Dirk-Oliver Heckmann: Jahrelang hat es gedauert, bis sich die deutsche Wirtschaft dazu durchringen konnte, sich zu beteiligen an einem Fonds zur Entschädigung ehemaliger NS-Zwangsarbeiter. Das Hauptproblem war: Wie können diejenigen, die sich an der Entschädigung beteiligen, vor weiteren Klagen geschützt werden? Das Problem konnte geklärt werden. Seit sechs Jahren zahlt die Stiftung "Erinnerung, Verantwortung und Zukunft" die Entschädigungen nun aus. Nun hat sie diesen Teil der Arbeit erledigt. Im Schloss Bellevue in Berlin wurde dies heute im Rahmen eines Festakts gewürdigt.
Am Telefon ist jetzt Jost Rebentisch. Er ist stellvertretender Geschäftsführer des Bundesverbandes "Information und Beratung für NS-Verfolgte". Schönen guten Tag!
Jost Rebentisch Guten Tag!
Heckmann: Herr Rebentisch, welche Bedeutung hat die finanzielle Entschädigung für die ehemaligen Zwangsarbeiter? Ist die rein symbolischer Art?
Rebentisch: Die ist grundsätzlich symbolischer Art, eine Anerkennung des Leidens, überhaupt eine Anerkennung. Kein Zweifel besteht aber, dass für viele auch eine Summe von 7500 Euro, die ja im Höchstfall gezahlt worden ist, natürlich auch finanziell schon was bedeutet. Aber es ist natürlich keine echte Entschädigung für das Leiden.
Heckmann: Jetzt hat der stellvertretende Vorsitzende des Kuratoriums, Otto Graf Lambsdorff. gesagt, die Auszahlung sei völlig reibungslos verlaufen. Können Sie das bestätigen? Mit anderen Worten: Haben diejenigen, die Anspruch haben auf Entschädigung, ihr Geld auch bekommen?
Rebentisch: Ich würde mal sagen, die Auszahlungen sind reibungslos gelaufen. Das ist sicherlich Verdienst von Herrn Saathoff (Günter Saathoff, Vorstand der Stiftung "Erinnerung, Verantwortung und Zukunft" , d. Red.) und den Partnerorganisationen, dem ganzen Team, das da gearbeitet hat. Wer seinen Anspruch bestätigt bekommen hat, der hat sein Geld auch bekommen. Das Problem ist einfach, dass eine Menge Antragsteller ihren Anspruch nicht bestätigt bekommen haben.
Heckmann: Was sind dafür die Gründe?
Rebentisch: Bei den italienischen Militärinternierten war es so, dass ein völkerrechtliches Gutachten gemacht worden ist, das diese Militärinternierten in den Stand von Kriegsgefangenen sozusagen zurückkatapultiert hat, und genau wie die sowjetischen Kriegsgefangenen haben die italienischen Militärinternierten dann als Kriegsgefangene keine Entschädigung bekommen. Das ist ein Punkt, der uns immer noch schmerzt.
Heckmann: Ein zweiter Punkt liegt Ihnen auf der Zunge?
Rebentisch: Nein. Es sind im Wesentlichen die sowjetischen Kriegsgefangenen, die nichts bekommen haben, und die italienischen Militärinternierten, mal ganz abgesehen von Menschen, die aus welchen Gründen auch immer es nicht geschafft haben, fristgemäß Anträge zu stellen, die aber, sagen wir mal, gerechtfertigterweise eigentlich einen Anspruch gehabt hätten. Da ist das Zeitfenster vielleicht manchmal ein bisschen eng gewesen.
Heckmann: Und hätte es da Möglichkeiten gegeben, auf solche Härtefälle zu reagieren?
Rebentisch: Die Partnerorganisationen haben im Rahmen von Restmitteln, die sie hatten, die Möglichkeit gehabt, Härtefällen auch noch was zu geben. Die Möglichkeit bestand schon.
Heckmann: Das bezieht sich natürlich grundsätzlich nicht auf die italienischen Militärinternierten und die Gruppe der Kriegsgefangenen?
Rebentisch: Nein!
