Doris Schäfer-Noske: Es wird weiter scharf geschossen gegen Kulturstaatsministerin Monika Grütters: Der Entwurf ihres Kulturschutzgesetzes erinnere - Zitat - "in unseliger Art und Weise an staatliche Willkür in der Nazizeit und der ehemaligen DDR". Das sagte jetzt der Münchner Kunst-Auktionator Robert Ketterer der Illustrierten "Bunte". Grütters hatte betont, sie wolle mit ihrem Gesetz vor allem den illegalen Kunsthandel eindämmen. Doch Kunsthändler, Galeristen und Sammler reagierten mit heftiger Kritik. Und der Künstler Georg Baselitz ließ Dauerleihgaben aus deutschen Museen abziehen. Vom Gefühl der Enteignung ist die Rede, das sich bei vielen Künstlern und Sammlern breitmache.
Die Münzkundlerin Ursula Kampmann ist Initiatorin einer Online-Petition gegen den Gesetzentwurf. Sie arbeitet an der Schnittstelle von Forschung, Münzhandel und Publizistik. Frau Kampmann, sind denn die Reaktionen, denen sich Frau Grütters seit gut zehn Tagen ausgesetzt sieht, nicht irgendwie übertrieben? Oder andersherum gefragt: Hat sie das verdient?
Ursula Kampmann: Ja, absolut! Ihr fällt einfach jetzt auf die Füße, dass sie im Vorfeld systematisch versucht hat, den Handel aus jeglicher Diskussion auszuschalten. Bei der vorbereiteten Konferenz in Berlin waren wir nicht eingeladen, wir mussten uns erst über einen Brief an den Außenminister Zugang verschaffen. Das Anhörungsprotokoll vom April ist immer noch nicht veröffentlicht, sodass den Politikern einfach kein Anhalt gegeben worden ist, wie der Handel zu diesem Gesetzesentwurf steht. Und da bleibt eigentlich nur noch der Weg über die Medien.
Kampmann: Das Gesetz ist unsauber und nicht praktikabel
Schäfer-Noske: Das heißt, es stört Sie vor allem das Wie und weniger das Was?
Kampmann: Nein. Also, es stört mich sowohl das Wie als auch das Was. Denn herausgekommen ist ein Gesetz, das so a) wahnsinnig viele Unsauberkeiten und Unsicherheiten enthält und b) nicht praktikabel ist.
Schäfer-Noske: Sie schreiben in Ihrer Petition, ein solches Gesetz, wie es geplant ist, würde das Sammeln von Kulturgütern bedrohen. Warum?
Kampmann: Nun, die Sorgfaltspflichten, die sich die Frau Grütters da vorstellt, sind einfach schlichtweg unerfüllbar. Und ein Händler, der diese Sorgfaltspflichten nicht erfüllt, wird mit einer Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren Gefängnis bedroht.
Schäfer-Noske: Können Sie da mal ein Beispiel nennen?
Kampmann: Ja, stellen Sie sich mal vor, Sie haben eine Münze aus der Zeit der Römischen Republik. Diese Dinger sind relativ häufig, also, da sind Hunderttausende davon geprägt worden. So ein Ding hat vielleicht 120 Euro Wert. Das heißt, es fällt jetzt schon über die Wertgrenze, die Frau Grütters für diese Kategorie vorgegeben hat. Nur, für dieses Geld hat man früher schlicht und ergreifend keine Münze abgebildet. Sie werden keinen Beweis irgendwo in einem Auktionskatalog finden, wie lange diese Münze eigentlich schon in Deutschland unterwegs ist. Und wir müssen dazu sagen, in Deutschland wird seit etwa 400 Jahren gesammelt!
Händler riskieren Freiheitsstrafen
Wenn nun dieses Gesetz existieren wird, dann kann irgendein Staat - Rumänien, Bulgarien, und ich nenne die beiden, weil wir da jetzt wirklich konkrete Fälle haben - ein Schreiben schicken mit einer Kopie von ähnlichen Münzen und ein Statement abgeben, das ist unser nationales Eigentum und das ist gestohlen worden! Und dann haben Sie als Eigentümer die Pflicht, nachzuweisen, dass diese Münze nicht gestohlen ist. Und wenn Sie das nicht können, weil Sie keine Rechnung aufbewahrt haben, weil Sie sie in einer Zeit gekauft haben, wo dieses Gesetz noch nicht gegolten hat, dann kann sie ersatzlos beschlagnahmt werden. Und der Händler muss beweisen, dass er seine Sorgfaltspflicht getan hat. Und wenn er das nicht kann, dann droht ihm bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe. Also, das ist in seiner Konsequenz unglaublich! Das gilt auch für jede Scherbe, es gilt auch für Briefmarken, es gilt für Keramik, es gilt für Möbel, es gilt für alles. Nur, da haben wir eine andere Wertgrenze, die liegt bei 2.500 Euro.
Schäfer-Noske: Nun wurde aber berichtet, dass Deutschland ein Hauptumschlagplatz für Raubkunst sei und mit dem Erlös der Raubkunst würden Terror und Kriege finanziert. Wenn das so ist, dann muss doch jetzt ein Gesetz kommen, das das verhindert?
Kampmann: Ja, wenn das so wäre, dann würden wir auch mit Sicherheit uns überlegen, wie man das machen kann. Das Problem ist nur, dass das immer als Feigenblättchen vorgehalten wird, und dass es bis heute eigentlich wirklich keine konkreten Beweise gibt, wie groß der Handel ist und dass er überhaupt existiert.
Es hat zum Beispiel eine Kleine Anfrage der Grünen gegeben, und zwar im März 2015, wo die die Regierung gefragt haben, was man denn wisse über die Verbindung des Kunsthandels zum Terror. Und da kam eine Antwort, dass man es zwar vermute, aber keine verlässlichen Zahlen habe. Wir waren jetzt eingeladen, beim Round Table vom FBI zuzuhören, was die für Erkenntnisse haben, und da kam heraus, dass eigentlich niemand wusste, was mit den Gegenständen passiert, die vielleicht - auch das wissen wir ja nicht genau - aus Syrien, aus den Gebieten ausgeführt werden. Und wir haben jetzt den Fall, dass US-Offizielle im Juli, wohlgemerkt im Juli 2015 einen ersten Beweis haben, dass der IS mit antiker Kunst irgendetwas macht. Es handelt sich da um 70 Objekte im Wert von 2.000 Euro, wenn man sich die Bilder anschaut und was von der Materie versteht.
Und da frage ich Sie jetzt, kann denn das sein, dass in der Präambel des Gesetzes steht, wir müssen was gegen den Terrorismus machen und wir wissen überhaupt nichts darüber?
"Die einzige Lösung besteht in einem wirklich offenen Miteinander"
Schäfer-Noske: Wie könnte denn aus Ihrer Sicht dann eine Lösung aussehen?
Kampmann: Die einzige Lösung besteht in einem wirklich offenen Miteinander, und das fordern wir ja in unserer Petition, dass einfach die Anliegen des Handels geführt werden, ohne eine pauschale Vorverurteilung des Handels vorzunehmen. Denn was wir von offiziellen Stellen als Vorverurteilung über uns haben ergehen lassen, das ist nicht mehr lustig!
Schäfer-Noske: Das war die Münzkundlerin Ursula Kampmann über ihre Online-Petition gegen das geplante Kulturschutzgesetz.
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