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Operation Overflight

Am 1. Mai 1960 überflog der US-amerikanische Pilot Francis Gary Powers mit einem Spionageflugzeug die Sowjetunion. Über dem Ural wurde die Maschine abgeschossen. Powers überlebte und wurde zu einer langen Haftstrafe verurteilt. Die Operation Overflight löste eine politische Krise zwischen USA und Sowjetunion aus.

Von Otto Langels |
    Am 1. Mai 1960 startete Francis Gary Powers in Nordpakistan zu einem Aufklärungsflug über die Sowjetunion. Powers, ein erfahrener Pilot, sollte im Auftrag des amerikanischen Geheimdienstes sowjetrussische Militäranlagen fotografieren. Die U-2, eine einstrahlige Militärmaschine, konnte eine Höhe von 20.000 Metern erreichen und damit außer Reichweite feindlicher Jagdbomber fliegen.

    Während des Fluges traten jedoch Probleme am Triebwerk auf, die Maschine verlor über dem Ural an Höhe und wurde in der Nähe von Swerdlowsk vermutlich von einer sowjetischen Rakete getroffen. Powers erklärte später vor einem Militärausschuss des US-Senats:

    "Es gab eine Explosion. Das ist alles, was ich weiß. Ich kenne nicht die Ursache der Explosion, aber ich spürte, sie war nicht im Flugzeug selbst. Ich bin sicher, es war kein Volltreffer."

    Statt wie vorgeschrieben den Selbstzerstörungsmechanismus der U-2 auszulösen und das für eine Selbsttötung vorgesehene Gift einzunehmen, sprang Gary Powers mit dem Fallschirm ab und wurde festgenommen.

    Da die US-Behörden zunächst davon ausgingen, dass die Militärmaschine zerschellt und der Pilot ums Leben gekommen sei, stellten sie den Flug als harmloses Unternehmen dar, das der Wettererkundung diente. Doch dann präsentierten die Sowjets den Piloten öffentlich mit seiner Spionageausrüstung, darunter Spezialkameras, Landkarten und sowjetische Banknoten. Regierungschef Nikita Chruschtschow nutzte den Vorfall, um das geplante Gipfeltreffen der vier Siegermächte des Zweiten Weltkriegs in Paris infrage zu stellen.

    "Wir haben immer unsere Bereitschaft erklärt, an der Konferenz teilzunehmen, wenn die Regierung der Vereinigten Staaten sich öffentlich für ihr aggressives Handeln gegenüber unserem Land entschuldigt. Aber wir sind bislang nicht überzeugt, dass die Vereinigten Staaten ihre Spionageflüge einstellen werden."

    US-Präsident Dwight D. Eisenhower gestand zwar den Spionageflug ein, versuchte aber vor der internationalen Presse die Aufklärungsmission der Amerikaner zu rechtfertigen.

    "Es sei in der modernen Welt erlaubt, durch Erkundungsmissionen solcher Art herauszufinden, was in einer hermetisch nach außen abgeschlossenen Gesellschaft vor sich gehe. Die Sowjetunion habe daher überhaupt keine Veranlassung, die USA vor der Welt zu verurteilen."

    Da Eisenhower eine offizielle Entschuldigung ablehnte, ließ Chruschtschow das Pariser Gipfeltreffen Mitte Mai platzen. Die vorgesehenen Abrüstungsverhandlungen waren erst einmal gescheitert, der Kalte Krieg zwischen den Großmächten ging in eine neue Runde.

    In Moskau stand kurz darauf Francis Gary Powers vor Gericht. Über den öffentlichen Schauprozess berichtete der Korrespondent des Berliner Rundfunksenders RIAS:

    "Powers, der zunächst von seinem Verteidiger vernommen wurde, erklärte dem Gericht, er habe bei der Unterzeichnung seines Vertrages für die Einheit 10-10 nichts davon gewusst, dass er sowjetisches Territorium überfliegen solle. Seine Mission sei wegen der Wirksamkeit des sowjetischen Radarsystems zunächst nur auf die Randgebiete der Sowjetunion beschränkt gewesen. Man habe ihm versichert, dass die Sicherheit bei Flügen in so großer Höhe bis auf technische Schwierigkeiten absolut gewährleistet sei."

    Das Gericht verurteilte den Piloten zu drei Jahren Gefängnis sowie sieben Jahren Zwangsarbeit. Die USA bemühten sich um seine baldige Freilassung - im Austausch gegen den sowjetischen Meisterspion Rudolf Abel. Nach längeren Verhandlungen fand die Übergabe am 10. Februar 1962 auf der Glienicker Brücke zwischen Potsdam und Westberlin statt. Journalisten konnten das Geschehen nur aus einiger Entfernung beobachten.

    "Auf der einen Seite schreiten amerikanische Militärpolizisten in Wettermänteln auf und ab. Die Westberliner Grenzpolizisten, die üblicherweise hier Posten stehen, hat man in ihre kleine Wachhütte geschickt, wo sie jetzt aus ihren Pappbechern Kaffee trinken. Auf der sowjetischen Seite erkennt man eine Gruppe von Männern in dunklen Pelzkappen. Dann fahren zwei amerikanische Militärfahrzeuge vor. Aus einem von ihnen steigt Rudolf Iwanowitsch Abel. Auf der sowjetischen Seite wird der andere präsentiert: Francis Gary Powers."

    Zurück in den USA, arbeitete Powers zunächst als Testpilot für den Flugzeug- und Rüstungskonzern Lockheed, dem Hersteller der U-2, später als Hubschrauberpilot für einen kalifornischen Fernsehsender. Bei einem Absturz in der Nähe von Los Angeles kam er 1977 ums Leben.