Heckmann: Das wäre ja auch eine Gruppe gewesen von mehreren Millionen Menschen. Wäre das überhaupt anders möglich gewesen realistischerweise?
Rebentisch: Dann hätten die Plafonds anders aufgeteilt werden müssen, um die Gruppe der Militärinternierten zum Beispiel noch zu befriedigen. Es sind über 100.000 Militärinternierte. Die hätten von der IOM noch betreut werden müssen. Wenn man deren Ansprüche anerkannt hätte, hätte die IOM halt auch entsprechend mehr Geld zur Verfügung haben müssen.
Heckmann: Das ist die internationale Migrationsorganisation?
Rebentisch: Richtig, ja.
Heckmann: Das heißt, Sie würden sagen, Wirtschaft und Staat in Deutschland sind unterm Strich ihrer Verantwortung gerecht geworden oder nicht?
Rebentisch: Das ist eine gute Frage. Es ist nicht abgeschlossen. Ich sage es mal so. Es ist ein guter Schritt, es ist ein wichtiger Schritt, es ist ein sehr, sehr wichtiger Beitrag zur Versöhnung, der auch so wahrgenommen wird. Das wollen wir auch gar nicht schmälern. Wir halten das schon für einen großen Erfolg. Man sollte aber über diesen großen Erfolg nicht die Augen davor verschließen, dass nach wie vor noch was zu tun ist.
Heckmann: Das heißt, die Verantwortung bleibt?
Rebentisch: Die Verantwortung bleibt auf jeden Fall. Die Stiftung heißt auch weiter "Erinnerung, Verantwortung und Zukunft". Die Verantwortung verschwindet nicht aus dem Stiftungsnamen. Selbstverständlich bleibt Deutschland immer in der Verantwortung.
Heckmann: Und was ist zu tun, was ist konkret zu tun? Glauben Sie, dass die Gruppen, die wir eben angesprochen haben, die Italiener beispielsweise, im Nachhinein doch noch einbezogen werden könnten in einem zweiten Schritt?
Rebentisch: Ich fürchte, auf juristischem Wege ist es weitgehend am Ende. Die italienischen Militärinternierten liegen vorm Europäischen Menschengerichtshof in Straßburg. Da weiß ich natürlich nicht, wie es ausgeht. Sollte da ein positives Urteil ergehen, wäre Deutschland natürlich noch mal von der juristischen Seite her aufgerufen, noch was zu tun. Sollte da ein negatives Urteil ergehen, ist meiner Ansicht nach Deutschland dennoch immer von der moralischen Seite her aufgerufen, was zu tun. Diese Verpflichtung muss man dann eben in der Öffentlichkeit entsprechend artikulieren und vielleicht auch noch mal einen gewissen Druck aufbauen, damit diese humanitäre Geste der Entschädigung dann auch bei den italienischen Militärinternierten und bei den sowjetischen Kriegsgefangenen ankommt.
Heckmann: Jetzt gibt es, Herr Rebentisch, Überlegungen, das Stiftungsgesetz zu ändern. Demnach könnte es demnächst so sein, dass ausländische Vertreter eben nicht mehr in dem Gremium vertreten sind. Ist das in Ihrem Sinne?
Rebentisch: Nein, das ist nicht in unserem Sinne. Es ist gestern im Kuratorium darüber auch sehr, sehr lange und intensiv diskutiert worden. Es gibt einen Vorschlag oder Überlegungen, die noch in einem sehr, sehr frühen Stadium sind, die tatsächlich das vorgesehen haben, was Sie gerade ansprachen. Danach werden im Übrigen nicht nur die ausländischen Partnerorganisationen nicht mehr vertreten im entscheidenden Gremium, sondern auch die NGOs. Also zum Beispiel die UNHCR oder auch wir wären in diesem Gremium nicht mehr vertreten gewesen. Es ist jetzt so, dass das Kuratorium im Herbst noch mal zu einer Sondersitzung zusammenkommen wird und dass aus dem Kuratorium der Bundesstiftung heraus eigene Vorschläge entwickelt werden sollen, wie, sagen wir mal, die Stiftung strukturell in Zukunft besser aufgestellt ist. Es ist nicht in unserem Sinne, wenn die komplette Entscheidungsgewalt übergeht in ein neues Gremium, in dem die internationalen Partner und auch die NGOs nichts mehr zu sagen haben.
