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"Opernwelt"-Preisträger 2015
"Es geht um mehr als um schöne Stimmen"

Das Nationaltheater Mannheim und die Oper Frankfurt sind das Opernhaus des Jahres. Mit dieser Entscheidung sorgte die Zeitschrift "Opernwelt", die jährlich über die besten Sängerinnen und -sänger, Spielstätten und Aufführungen abstimmt, für eine Überraschung. Wie es zu der Wahl gekommen ist, erklärte "Opernwelt"-Redakteurin Wiebke Roloff im DLF.

Wiebke Roloff im Gespräch mit Doris Schäfer-Noske |
    Das Nationaltheater Mannheim, aufgenommen 2004
    Das Nationaltheater Mannheim ist gemeinsam mit der Oper Frankfurt zum Opernhaus des Jahres gewählt worden. (picture-alliance / dpa / Ronald Wittek)
    Doris Schäfer-Noske: Während an manchen Opernhäusern schon die neue Spielzeit eröffnet worden ist, hat die Zeitschrift "Opernwelt" ihre begehrten Titel für die zurückliegende Saison verliehen. 50 Opernkritiker haben wie jedes Jahr bestimmt, wer sich Opernhaus des Jahres nennen darf. Daneben wurden die besten Produktionen, die besten Sänger, Regisseure und Chöre gekürt.
    Im vergangenen Jahr holte die Bayerische Staatsoper in München den Titel als bestes Opernhaus, davor gewann die Komische Oper Berlin und davor die Kölner Oper. Doch diesmal darf sich keiner allein den Titel Opernhaus des Jahres anheften. Das Nationaltheater Mannheim und die Oper Frankfurt wurden nämlich beide gekürt.
    Frage an Wiebke Roloff von der Zeitschrift "Opernwelt": Frau Roloff, wie ist es denn zu dieser Teilung des Titels gekommen? War kein Opernhaus allein überragend genug?
    Wiebke Roloff: Dass es kein wirklich überragendes Opernhaus gab, ist eigentlich überhaupt nicht das, was man daraus ablesen sollte, sondern wir interpretieren das eher so, dass es zwei Opernhäuser gibt, die beide hervorragende Arbeit geleistet haben und die sich in einem bestimmten Punkt sehr ähnlich sind. Und zwar ist das eine Art, ein Haus zu führen, und eigentlich eine Hommage an die Ensemble-Kultur.
    Häufig, wenn man an die letzten Jahre zurückdenkt zum Beispiel, steht die Wahl des Opernhauses des Jahres im Zusammenhang mit zum Beispiel einem Intendantenwechsel, einer Neuausrichtung, einer neuen Ära.
    Letztes Jahr war es die Bayerische Staatsoper in München, da war Kirill Petrenko gerade Generalmusikdirektor geworden und hatte dem ohnehin potenten Haus einen gewaltigen Schubs nach vorne verpasst. Petrenko ist übrigens diesmal schon zum vierten Mal Dirigent des Jahres geworden, also noch mal gewählt. Frankfurt und Mannheim machen einfach das, was sie unter ihren langjährigen Intendanten Bernd Loebe und Klaus-Peter Kehr ohnehin schon seit Jahren tun, nämlich richtig gute Arbeit, spannende Spielpläne, bieten ein sehr überzeugendes musikalisches Niveau.
    Frankfurt war schon einmal Haus des Jahres; 2003 war das. Mannheim war schon mal auf dem zweiten Platz; 2013. Und in der Quersumme sieht man, dass diese beiden Häuser eigentlich schon lange auf diesen Titel lauern. Die liegen immer, wenn man alle Kategorien sich anschaut, weit vorne. Die haben eigentlich schon lange weit vorne mitgespielt.
    "Das ist schon ein ganz klares Ergebnis"
    Schäfer-Noske: Wie groß war denn dann der Abstand zu den anderen Aspiranten?
    Roloff: Der Abstand zu den anderen Aspiranten war immer noch ziemlich hoch. Diese beiden Häuser haben gemeinsam 14 Stimmen bekommen und dann gibt es eine große Lücke. Die nächsten beiden Häuser haben jeweils nur drei Stimmen. Das ist also schon ein ganz klares Ergebnis. Die beiden Häuser, die drei Stimmen bekommen haben, sind die Pariser Opéra Comique und die Oper Stuttgart, und Stuttgart ist allerdings in der Tat auch ein wichtiges Haus, weil die zwar in der Kategorie Haus des Jahres drei Stimmen nur bekommen hat, aber gleichzeitig in drei anderen Kategorien vorne liegt, und zwar in der Kategorie Wiederentdeckung des Jahres, in der Kategorie Aufführung des Jahres - die Aufführung des Jahres war "Jakob Lenz", eine Kammeroper von Wolfgang Rihm, inszeniert von Andrea Breth -, und im Zusammenhang damit steht auch der Sänger des Jahres, ebenfalls dort in Stuttgart, nämlich der Bariton Georg Nigl, der die Titelpartie da mit einer sengenden Wildheit und einer rohen, wunden Schönheit gesungen hat, dass man ihn zum Sänger des Jahres gewählt hat.
    "Neue Preisträger gibt es natürlich immer wieder"
    Schäfer-Noske: Sängerin des Jahres ist ja die Sopranistin Marlis Petersen und sie ist zum dritten Mal mit diesem Preis ausgezeichnet worden, genauso wie Kirill Petrenko, haben Sie schon angesprochen, zum vierten Mal bester Dirigent wird. Da fragt man sich: Gibt es denn da keine neuen Preisträger, dass man doch immer wieder auf dieselben zurückkommt?
    Roloff: Doch, neue Preisträger gibt es natürlich immer wieder. Es gibt einfach herausragende Bühnentiere, wie zum Beispiel Marlis Petersen eines ist, und die singt zum Beispiel die Partie, für die sie jetzt diesen Preis bekommen hat, bereits seit 20 Jahren: die Lulu. Ich habe ein ganz tolles Gespräch für das Jahrbuch mit ihr führen dürfen, wo sie auch über ihre persönlichen Erfahrungen mit dieser Partie berichtet.
    Neue gibt es natürlich auch und es ist ganz interessant, dass diesmal alle drei Sänger des Jahres - Nachwuchssängerin ist in Düsseldorf Elena Sancho Pereg, eine junge baskische Sopranistin -, dass alle drei Sänger in diesem Jahr in sich vereinen nicht nur die Fähigkeit, toll zu singen, sondern auch auf der Bühne fantastisch sich bewegen zu können, also wirklich ihre Rollen leben. Es geht also nicht nur um die Ausstellung einer schönen Stimme.
    "Es geht darum, Synergien zu bündeln"
    Schäfer-Noske: Welche Entwicklung, wenn Sie so drübergucken über alle Preise, welche Entwicklung ist es, die jetzt dieses Jahr vor allem ausgezeichnet worden ist?
    Roloff: Eigentlich die Entwicklung dahin, dass man mit Künstlern langfristig arbeitet, dass alle Gewerke gemeinsam an einem Strang ziehen. Um Synergien zu bündeln, um wirklich ein starkes Bühnenerlebnis zu bekommen, kommt es nicht mehr darauf an, einzelne Teile für sich zu betrachten, sondern es ist wirklich das Ganze, was in diesem Jahr stark ist.
    Schäfer-Noske: Das waren Informationen der "Opernwelt"-Redakteurin Wiebke Roloff. Die Zeitschrift hat den Titel Opernhaus des Jahres verliehen, und zwar zweimal: nach Mannheim und nach Frankfurt.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.