Cornelia Seibeld erfuhr aus ihrer Post, dass sie Opfer von Identitätsdiebstahl geworden war. Angeblich hatte die Rechtsanwältin online Schuhe und Bekleidung bestellt und bekommen. "Ich habe tatsächlich von zwei Inkasso-Unternehmen Mahnungen und Rechnungen bekommen. Beides so Beträge um 100 Euro."
Auch Torsten Schneider bekam Mahnungen für Dinge zugeschickt, die er nie im Internet bestellt hatte. Ein iPad-mini etwa und Kinderbadehosen. Forderung: jeweils über 300 Euro. "Da ich aber nichts im Internet bestelle, sondern da eher konservativ bin, habe ich das einfach weg gelegt."
Stefan Teller vom Landeskriminalamt Berlin kennt solche Fälle zu Hauf. Er ist Leiter der Abteilung Betrugsdelikte. Was Schneider und Seibeld erlebt haben, fällt für ihn in die Rubrik "Warenkreditbetrug". Mittlerweile ein Massendelikt, sagt Teller. Vor allem in Großstädten.
Je anonymer die Umgebung, desto höher die Betrugsrate
"Warenkreditbetrugstaten hatten wir in den letzten sechs abgeschlossenen Jahren jeweils zwischen 12.000 bis 16.500 Taten ungefähr. Je anonymer die Umgebung ist und die Gegebenheiten, desto einfacher spielt das den Tätern in die Hände."
Denn die Täter überkleben gerne mal Briefkasten- und Klingelschilder für ihre Zwecke oder passen die Versandware im Treppenhaus ab. Oder holen sie bei hilfsbereiten Nachbarn ab.
Grundsätzlich ist die Methode simpel: Die Täter bestellen im Namen einer echten Person Waren im Online-Versandhandel auf Rechnung. Diese Ware fangen sie jedoch ab oder lassen sie an eine separate Adresse liefern. Die echten Personen erfahren davon nur, weil sie irgendwann die Rechnung bekommen, vielleicht auch schon gleich eine Mahnung, weil auch die Rechnung sie nicht erreichte.
Doch wie mit der Zahlungsaufforderung umgehen? Cornelia Seibeld entschied sich für den mühsamen Weg des Briefeschreibens: "Ich habe die Inkasso-Unternehmen angeschrieben, die Schufa angeschrieben und den Warenversandhandel angeschrieben, der dahinter steckte und jeweils mitgeteilt, dass ich weder einen Kaufvertrag geschlossen habe noch Ware erhalten habe noch Mahnungen bekommen habe und habe eine Strafanzeige gestellt", erläutert sie. Aber damit war die Geschichte noch nicht erledigt. – "Damit war sie nicht erledigt, aber damit hat sie sich - mit langem Schriftverkehr und Hin und Her - dann nach einem halbem, dreiviertel Jahr tatsächlich erledigt." Ihre Strafanzeige brachte kein Ermittlungsergebnis.
Rat zum restriktiven Umgang mit persönlichen Daten
Torsten Schneider, der ursprünglich gar nicht reagieren wollte, da er nie online einkauft, ging einen anderen Weg. Auch er ist Rechtsanwalt. Nachdem die Forderungen nicht aufhörten und sein brieflicher Widerspruch nicht fruchtete, entschied er sich, den Rechtsweg zu beschreiten: "Mit einer sogenannten 'negativen Feststellungsklage' beim zuständigen Amtsgericht. Sie können also umgekehrt sagen: Hey, da behauptet einer eine Forderung und ich möchte jetzt, dass das Gericht feststellt, dass diese Forderung nicht besteht."
Schneider gewann den Prozess. Der Haken: Für eine solche Forderungsabwehr müssten Laien einen Rechtsanwalt einschalten, der kostet. Selbst Torsten Schneider als Anwalt blieb auf Kosten sitzen in Höhe von über 100 Euro für Gerichts- und Porto-Gebühren.
Polizist Teller empfiehlt Opfern auf jeden Fall Anzeige zu erstatten. Und zur Vorbeugung: "Mit seinen eigenen Daten und Personalien so restriktiv wie nur irgend möglich umzugehen. In erster Linie: Name, Geburtsdatum, Anschrift und da sind Stichworte allein schon die Sozialen Medien oder Website-Auftritte, Preisausschreiben, Lotterien – immer dann, wenn ich meine persönlichen Daten preisgebe, sollte ich vorher hinterfragen, ob das wirklich notwendig ist, oder ob es sinnvoller ist, hier lieber darauf zu verzichten."
Bundesratsinitiative für veränderte Online-Bestellbedingungen
Cornelia Seibeld setzt auf eine andere Karte: Die CDU-Politikerin hat zusammen mit ihrer Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus eine Bundesratsinitiative eingebracht, die zum einen die Bestellbedingungen im Online-Versandhandel verändern will. Und zum andern die Auswirkungen solcher Betrugsfälle auf die Bonität der Geschädigten, zum Beispiel bei der Einstufung der Kreditwürdigkeit bei Auskunfteien wie der Schufa:
"Ich hätte zum einen gerne, dass es eine verstärkte Aufsicht über die Inkasso-Unternehmen gibt, weil ich das Gebaren vieler Inkasso-Unternehmen als total unseriös empfinde, wo der Eindruck erweckt wird, als wenn die Darlegungs- und Beweislast vertauscht wird und die Verbraucher sich jetzt rechtfertigen müssten und erklären müssten, dass sie nichts gekauft haben. Ein anderer Punkt ist, dass man im Versandhandel die Bestellungen so reguliert, dass die Erstbestellung nicht auf Rechnung erfolgen kann."
Genau das propagieren die Verbraucherzentralen. Zum Schutz vor falschen Internet-Shops und ähnlichen online-Gefahren raten sie dezidiert zum Kauf auf Rechnung, besonders bei der Erstbestellung.