Michael Böddeker: Lange wurde darüber debattiert, aber inzwischen steht fest, wie es weitergehen soll mit der Exzellenzinitiative. Vor genau einer Woche wurden die Pläne dafür vorgestellt, wir haben hier bei "Campus und Karriere" auch darüber berichtet. Die Eckpunkte: Über 500 Millionen Euro pro Jahr sollen in den Bund-Länder-Programm fließen, in sogenannte Exzellenzcluster und in acht bis elf Exzellenzuniversitäten. Für Bundesbildungsministerin Johanna Wanka ein Grund zur Freude:
Aber das sehen längst nicht alle so, und jetzt formiert sich der Protest auch online in einer gerade gestarteten Petition gegen die Exzellenzinitiative. Einer der Organisatoren ist Tilman Reitz, er ist Professor für Soziologie an der Friedrich-Schiller-Universität in Jena. Mit ihm habe ich gesprochen und ihn gefragt, warum halten Sie die Exzellenzinitiative für nicht sinnvoll?
Tilman Reitz: Es gibt mehrere Gründe: Einer der Gründe wurde bereits festgestellt in dem Bericht der sogenannten Imboden-Kommission, die das Ganze evaluiert hat. Da wurde gesagt, es gibt grundlegende Probleme in der Finanzierung des deutschen Hochschulsystems, auch in der Beschäftigungslage des wissenschaftlichen Nachwuchses, und die werden mehr oder weniger überdeckt durch das Theater der Exzellenzinitiative.
Es gibt aber auch einen ganze anderen Grund, der darin liegt, dass das deutsche Hochschulsystem bisher relativ egalitär organisiert war. Das heißt, man konnte an allen Universitäten gute Forschung, auch im Weltmaßstab gute Forschung machen, und jetzt wird das sehr stark gebündelt bei acht bis elf Universitäten beziehungsweise bei den wenigen, die sonst noch Exzellenzcluster haben, und das ist eine Frage, ob diese Hierarchisierung sinnvoll ist, ob man nicht viel besser fährt mit dem bisherigen System.
"Es ändert sich auf jeden Fall der symbolische Status"
Böddeker: Aber wenn einige Hochschulen mehr bekommen, muss das doch nicht zwangsläufig schlecht sein für diejenigen, die nicht mehr bekommen, oder was ändert sich für die?
Reitz: Es ändert sich auf jeden Fall der symbolische Status, und es werden real dann auch schon Mittel umverteilt. Man merkt das schon im Vorfeld der Exzellenzinitiative. In den letzten beiden Runden gab es in den Ländern immer sowas wie eine Pro-Exzellenzinitiative. Das heißt, man versucht, die Unis besonders bewerbungsstark zu machen, von denen man sich irgendetwas erwartet, und da nicht endlos Geld für Hochschulen politisch bereit steht, ist das dann so, dass es an den anderen Standorten fehlt.
Also es ist nicht einfach so, dass etwas dazu kommt, sondern es wird auch etwas weggenommen, sowohl an Reputation als auch an realen Mitteln. Wenn man das Ergebnis, was herauskommen könnte, richtig drastisch vor Augen haben will, dann sähe das so aus, dass es eben einige Hochschulen gibt, wo weiter beim internationalen Maßstab Forschung betrieben wird, dann so ein Mittelfeld, was nationale Bedeutung hat und sehr viele Hochschulen nur noch mit der regionalen Wirtschaft kooperieren und überhaupt nicht mehr als Forschungsstandort infrage kommen.
Grundfinanzierung sollte gestärkt werden
Böddeker: Wenn Sie die Exzellenzinitiative ablehnen, was wäre denn Ihr Vorschlag für eine Alternative, also wenn Sie entscheiden dürften, was würden Sie mit dem Geld machen?
Reitz: Es ist ja, wenn man es auf alle Hochschulen in Deutschland umrechnet, nicht riesig viel Geld, aber man könnte durchaus die Grundfinanzierung schon etwas stärken. Es ist so, dass in zahlreichen Bereichen die Lehre wirklich nicht abgesichert ist, sondern dass die schlecht oder unbezahlten Lehraufträge dann gewährleistet wird. Da könnte man einiges Geld umleiten. Das würde aber sicher nicht reichen.
