Format "Jäger und Sammler" würde ich gerne in diesem Zusammenhang sprechen. Da geht es in einer Folge um Rechtsextremismus im Rap. Und in einer Sequenz ist da die muslimische Journalistin im Interview mit einem mutmaßlich rechten Rapper zusammen zu sehen. Das ist mutig und auch eine sehr spannende Situation. Problematisch wird es dann für mich dadurch, dass das Interview schlecht geführt ist. Die Journalistin, die wirkt eingeschüchtert, und im Nachhinein wurde dann durch YouTube-typische Einblendungen der Beitrag aufgepeppt und in eine Richtung gerückt, die die Autorin in der Interview-Situation nicht herstellen konnte. Also, auch wenn die Haltung der Autorin die sympathische ist, ein Interview nachträglich zu kommentieren, halte ich für unseriös. Weichen Sie da journalistische Darstellungsformen auf?
    Burkhardt: Ich finde es nicht unseriös, ganz im Gegenteil. Also dass Interviewsequenzen in Magazinen und Beiträgen geframet werden, ist ja etwas, was auch sonst in journalistischen Darstellungsformen durchaus üblich ist. Also, das ist ja nicht etwas, das sonst nie existiert. Und im Gegenteil, gerade dadurch, dass wir das ja auch transparent machen können und dann auch - wir werden auch das Interview noch einmal in voller Länge publizieren, sodass jeder auch die Möglichkeit hat, sich das Interview noch einmal anzugucken, im Ganzen - dadurch ist ja sozusagen eher eine größere Transparenz hergestellt, als es sonst, zum Beispiel in TV-Beiträgen, möglich ist. Also dass man ein Interview führt und das Interview in ein journalistisches Format einbettet und auch darüber so eine Begleitberichterstattung macht, das ist ja etwas, was durchaus auch üblich ist auch bei anderen journalistischen Formaten.
    Reimann: In einem Kommentar oder einer Meinung zum Beispiel, das ist aber so nicht gekennzeichnet bei diesem Format.
    Burkhardt: Es ist ein Format, das eine gewisse Haltung hat, das sich aber in einem Diskurszusammenhang bewegt. Und das ist ja schon auch etwas, was wir durchaus auch mit dem Format auch sagen. Es wird ja an keiner Stelle gesagt, das ist keine Nachrichtensendung. Sondern das ist ein Format, das eine gewisse Haltung hat und auch für eine gewisse Haltung steht, was aber auch den Diskurs sucht. Das heißt, da ist auch, glaube ich, oft, wenn man von einem traditionellen Medienverständnis kommt, denkt man ja auch, das Video ist sozusagen als Einzelstück, steht für sich. Wir sind ja immer, das Video ist ja das Video und der Diskurs, der darunter stattfindet, das heißt die Auseinandersetzung dann auch wiederum mit Inhalt. Die Kommentierung, die dann auch wiederum die User haben und auf die dann wiederum auch die Redaktion auch reagiert. Das heißt, das Ziel des Beitrages ist es, c über ein bestimmtes Thema.
    Know-how über junge Zuschauer
    Reimann: Aus der ARD-Programmforschung heißt es: Man erreicht die jungen Leute doch noch mit den traditionellen Sendern, nämlich drei Viertel der 14- bis 29-Jährigen. Nur schalten die eben sehr selten ein. Das steht so in der SZ. Und die Autorin, die folgert, dass man das Programm einfach nur interessanter machen müsste für diese Zielgruppe, dann würden die auch öfter einschalten. Das gebe ich mal so an Sie weiter, Frau Burkhardt. Sollten ARD und ZDF in ihren Hauptsendern nicht einfach ein bisschen cooler werden und man könnte sich Ihr Angebot "funk" sparen?
    Burkhardt: Das ist nicht meine Aufgabe, darüber zu entscheiden. Also wir haben den Auftrag bekommen, für 14- bis 29-Jährige ein Projekt zu starten, was im Netz spielt. Und da haben wir alle unsere Kreativität hineingesteckt, um das zu machen. Und wenn das dazu beiträgt, dass da an manchen Stellen Know-how auch wiederum in TV-Redaktionen oder in Radio-Redaktionen dringt, dadurch dass ja die Leute, die unsere Formate betreuen, ja auch in den Redaktionen sitzen, dann hat das wiederum auch Auswirkungen auch möglicherweise auf andere Programme. Aber das ist dann eher auch ein Nebeneffekt.
    Reimann: Ja, kann das denn so einfach passieren? Also bei Böhmermann hat es geklappt, vom Spartenprogramm dann doch in den Hauptsender. Aber so Drei-Minuten-Clips, die lassen sich ja eher schlecht transferieren.
    Burkhardt: Nein, das geht ja nicht um die, tatsächlich, dass wir sagen, die Sachen müssen dann gesendet werden. Sondern es geht ja um die Frage des Know-hows, der Erzählhaltung, der Frage, wie man mit einer Community interagiert, der Frage, welche Themen vielleicht auch für so eine Gruppe relevant sind. Und dieses Know-how fließt ja natürlich, dadurch dass ja viele Redaktionen an unserem Programm mitarbeiten, dann wiederum auch in deren Redaktionsstrukturen mit ein.
    Flexible Entwicklung mit der Mediennutzung
    Reimann: Die ARD, die gibt es seit rund 60 Jahren. Was meinen Sie denn, wie wird es noch mal in 60 Jahren aussehen? Werden wir dann bald alle nur noch youtuben und snapchatten und facebooken?
    Burkhardt: In 60 Jahren glaube ich, gibt es schon wieder ganz andere Player.
    Reimann: Und "funk" sieht dann wahrscheinlich ganz anders aus.
    Burkhardt: Ja.
    Reimann: Wenn es das dann noch gibt.
    Burkhardt: Ja. Das ist ja auch eine Möglichkeit, die wir ja haben, dass wir ja, wir sind ja quasi nicht auf bestimmte Plattformen angewiesen, sondern wir können uns entwickeln mit dem, wie sich die Mediennutzung entwickelt. Und das ist ja die große Chance, die wir haben.
    Reimann: Das sagt Sophie Burkhardt, stellvertretende Geschäftsführerin von "funk", dem sogenannten Jung-Angebot von ARD und ZDF. Frau Burkhardt, haben Sie vielen Dank für das Gespräch.
    Burkhardt: Bitte schön.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.