Wer als Arbeitnehmer nicht in einer Gewerkschaft organisiert ist, profitiert oft dennoch von Tarifabschlüssen und anderen Verträgen, die Gewerkschaften mit den Arbeitgebern aushandeln. Sie sparen sich dann den Mitgliedsbeitrag und profitieren dennoch – als eine Art Trittbrettfahrer. Dass dies nicht immer so sein muss, bestätigte heute das Bundesarbeitsgericht in Erfurt.
In der Krise hatte Opel mit der IG Metall einen Lohnverzicht von allen Arbeitnehmern ausgehandelt. Die Gewerkschaft machte ihre Zustimmung jedoch davon abhängig, dass ihre Mitglieder besser behandelt würden. Jeder IG Metaller sollte später eine "Erholungsbeihilfe" in Höhe von 200 Euro bekommen. Nun klagten Opelaner, die nicht organisiert oder in einer anderen Gewerkschaft waren, auf Zahlung eben dieser 200 Euro auch an sie. Das Bundesarbeitsgericht entschied wie auch die Vorinstanzen.
Gerichtssprecher Waldemar Reinfelder: "Der Senat hat entschieden, dass kein Anspruch besteht. Eine Gewerkschaft darf zugunsten ihrer Mitglieder so eine Leistung vereinbaren. Und derjenige, der nicht Mitglied der IG Metall ist und einer anderen Gewerkschaft angehört oder nicht in einer Gewerkschaft ist, der kann nicht aus Gleichbehandlungsgründen verlangen, dass er eine solche Leistung bekommt."
Urteil wurde so erwartet
Der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz fände keine Anwendung, wenn eine Gewerkschaft mit dem Arbeitgeber Sonderregelungen für ihre Mitglieder vereinbare. Der Rechtsvertreter von Opel, Burkhard Gopfert, zeigte sich nicht sonderlich überrascht von dem Urteil und verwies auf die Bedeutung des Lohnverzichts für Opel in den Jahren der Krise: "Das ist eine Restrukturierung, die lange zurück liegt, 2010, die dazu geführt hat, dass die Adam Opel AG gerettet werden konnte. Ich glaube, da sind heute alle sehr glücklich darüber, auch über den Erhalt der Arbeitsplätze. Und wenn das Bundesarbeitsgericht heute zu dem Ergebnis gekommen ist, dass der damals von der IG Metall und von Opel gewählte Weg der richtige war, dann nehmen wir das zur Kenntnis und sind darüber zufrieden, aber das sind jetzt keine besonderen Emotionen deswegen."
Auch die Gegenseite hatte das Urteil so erwartet. Rechtsanwalt Joachim Holthausen jedoch versteht den Ärger der Arbeitnehmer, die ebenso wie ihre Kollegen auf Lohn verzichtet hatten: "Für die Arbeitnehmer ist das unbefriedigend in einer Sanierungssituation, wo man um seinen Arbeitsplatz gekämpft hat und man bereit war, Einbußen hinzunehmen, weil man ja davon ausgegangen ist, dass alle die gleiche Einbuße hier aufbringen, um den Arbeitsplatz zu retten. Und dann stellt man halt im Nachhinein fest, dass man mehr gezahlt hat als die anderen."
Kleinere Gewerkschaften müssen sich neu einstellen
Dass die "Erholungsbeihilfe" von 200 Euro nicht direkt an die IG-Metall-Mitglieder bei Opel gezahlt wurden, sondern über einen Verein, spiele keine Rolle, so das Gericht.
Das Urteil war kein Novum in der Geschichte des Bundesarbeitsgerichts. Schon in einer früheren Entscheidung hatte es Sonderreglungen für Gewerkschaftsmitglieder nicht beanstandet. Die kleineren Gewerkschaften jedoch müssten sich nun auf neue Wege einstellen, so der Vertreter der Kläger, Joachim Holthausen. "Hier war das Problem ja darin begründet, dass man nicht wusste, dass diese Nebenabsprache besteht, dass also eine Kompensation stattfindet für Lohneinbußen, die die nicht oder anders organisierten eben getragen haben, dass die für die Mitglieder der IG Metall halt kompensiert wurde. Und da wird sicherlich die Folge sein, dass man sich selber mit seinen Forderungen eben so aufstellt, dass man sagt: Okay, im Rahmen von Verhandlungen mache ich dann Auskunftsrechte gelten und frag mal: Was bestehen denn für Absprachen mit den anderen Gewerkschaften? Und dass ich dann versuche, mich eben auch zu positionieren mit meinen Forderungen. Dass nicht einer ausschert – zulasten der anderen."