Archiv

Betrügerische Anzeigen
Warum seriöse Websites Werbung von Fake-Shops schalten

Schlank, reich oder glücklich in wenigen Tagen - viele Online-Anzeigen machen große Versprechungen. Dahinter stecken oft unseriöse bis kriminelle Anbieter. Warum wollen viele Verlage und Online-Magazine trotzdem nicht auf das Geschäft verzichten?

Von Michael Meyer | 11.04.2023
Das Browser-Add-On Web of Trust (WOT) zeigt am 02.06.2016 in Berlin bei einer Internetrecherche an, dass eine der angezeigten Websites nicht vertrauenswürdig ist.
Ob ein Onlineshop hinter einer Anzeige vertrauenswürdig ist, ist nicht immer auf den ersten Blick erkennbar (picture alliance / dpa Themendienst / Andrea Warnecke)
„Markus Lanz verhaftet“: Diese Meldung sah man noch Ende letzten Jahres des Öfteren, zum Beispiel bei Facebook, aber auch bei seriösen Websites. Klickte man auf die Anzeige, gelangte man zu einer angeblichen Website mit dem Bericht über die Verhaftung. Solche Seiten arbeiten teilweise mit echten Logos der "Tagesschau" oder anderen Nachrichtenanbietern, und versuchen so auszusehen wie eine seriöse Website.
Die Verhaftung des ZDF-Moderators war natürlich frei erfunden, in Wirklichkeit steckt dahinter eine windige Anlagemöglichkeit in Bitcoin – ob man sein Geld jemals wiedersehen würde, sei mal dahingestellt.
Am 04.04.2023 zeigt ZDF-Moderator Markus Lanz in seiner gleichnamigen Talkshow den Screenshot einer Online-Anzeige mit einem gefälschten Foto seiner vermeintlichen Verhaftung.
Markus Lanz zeigte in seiner ZDF-Talkshow, wie ein gefälschtes Foto seiner vermeintlichen Verhaftung via Online-Anzeige verbreitet wurde (ZDF / Markus Lanz vom 04.04.23 / Screenshot)

Wie gelangt unseriöse Werbung auf seriöse Websites?

Anna Biselli, eine der Chefredakteurinnen von „netzpolitik.org“ erklärt, dass derlei Anzeigen komplett unabhängig von verlegerischen Entscheidungen online gestellt werden, über sogenannte DSPs, „Demand Side Platforms“:
"Wenn ich zum Beispiel 'Spiegel Online' aufrufe, dann hat derjenige, der mir die Anzeige anzeigt, nicht direkt die Anzeige bei 'Spiegel Online' gekauft. Sondern die kaufen das eben bei Dritten, die sich um die ganzen Ausspielungen kümmern, und können bei diesen Dritten eben sagen: Ich will, dass meine Anzeige für diese Handcreme beispielsweise auf Beauty-Seiten angezeigt wird. Oder: Ich will, dass die Frauen zwischen 30 und 40 angezeigt wird. Und dann kümmert sich ein sogenannter Ad-Server darum, diese Anzeige auszuspielen und zu messen, wie erfolgreich die Anzeige war."
Diese Art der Werbevermarktung ist erst einmal ein ganz normales Verfahren im Bereich der Online-Seiten. Die meisten Produkte sind durchaus nicht unseriös – aber: Im Rahmen eines automatisierten Verfahrens tauchen eben auch manche Scam-Anzeigen auf, bei denen entweder das Produkt selbst zweifelhaft ist, sich ein Fake-Shop dahinter verbirgt oder aber, noch schlimmer: Es sind Anzeigen, mit denen man sich einen Bug oder Virus auf das jeweilige Gerät holt.  

Wer steckt hinter den unseriösen Anzeigen?

