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Open-World-Game
Dummes Spiel, kluge Satire

In der Theorie versprechen Open-World-Games unendliche Weiten und große Freiheit. In der Realität allerdings nerven sie den Spielenden dann oft mit den immer gleichen langweiligen Aufgaben. Ein kostenloses Satire-Game knöpft sich diese Marotten nun vor.

Von Christian Schiffer |
"Open World Game: The Open World Game" wirkt erst einmal wie das dümmste Spiel des Jahres. Auf einer Karte, die so hässlich ist wie ein mit Microsoft-Paint-hingekritzelter Stadtplan von Mannheim, bewegen wir einen Pfeil von Symbol zu Symbol. 400 solcher Symbole kann man insgesamt einsammeln, haben die Entwickler stolz verkündet und außerdem, dass sie bei ihrem Spiel absichtlich auf beeindruckende Grafik verzichtet hätten, damit man sich in "Open World Game: The Open World Game" ganz auf die Open World konzentrieren könne.
Das Versprechen von Freiheit
Open World, das ist weniger eine Genre-Bezeichnung, als vielmehr ein Designprinzip, das man von großen Spieleserien wie "Grand Theft Auto", "The Elder Scrolls" oder "Assassin's Creed" her kennt. Open World, das bedeutet, dass dem Spieler eine Welt präsentiert wird, in der er sich theoretisch frei bewegen und tun und lassen kann, was er möchte. Das Versprechen von Open World ist also Freiheit.
In der Praxis erschöpft sich diese Freiheit aber oftmals darin, sich aussuchen zu dürfen, welcher repetitiven, generischen und, nun ja, eben dummen Aufgabe man sich als nächstes angehen möchte. Um den Spieler bei Laune zu halten, gibt es an jeder Ecke zum Beispiel Rattenplagen zu bekämpfen, Wildschweine zu jagen, Banditenlager auszuräuchern. Irgendwer möchte immer, dass man ein ihm nahestehendes Familienmitglied befreit, ihm den Kopf eines Monsters, Heilkräuter oder die Zeitung vom Vortag und einen Latte Macchiato mit Mandelmilch bringt.
Denn Spiele müssen lang sein, 60 Stunden sollen sie schon unterhalten, besser noch 70, und deswegen muss der Spieler beschäftigt und Spielzeit geschunden werden. Deswegen hetzt man bei manchen Spielen auf der Übersichtkarte nur noch von Symbol zu Symbol, und deswegen bekommt von man von der Schönheit der Welt kaum noch etwas mit.
Unzählige Quatschfähigkeiten für Geld
Diese Entwicklung nimmt "Open World: The Open World Game" aufs Korn. Das Spiel ist an sich kostenlos, für den saftigen Preis von acht Euro kann man sich allerdings einen Zusatzinhalt herunterladen. Der Pfeil, mit dem man über die Karte wandert, erstrahlt dann in glänzendem Gold, auch das: bitterböse Satire. Und daher kann man in diesem Spiel auch unzählige Quatschfische angeln, unzählige Quatschwaffen finden und unzählige Quatschfähigkeiten freischalten.
Vor Jahren erschien mit dem "Goat Simulator" eine Parodie auf billig gemachte Simulationsspiele. Trotzdem machen sich viel zu selten Spiele über Spiele lustig. Dabei könnte genau das helfen, das Medium Computerspiel voranzubringen. Oft wird behauptet, dass Spiele endlich erwachsen geworden sind. Richtig erwachsen sind Spiele aber erst dann, wenn sie sich über ihre eigenen Marotten amüsieren und so en passant Fehlentwicklungen des Mediums entlarven. Somit hält "Open World: The Open World Game" eine erfreuliche Botschaft für Computerspiele bereit: Hurra, willkommen in der Pubertät!