Christoph Vratz: Wie muss man sich Trump auf der Opernbühne vorstellen?
Julia Spinola: Trump ist in Hamburg kein männliches Monster, sondern er wird auf der Bühne von einer Frau dargestellt. Von einer sehr zierlichen noch dazu, nämlich von der virtuosen Sopranistin Donatienne Michel-Dansac. Die trägt schwarze Shorts, Boots, Netzstrümpfe, Hose und dann wahlweise schwarze Lederjacke oder diesen berühmten, langen, blauen Mantel von Trump. Und die wirft sich mit einer unglaublichen Verwandlungskunst in all diese infantilen Wutanfälle, diese melodramatischen Auftritte, die Hetzreden, wie wir sie eben von Trump kennen. Trump ist also, könnte man sagen, der Star in einer fulminanten One-Woman-Show. Denn natürlich ist Trump auch auf der Opernbühne sich selbst genug. Und der duldet keine anderen Figuren neben sich.
Christoph Vratz: Worum geht es in der Oper? Gibt es eine Handlung?
Julia Spinola: Eine Handlung gibt es nicht wirklich. Das Libretto von Dieter Sperl besteht aus lauter originalen Trump-Zitaten, aus seinen Reden und Auftritten. Und die sind dramaturgisch sehr geschickt in 16 locker verbundenen Episoden verbunden, die den Auf- und Abstieg des Präsidenten Trump nachzeichnen. Vom größenwahnsinnigen Immobilien-Tycoon, der für das höchste politische Amt kandidiert, über den manipulativen Volksverführer, den aggressiven Hetzer, den religiösen Heuchler und selbsternannten Retter Amerikas. Bis am Ende zum verbal um sich schlagenden Wahlverlierer.
Christoph Vratz: Und was passiert dazu auf der Bühne?
Julia Spinola: Georges Delnon, der Intendant der Staatsoper, hat diese Trump-Show mit wenigen Requisiten inszeniert. Die genügen aber, um das Szenario der Macht anzudeuten. Also: rote Baseball-Caps, ein paar Boxhandschuhe und ein Holzklotz, der mal Rednerpult ist, mal ein Modell der Grenzmauer zu Mexiko. Stichwort "The Great Wall". Rechts ist das Schlagzeug platziert, links spielt eine kleine Band aus E-Gitarre, Saxofon und Synthesizer. Und dazwischen eignet sich Donatienne Michel-Dansac virtuos Trumps Körpersprache und diese melodramatische Mimik, die er immer hatte, an. Sie tanzt zum Beispiel diesen ungelenken Shuffle-Dance von Trump, das ging wochenlang durchs Netz, mit den geballten Fäusten. Oder sie krümmt sich röchelnd vor Hass auf Hillary Clinton am Boden. Oder sie greift sich mit sexueller Prahl-Geste zwischen die Beine, zieht dann so eine rote Krawatte aus dem Hosenschlitz und verkündet dazu: "Niemand hat besseres Spielzeug als ich". Die Topoi des Abends lassen also wirklich kaum was aus – die reichen vom schrillen "America First" über die falsch herum gehaltene Bibel bis zur schäumenden Hetze gegen die vermeintlichen Fake News.
Musik voller Widerhaken
Christoph Vratz: Bernhard Lang ist der Komponist. Was ist das für eine Musik, die er dem Publikum anbietet?
Julia Spinola: Bernhard Lang ist ja im Jazz genauso beheimatet wie in der Avantgarde und in der elektronischen Musik. Die Musik bewegt sich oft in motorischen Patterns und kurzen Loops, also Wiederholungsschleifen. Aber sie ist dabei nie glatt, sondern voller kleiner Widerhaken und Unregelmäßigkeiten. Und dieses "Playing Trump", das fegt als suggestive Mischung aus Jazz, Pop, Minimal Music, Rap, aus elektronischer Tanzmusik voran und reißt dabei geradezu an Stilzitaten mit, was die amerikanische Musikgeschichte nur so hergibt. Marching Bands, Krimi-Soundtrack, Hip-Hop, Elektro-Rock und dazu auch vom Band immer wieder verfremdete Original-Klänge aus Trump-Reden mit Beifall. Alles sehr verfremdet, nie platt zitiert. Und das Wiederholungsprinzip von Langs Musik passt hervorragend zu dieser manipulativen Rhetorik von Trump, die ja ebenfalls mit unentwegter Wiederholung von Schlagwörtern und Versatzstücken spielt.
Christoph Vratz: Wie gelingt den Musikern die Umsetzung dieser Partiturvorlage?
Julia Spinola: Alles wird mit großem Einsatz und viel Feuer gespielt, vor allem die Schlagzeugerin Lin Chen, die ist wirklich brillant. Und dann gibt es noch den Saxophonisten Andreas Mader, der legt zwischendrin auch mal eine atemberaubende Solo-Improvisation hin. Ein bisschen feilen könnte man noch an der Präzision im Zusammenspiel. Das wird sich noch einruckeln, nehme ich an. Und Donatienne Michel-Dansac ist stimmlich absolut virtuos. In all diesen halsbrecherischen Registerwechseln, schrillen Koloraturen und sprunghaften Stimmungsumschwüngen, die diese Partie von ihr verlangt.
An der Grenze zur Verharmlosung
Christoph Vratz: Ist das jetzt eine Oper, die die nächsten Jahre überdauern wird? Oder doch ein historisches Schlaglicht, über das wir heute lächeln und schmunzeln können und das sich in absehbarer Zeit erledigt haben wird?
Julia Spinola: Tja, gute Frage. Also das Stück ist auf jeden Fall ein Wurf. Das ist nicht im strengen Sinn satirisch, löst sich von der realen Figur auch ein bisschen ab. Es ist ein Spiel mit den Mechanismen dieser Figur, mit den Manipulationsmechanismen, die quasi ästhetisch abgegriffen werden, wie der Titel "Playing Trump" ja auch andeutet. Und man kann sagen, es balanciert genau an der Grenze, aber sehr kalkuliert an der Grenze zur Verharmlosung. Ich fand hinterher, man kann sagen: "Playing Trump", das macht so viel Spaß, dass man ins Nachdenken darüber kommt, wie verführbar man selber vielleicht ist, weil es einfach Spaß macht, obwohl es ein böser Mensch ist dahinter.