Die Zahlen klingen dramatisch. Laut einer Studie der evangelikalen Hilfsorganisation "Open Doors" ist die große Mehrheit der aus Syrien, Irak, Iran oder Afghanistan geflohenen Christen in deutschen Flüchtlingsheimen Gewalt und Drohungen ausgesetzt. Gerade Konvertiten, die erst hier zum Christentum übergetreten sind, seien bedroht. Vor allem das mehrheitlich muslimisch geprägte Sicherheitspersonal und muslimische Mitbewohner sollen dafür verantwortlich sein. Diskriminierung, Körperverletzung, sexuelle Übergriffe, Todesdrohungen. Bis zu 40.000 Nicht-Muslime würden aktuell in deutschen Flüchtlingsheimen drangsaliert, schätzt Open Doors.
Dass es solche Repressalien und Übergriffe gibt, ist längst bekannt. Auch auf diesem Sendeplatz wurde schon vor Monaten über die traumatischen Erlebnisse christlicher Flüchtlinge berichtet. Unklar ist jedoch das Ausmaß. Open Doors gibt alljährlich den so genannten Weltverfolgungsindex heraus. Regelmäßig erklärt die Organisation mit Sitz in Kelkheim bei Frankfurt Christen zur meistverfolgten Glaubensgruppe. 100 Millionen Verfolgte sollen es derzeit weltweit sein. Kritiker etwa aus den beiden großen Kirchen zweifeln an dieser Größenordnung. Denn von handfesten Morddrohungen über Benachteiligungen bei der Berufswahl bis zu Beleidigungen auf der Straße wird alles gleichermaßen zu einer beeindruckenden Zahl addiert.
Zudem gibt es immer wieder Kritik an dem geschlossenen Weltbild von Open Doors. Christen sind Opfer, Muslime Täter – diesen Eindruck bekommt, wer die Zahlen liest. Dabei werden weltweit auch Muslime von vermeintlichen Glaubensbrüdern an Leib und Leben bedroht. So steht es zumindest in den Berichten anderer Nicht-Regierungsorganisationen wie Amnesty International, Human rights watch oder der Konrad Adenauer Stiftung.
Kirchen bemühen sich, eigene Daten zu erheben
Nun aber rennt Open Doors nicht nur ohnehin offene Türen ein, sondern öffnet tatsächlich eine neue. Zum ersten Mal nämlich werden konkrete Zahlen präsentiert über die Situation religiöser Minderheiten in deutschen Asylbewerberheimen. Die Kirchen bemühen sich seit Monaten, eigene Daten zu erheben, nur sei die Faktenlage verwirrend, heißt es bei der EKD. Ja, es gebe Konflikte, aber auch zwischen Flüchtlingen mit und ohne Bleibeperspektive, genauso wie zwischen den verschiedenen Ethnien und den innermuslimischen Glaubensgruppen. Allein reisende Frauen seien besonders gefährdet.
Die Kirchen plädieren anders als Open Doors aber für eine gemeinsame Unterbringung von Christen und Muslimen. Ein nach Religionen getrenntes Wohnen widerspreche dem deutschen Recht auf Religionsfreiheit, sagen sie. Nur für Härtefälle solle es besondere Schutzräume geben. Die Behörden allerdings wissen nicht einmal, welche Glaubensgruppen in den Heimen untergebracht sind, weil nach der Religionszugehörigkeit gar nicht erst gefragt wird, weder bei den Bewohnern noch beim Wach- und Sicherheitspersonal.
Sicher: Wichtiger als alle Statistiken ist es, alle Bewohner in Flüchtlingsheimen gut und sicher unterzubringen. Aber: Wer nun die Befragungen von Open Doors kritisiert, muss selbst seriösere Zahlen präsentieren können.