Was mir weiterhin wichtig schiene, wäre, dass wieder Geld beantragt wird, wenn Bedarf besteht, also wenn für Forschungsprojekte entweder teure Geräte angeschafft werden müssen oder wenn man Personalbedarf hat, zum Beispiel bei sozialwissenschaftlichen Forschungsprojekten.
Im Moment sieht es so aus, man bewirbt sich um Drittmittel, weil man das muss, um den eigenen Status zu halten oder zu steigern. Es wäre gut, wenn das wieder nach dem Bedarf der Forschung verteilt würde.
"Überproportionale Lehrbelastungen"
Böddeker: Auf der Liste der 100 Erstunterzeichner Ihrer Petition stehen viele Professoren und Doktoren, aber was auffällt, es sind fast ausschließlich Geisteswissenschaftler, kaum Naturwissenschaftler. Wird da ein Konflikt sichtbar oder vielleicht sogar etwas Neid darüber, dass das Geld der Exzellenzinitiative vor allem in die Forschung in den MINT-fächern fließt?
Reitz: Nein, also ich habe damit keine Schwierigkeiten. Ich glaube, dass die MINT-Fächer tatsächlich zum Teil einen höheren Finanzbedarf haben, und es hat eher kontingente Gründe. Also unsere Initiative kommt aus dem Bereich der Sozialwissenschaften, einige aus den Geisteswissenschaften haben sich angeschlossen. Wir hoffen, dass das wesentlich weitere Kreise zieht. Wenn ich mit Naturwissenschaftlern rede, beschweren die sich auch über Dritmittelwettbewerbe und zum Teil haben die auch dezidierte Einstellungen gegen die Exzellenzinitiative. Also ich hoffe, dass das weitere Kreise zieht.
Ich glaube nicht, dass man prinzipiell den finanziellen Anteil der Geistes- und Sozialwissenschaften riesig erhöhen sollte. Was man machen sollte, ist überproportionale Lehrbelastungen eindämmen in diesen Bereichen und die Leute, die da arbeiten, sinnvoll finanzieren, aber ich glaube nicht, dass das wirklich ein Problem ist zwischen den verschiedenen Fächergruppen.
"Bildungspolitik wird in den einmal eingeschlagenen Bahnen bleiben"
Böddeker: Vor einer Woche wurden jetzt die Pläne vorgestellt, darüber, wie es weitergehen soll mit der Exzellenzinitiative. Der Plan muss dann noch Mitte Juni von den Regierungschefs der Länder und der Kanzlerin abgesegnet werden. Glauben Sie, dass mit so einer Petition jetzt noch irgendetwas daran geändert werden kann?
Reitz: Also ich glaube, die Aussichten sind nicht besonders gut. Das ist ganz klar. Also die Bildungspolitik wird höchstwahrscheinlich in den einmal eingeschlagenen Bahnen bleiben.
Was man vielleicht bewirken kann, ist, dass man überhaupt zeigen kann, hier gibt es Leute, die an den Hochschulen arbeiten und Studierende, die sich wirklich melden und die sagen, wir erklären jetzt öffentlich, wir sind dagegen. Was man vielleicht sogar ändern kann, ist, dass nicht alle mehr die Notwendigkeit einsehen, sich zu bewerben.
Der letzte Punkt, der vielleicht sinnvoll ist, ist, dass die exzellenten Universitäten dann vielleicht nicht mehr so exzellent aussehen, wenn klar ist in den Augen vieler Forschender und Lehrender, ist dieses Prädikat Exzellenz gar nicht unbedingt der Ausweis dafür, dass da gute Forschung und Lehre geleistet wird.
Böddeker: Sagt Tilman Reitz von der Friedrich-Schiller-Universität in Jena. Mit ihm habe ich über die gerade gestartete Online-Petition gesprochen, die sich gegen die Exzellenzinitiative richtet.
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