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Opern-Streit in Halle
Gute Kritiken oder zufriedene Zuschauer?

Wegbrechende Abo-Zahlen, Offene Briefe: Der Streit um die Oper in Halle spitzt sich zu. Im Zentrum des Konflikts stehen Opernchef Florian Lutz und seine mögliche Vertragsverlängerung. Ihm wird vorgeworfen, auf politische Botschaften und überregionale Aufmerksamkeit zu setzen - auf Kosten der Musik.

Von Christoph Richter |
    Der Intendant der Oper Halle, Florian Lutz (l.) und der Geschäftsführer der Halleschen Theater GmbH, Stefan Rosinski, aufgenommen 2016
    Der Intendant der Oper Halle, Florian Lutz (l.), und der Geschäftsführer der halleschen Theater GmbH, Stefan Rosinski, im Mai 2016 (dpa-Zentralbild/Hendrik Schmidt)
    Das Tischtuch zwischen Halles Opernchef Florian Lutz und der Staatskapelle Halle sowie dem nichtkünstlerischen Personal: Es ist zerschnitten. Zum Ausdruck kommt das in einem vertraulichen Schreiben, das der Orchestervorstand und der Betriebsrat an den Aufsichtsrat geschickt haben. Der Vorwurf: Die musikalischen Leistungen des Ensembles würden zur Nebensache verkommen. Denn es gehe nur noch um die Vermittlung politischer und persönlicher Botschaften von Florian Lutz. Detlef Wendt, SPD-Stadtrat und Mitglied des Aufsichtsrats der Theater, Opern und Orchester GmbH in Halle, kann den Unmut nachvollziehen:
    "Ich freue mich über politische, engagierte, sich einmischende Opern und Theater. Aber man kann nicht jeder Inszenierung ein gesellschaftliches Thema aufzwingen, das geht einfach nicht. Dann wirkt es aufgesetzt, das erleben wir in Halle leider."
    Der Brief von Orchestervorstand und Betriebsrat ist ein deutliches Misstrauensvotum der Mitarbeiter. Ein Miteinander scheint nicht mehr möglich. Florian Lutz schaffe ein Klima der Angst. Er agiere wie ein "absoluter Diktator", ist hinter den Kulissen zu hören. Der Brief, der auch dem Deutschlandfunk vorliegt, sei ein Hilferuf, das Ergebnis einer monatelangen Auseinandersetzung. Und man fordert einen personellen Wechsel in der Opernleitung.
    Die Zuschauer bleiben weg
    Hintergrund der Auseinandersetzungen sind die wegbrechenden Zuschauerzahlen. Es geht aber auch viel um die grundsätzliche Frage: Soll sich ein Stadttheater vor allem um überregionale Aufmerksamkeit bemühen? Oder muss es zuerst einmal das eigene ortsansässige Publikum zufriedenstellen? Das Publikum in Halle hadert jedenfalls zu großen Teilen mit dem Opern-Chef. Dazu kommen finanzielle Schwierigkeiten der Stadt: Halle muss in den nächsten fünf Jahren 200 Millionen Euro sparen.
    2016 wurde Florian Lutz geholt, um die Oper Halle zu entstauben. Der 1979 in Köln geborene Theatermann schert sich nicht um Konventionen. Lutz geht es um experimentelle Zugänge, Opernstoffe sollen "dekonstruiert" werden. Was im Feuilleton auf positive Resonanz stößt und Studierende begeistert, löst in der Hallenser Stadtgesellschaft Widerspruch aus. Die Hälfte der Abos wurde gekündigt. Für ein Fünf-Sparten Haus mit einem Etat von 40 Millionen Euro und 470 Mitarbeitern eine durchaus schwerwiegende Entwicklung, räumt Ulrich Khuon, der Präsident des Deutschen Bühnenvereins, ein:
    "Ein Theater, was völlig im ,geliebt werden' aufgeht, macht sicher genauso was falsch wie ein Theater, was nur Rabatz produziert."
    Dagegen hat sich Matthias Lilienthal, der Noch-Chef der Münchner Kammerspiele, in einem Offenen Brief für den Verbleib von Opern-Chef Florian Lutz ausgesprochen. Dem Hallenser Geschäftsführer Stefan Rosinski wirft er vor, er würde Opernchef Florian Lutz je nach Gutdünken den Geldhahn zu- oder aufdrehen. Die Entwicklungen in Halle, so Lilienthal weiter, zeugten von einer akuten Gefahr für das Theater generell:
    "Vor 20 Jahren war das gängige Modell das des Allein-Intendanten. Dieses Modell ist an fast allen Häusern ersetzt worden durch eine Gleichberechtigung von Geschäftsführung und künstlerischer Leitung. Wenn es sich aber so verschiebt, dass die Geschäftsleitung übergeordnet ist, dann ist das ein ganz deutlich anderes Theater. Und das ist dann mehr als nur ein regionaler Konflikt in Halle."
    Andere Theatermacher mischen sich ein
    Mitunterzeichner von Lilienthals Offenem Brief sind unter anderem Jürgen Flimm, der frühere Intendant der Berliner Staatsoper, und Oliver Reese vom Berliner Ensemble. Bei den Mitarbeitern an der Oper Halle ist der Offene Brief nicht gut angekommen. Denn er wird als Einmischung in die inneren Hallenser Angelegenheiten gesehen, ohne die Verhältnisse vor Ort konkret zu kennen. Die Fronten sind verhärtet.
    Auf der Aufsichtsratssitzung am 22. Februar, wenn über die Personalie von Opernchef Florian Lutz entschieden werden soll, werde auch Geschäftsführer Stefan Rosinski deutliche Worte hören, sagt man hinter vorgehaltener Hand. Es heißt, er solle aufhören, Zwietracht zu säen. Seine abfällige Art stoße auf Widerspruch. Trotzdem wolle man ihm noch eine letzte Chance gebe. Anders sieht die Situation für Florian Lutz aus, dessen Vertrag man – Stand jetzt - anscheinend nicht verlängern wird, wie aus dem Aufsichtsrat zu vernehmen ist.
    Gerne hätten wir die Beteiligten gesprochen. Doch Opern-Chef Florian Lutz sowie Geschäftsführer Stefan Rosinski ziehen derzeit das Schweigen vor.