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Protest gegen die Abitermine im Südwesten

Erst die Verkürzung der Schulzeit um ein Jahr, nun soll die schriftliche Abiturprüfung in Baden-Württemberg und Hessen um einen Monat vorgezogen werden. Das bringt die Schülerunion auf die Palme. Sie fürchtet miesere Noten und fordert mehr Zeit fürs Büffeln.

Von Thomas Wagner |
    "Letztes Jahr fanden die Abiturprüfungen Mitte April, Anfang April statt. Und dieses Jahr findet sie bereits ab dem 12. März statt, also drei bis vier Wochen früher als sonst immer."
    Und genau das gefällt Zwölftklässlerin Céline Santus ganz und gar nicht: "Wir finden, dass dadurch sehr viel Prüfungszeit fehlt, um den Unterrichtsstoff durchzubekommen. Denn sonst hatte man oftmals auch noch die Osterferien, um sich aufs Abitur vorzubereiten. Und das fehlt uns jetzt einfach.“
    Clara Held sitzt daneben, nickt zustimmend: "Wir werden gerade in Mathe im Stoff nicht wirklich fertig. Wir machen eine Woche vor dem Abi ein neues Thema. Wir machen auch noch Samstagstermine, weil wir sonst mit dem Stoff nicht durchkommen."
    Kürzere Vorbereitungszeit aufs Abi, Büffeln unter erheblich größerem Zeitdruck: Abiturientin Anika Klotzbüchler glaubt, dass das auf den Notenschnitt drücken wird. "Also so um 0,1, 0,2 könnte der Schnitt schon besser werden, wenn wir länger Zeit zum Üben hätten.“
    Die Schülerinnen und Schüler regem sich vor allem deshalb auf, weil sie die Chancengleichheit verletzt sehen. Denn wenn sie sich um Studien- und Arbeitsplätze bewerben, stehen sie teilweise im Wettbewerb mit denen, die sich vor einem Jahr deutlich länger aufs Abi vorbereiten konnten. Céline Santus hat das Ganze deshalb zum politischen Thema gemacht. Sie ist Vorsitzende der Schülerunion im Bodenseekreis – und verfasste eine Internetresolution gegen den frühen Prüfungstermin. "Wir insgesamt fast 8.000 Jugendliche erreicht. Die haben uns dann auch nochmals angesprochen und gesagt: Toll, das ihr das in Angriff genommen hat. Denn das ist wirklich ein Thema, das Schüler betrifft."
    Ministerium und Lehrer halten Protest für überzogen
    Im baden-württembergischen Kultusministerium können die Verantwortlichen die Aufregung nicht so recht verstehen. Frühe Abi-Termine habe es immer schon gegeben, entgegnet Ministeriumssprecher Roland Peter: „Das ist bereits 2009 passiert, 2011 passiert, 2012 passiert. Da gab es einfach terminliche Zwänge, die Prüfungen schon vor den Osterferien zu machen. Und es gab bisher keine negativen Rückmeldungen.“
    Terminliche Zwänge – die hätten mit den relativ späten Oster- und Pfingstferien in diesem Jahr zu tun – und damit, dass im Interesse der Schüler die Abi-Zeugnisse rechtzeitig vor den Sommerferien ausgegeben werden müssten. "Da gibt es einerseits die Bewerbungsfristen für Universitäten, zum anderen die der Stiftung für Hochschulzugang, die frühere ZVS. Das ist für die Abiturienten, die hinterher studieren wollen, einfach zentral.“
    Lehrer und Schulleiter sind sich uneins über die Frage, ob frühe Abi-Termine zu weniger Chancengleichheit führen. Hermann Dollack, Schuleiter des Graf-Zeppelin-Gymnasiums in Friedrichshafen, hält die Kritik der Abiturienten für überzogen. „Letztendlich sind sie nicht benachteiligt. Denn wir, also alle Lehrkräfte wissen Bescheid, und zwar bereits zwei Jahre im Voraus.“
    Dementsprechend könnten sich die Lehrer im Unterricht rechtzeitig auf den frühen Prüfungstermin einstellen. Franz Bertold-Fackler, Leiter des Beruflichen Gymnasiums der Bernd-Blindow-Schulen Friedrichshafen, meint dagegen: „Wir sind einen Monat früher dran. Das bedeutet natürlich auch auf der Seite der Lehrkräfte, dass man hier den Lehrstoff konzentrierter darbieten muss und auch den Lehrkräften bei der Darbietung ein ganzer Monat fehlt.“
    Das bestärkt die Schülerunion im Bodenseekreis in ihrer kritischen Haltung, zumal das Problem nicht nur im Südwesten zutage tritt. Auch in Hessen liegt der Abi-Prüfungstermin in diesem Jahr um einen Monat früher als im Vorjahr – für Céline Santus Grund genug, in ihren Bemühungen um eine Verminderung des Lerndrucks Bundesländer übergreifend fortzufahren. „Wir wissen, dass wir in diesem Jahr nichts mehr ändern können. Aber es geht ja nicht nur um uns, sondern auch um die zukünftigen Abiturienten.“