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Oper am Pfalztheater Kaiserslautern
Penellas "Wildkatze" muss sich nicht verstecken

Erstmals wird in Deutschland die spanische Oper "El Gato Montés" ("Die Wildkatze") von Manuel Penellas aufgeführt - am Pfalztheater Kaiserslautern. In dem Liebesdrama um einen Torero spricht der Komponist trotz Anleihen beim italienischen Verismo eine ganz eigene Musiksprache.

Von Ursula Böhmer |
    Carlos Moreno, Andiswa Makana, Daniel de Vicente bei der Aufführung von "El Gato Montés"
    Carlos Moreno, Andiswa Makana, Daniel de Vicente bei der Aufführung von "El Gato Montés" (Hans-Jürgen Brehm-Seufert)
    Rassige spanische Pasodoble-Rhythmen im Pfalztheater Kaiserslautern: Torero Rafael kämpft auf der kleinen Arena, die leicht schräg auf die Bühne gestellt wurde, um sein Leben. Statt bulliger Stiere sind es hier allerdings zwei anmutige Tänzer, gegen die er antritt. Die umtänzeln ihn elegant, halten dabei aber scharfe Messer in ihren Händen: Spitz wie Stierhörner.
    Tänzer und Tänzerin gegen Rafael – ein passendes Bild auch für das Liebesdreiecks-Drama in Manuel Penellas Oper "El Gato Montés", zu deutsch: Die Wildkatze. "Wildkatze" – so wird der Bandit Juanillo genannt. Er ist eigens aus den Bergen gekommen, um seine Soléa zu holen. Doch die Zigeunerin ist inzwischen mit dem Torero Rafael verbandelt - und nun hin- und hergerissen zwischen den beiden Männern.
    "Penella schaut eher nach Italien und nach Puccini, Mascagni, Leoncavallo"
    Die Südafrikanerin Andiswa Makana singt Soleá im Pfalztheater –ausdrucksvoll, mit wenig Vibrato. Soleá ist in der Klangwelt Manuel Penellas hörbar keine Schwester von Bizets männerfressender "Carmen". Eher eine Schwester von Puccinis sanfter "Mimi". Rodrigo Tomillo ist Dirigent der Deutschen Erstaufführung in Kaiserslautern:
    "Penella schaut eher nach Italien und nach Puccini, Mascagni, Leoncavallo. Das ist purer Verismo! Das hat nicht so viel mit 'Carmen' zu tun. Natürlich, diese Dramatik, was Gato Montés, wenn er kommt. Das kann man vielleicht ein bisschen vergleichen – und vor allem diese Bandollero, diese Menschen, die auf den Bergen gewohnt haben und die Zigeuner, aber auf eine ganz andere musikalische Stilistik, ganz anders!"
    Sanfte Töne bei Bandit Juanillo alias Schönsänger Daniel de Vicente. Juanillo ist keine "Wildkatze", die kratzt, sondern lieber gestreichelt werden will. Ein runder Charakter – wie auch der Dritte im Liebesdreieck: Torero Rafael, der hier halb eifersüchtiger Macho, halb zartbesaiteter Frauenversteher ist.
    Ganz eigene Musiksprache von Penella
    Die Oper "El Gato Montés" hat darstellerisch wie musikalisch viel zu bieten – zumal Manuel Penella trotz Anleihen beim italienischen Verismo eine ganz eigene Musiksprache spricht. Und die hat einen starken andalusischen Akzent. Dazu gehört der Flamenco-Gesang mit seinen charakteristischen Nachschlagsfigurinen. Urvertraute Klänge für Dirigent Rodrigo Tomillo, der aus Sevilla stammt.
    "Wenn der Satz mit so (singt vor) endet, weil die Stimme klagt sich an. Und kommt von Herzen! Es war sehr interessant, das mit deutschem Orchester und deutschen Leuten zu proben, weil für uns ist es was ganz Normales! Und als sie gefragt haben, wie soll ich das machen, musste ich das selber zuerst singen und dann theoretisieren, damit ich das auch erklären kann."