Bei der Organisation „Watchlist Internet“ in Wien, die ans Österreichische Institut für angewandte Telekommunikation angegliedert ist, hat man das Problem schon seit längerem auf dem Schirm und führt Listen mit betrügerischen Web-Shops.  Projektmanagerin Louise Beltzung sagt, dass solche Websites leider sehr gut funktionieren, denn mit verhältnismäßig wenig Aufwand können zum Teil Tausende von Euro eingespielt werden. Wie einfach das geht, hat das Team in einem Selbstversuch getestet.
Ein eigens entworfener Fake-Shop generierte schon im ersten Monat Tausende von Klicks: "Wir haben Werbung auf Google geschaltet und es war kein Aufwand notwendig, wir mussten eine Telefonnummer angeben. Es ist so niederschwellig, dass es wirklich nicht schwer wäre, durch ein paar kleine Schritte das schon deutlich schwieriger zu machen. Wir haben dort in aller Ruhe Werbung schalten können für diesen Shop ohne ordentliches Impressum. Und das ist schon etwas, was uns zu denken gibt. Da könnte man durchaus mehr machen."

Wie viel verdienen Verlage mit den geschalteten Anzeigen?

Doch warum vermarkten Websitebetreiber und Verlage über diesen Weg ihre Werbeflächen? Gegenüber mediasres war kein Verlag zu einer Stellungnahme bereit. Das Thema ist in der Branche bekannt – aber niemand spricht gerne darüber. 
Anna Biselli von „netzpolitik.org“ erzählt, dass ihre Redaktion versucht hat, zu recherchieren, wie viel eigentlich durch diese Art der Werbeflächenvermarktung hereinkommt:  "Wir haben kürzlich mit einem Forscher geredet, und der schätzt, dass pro Nutzer und pro Monat schätzungsweise zehn Cent für die Plattform dabei herausfallen. Das ist erstmal nicht besonders viel, aber das summiert sich natürlich. Wenn man Millionen von Nutzerinnen hat, dann kann schon mal was zusammenkommen. Das ist auch nur das, was man mit bestem Wissen und Gewissen schätzen kann, aber genau weiß man es eben nicht."

Was können Verlage und Plattformen gegen unseriöse Anzeigen tun?

Beim Springer-Konzern sagte man nichts zu der Frage, wie viel Umsatz die Online-Anzeigen generieren, aber: Bei jenen Anzeigen, die vorgeben, wie Online-Seiten von "Bild" oder "Welt" daherzukommen, gehe man dagegen rechtlich vor, so ein Verlagssprecher. Allerdings sei es, so das Statement von Springer, sehr schwierig, die Urheber dieser Fakes aufzuspüren.  
Louise Beltzung von „Watchlist Internet“ bestätigt, dass es fast unmöglich ist, an die Täter heranzukommen, denn diese Art Anzeigen würden meist nicht vereinzelt, sondern als Teil eines ganzen Netzwerks veröffentlicht.
Fest steht: Jene Anzeigen, die kriminell sind, versuchen Plattformen herauszufiltern – jedoch arbeiten diese Filter automatisiert, und so manche Anzeige unterläuft dann doch wieder diesen Filter,  in dem sie unter einem anderen Absender oder anderem Text erneut veröffentlicht wird.  Im Fall der Markus-Lanz-Werbung hat der Spiegel-Verlag jedenfalls aktiv eingegriffen und die Anzeige von der Website nehmen lassen. Solch ein direktes Eingreifen ist aber eher selten. 
Louise Beltzung von „Watchlist Internet“ wünscht sich von den großen Plattformen wie Google und Facebook, die Ad-Server betreiben, dass sie zumindest ein paar wenige Sicherheitsebenen einziehen, etwa einen Nachweis, ob es das jeweilige Unternehmen überhaupt gibt: "Da gibt es zahlreiche Sachen, wo man ein bisschen im Kleinen hochdrehen könnte, und man würde nicht die Legitimen verschrecken, weil die Legitimen füllen ja durchaus solche Sachen auch gerne aus. Und was man auch machen könnte, ist, jene legitimen Händler besser auszuschildern."