    Vor allem die samtigen Streicher des Pfalztheater-Orchesters verstehen es vorzüglich, Manuel Penellas ebenso lyrische wie stolz-pointierte Klangsprache zu sprechen. Penella soll selbst einmal als Torero in der Arena gestanden haben. Ein Abenteurer, der mit Opernkompanien quer durch Amerika reiste, wahlweise aber auch als Kirchenmaler, Matrose oder Clown gearbeitet hat. Anfang des 20. Jahrhunderts stieg er schließlich zu dem Komponisten Spaniens auf. "El Gato Montés" gilt als sein Meisterwerk – zumal er in Spanien so gut wie keine Konkurrenz hatte. Woran liegt es, dass es zwar viele Opern über Spanien gibt, aber wenig Opern von Spaniern? Erklärungsversuche von Regisseur Alfonso Romero Mora:
    "Wir Spanier besitzen ganz wenig und fördern ganz wenig unsere eigene Kunst! Und das ist echt einfach doof! Wir setzen mehr fremde Kunst als unsere Kunst! Und wir halten normalerweise unsere eigene Kunst für zweite Klasse! Zweitens würde ich sagen: Natürlich, die italienische Oper, sogar deutsche Oper, die sind so mächtig! Es gibt so ein gewisses Repertoire, das saugt eigentlich die ganzen Spielzeiten von ganze Theatern!"
    Musikalische Spanien-Klischees
    Dabei muss sich Penellas "Wildkatze" gar nicht verstecken. Für die musikalischen Spanien-Klischees, die hier bedient werden, findet Alfonso Romero Mora im Pfalztheater entsprechende Bilder: Die Figuren tragen glitzernde Boleros zu Kniebundhosen, Zierkämme und Fransentücher zu Volant-Kleidern. Man tanzt Seguedilla, deutet das Flamenco-Stampfen an. Immer wieder tauchen religiöse Attribute im Bühnenbild auf – wie die riesige Dornenkrone, die anfangs im Bühnenhimmel schwebt oder ein riesiges, von Dolchen durchbohrtes Herz Jesu.
    "Man hat ein bisschen die Idee im Ausland, dass die Toreros irgendwie so wie Popstars sind – und das sind sie überhaupt nicht! Die sind mehr Richtung Mönchen. Weil die spielen mit seine eigene Leben! Und die sind alle sehr religiös! Und es gibt ein gewisses Ritual, die machen alle vor die Corrida – wo die vorbereiten so eine kleine Altar, mit vielen Heiligen, mit Heilige Maria und Jesus."
    Doch bei religiöser Gefühlsduselei belässt es Alfonso Romero Mora nicht – er schafft hier eine Spiel- im Spiel-Situation: Ein heutiger Touristenchor trudelt also immer wieder auf die Bühne, setzt sich rings um die Arena-Spielfläche, schaut zu, zückt die obligatorischen Handys.
    "Ich fand sehr interessant: diesen Kontrast zwischen echtem Tod auf der Arena und einem Mann mit einem Handy, der alles aufgenommen hat. Einfach ohne Respekt. Es ist kein Genuss mehr – es ist einfach: Ich muss für Instagram oder Facebook ein Bild machen und zeigen, ich war da! Aber ich habe das nicht richtig genossen! Wenn man das Kritik nennen will, ne, ich zeige es einfach auf der Bühne und jeder denkt, was er will!"
    Ein Kontrast, der nicht wehtut und vermeidet, dass "El Gato Montès" am Pfalztheater Kaiserslautern völlig ins Klischee abgleitet. Geboten wird hier Gernseh- und Gernhör-Unterhaltung, inklusive spanische Tortilla-Häppchen in der Sekt-Pause. Perfekt für einen sommerlichen Wohlfühl-Abend.