Heckmann: Jost Rebentisch war das, stellvertretender Geschäftsführer des Bundesverbandes Information und Beratung für NS-Verfolgte. Ihnen danke nach Berlin.
Rebentisch: Vielen Dank.
Am Telefon ist jetzt Jost Rebentisch. Er ist stellvertretender Geschäftsführer des Bundesverbandes "Information und Beratung für NS-Verfolgte". Schönen guten Tag!
Jost Rebentisch Guten Tag!
Heckmann: Herr Rebentisch, welche Bedeutung hat die finanzielle Entschädigung für die ehemaligen Zwangsarbeiter? Ist die rein symbolischer Art?
Rebentisch: Die ist grundsätzlich symbolischer Art, eine Anerkennung des Leidens, überhaupt eine Anerkennung. Kein Zweifel besteht aber, dass für viele auch eine Summe von 7500 Euro, die ja im Höchstfall gezahlt worden ist, natürlich auch finanziell schon was bedeutet. Aber es ist natürlich keine echte Entschädigung für das Leiden.
Heckmann: Jetzt hat der stellvertretende Vorsitzende des Kuratoriums, Otto Graf Lambsdorff. gesagt, die Auszahlung sei völlig reibungslos verlaufen. Können Sie das bestätigen? Mit anderen Worten: Haben diejenigen, die Anspruch haben auf Entschädigung, ihr Geld auch bekommen?
Rebentisch: Ich würde mal sagen, die Auszahlungen sind reibungslos gelaufen. Das ist sicherlich Verdienst von Herrn Saathoff (Günter Saathoff, Vorstand der Stiftung "Erinnerung, Verantwortung und Zukunft" , d. Red.) und den Partnerorganisationen, dem ganzen Team, das da gearbeitet hat. Wer seinen Anspruch bestätigt bekommen hat, der hat sein Geld auch bekommen. Das Problem ist einfach, dass eine Menge Antragsteller ihren Anspruch nicht bestätigt bekommen haben.
Heckmann: Was sind dafür die Gründe?
Rebentisch: Bei den italienischen Militärinternierten war es so, dass ein völkerrechtliches Gutachten gemacht worden ist, das diese Militärinternierten in den Stand von Kriegsgefangenen sozusagen zurückkatapultiert hat, und genau wie die sowjetischen Kriegsgefangenen haben die italienischen Militärinternierten dann als Kriegsgefangene keine Entschädigung bekommen. Das ist ein Punkt, der uns immer noch schmerzt.
Heckmann: Ein zweiter Punkt liegt Ihnen auf der Zunge?
Rebentisch: Nein. Es sind im Wesentlichen die sowjetischen Kriegsgefangenen, die nichts bekommen haben, und die italienischen Militärinternierten, mal ganz abgesehen von Menschen, die aus welchen Gründen auch immer es nicht geschafft haben, fristgemäß Anträge zu stellen, die aber, sagen wir mal, gerechtfertigterweise eigentlich einen Anspruch gehabt hätten. Da ist das Zeitfenster vielleicht manchmal ein bisschen eng gewesen.
Heckmann: Und hätte es da Möglichkeiten gegeben, auf solche Härtefälle zu reagieren?
Rebentisch: Die Partnerorganisationen haben im Rahmen von Restmitteln, die sie hatten, die Möglichkeit gehabt, Härtefällen auch noch was zu geben. Die Möglichkeit bestand schon.
Heckmann: Das bezieht sich natürlich grundsätzlich nicht auf die italienischen Militärinternierten und die Gruppe der Kriegsgefangenen?
Rebentisch: Nein!
Heckmann: Das wäre ja auch eine Gruppe gewesen von mehreren Millionen Menschen. Wäre das überhaupt anders möglich gewesen realistischerweise?
Rebentisch: Dann hätten die Plafonds anders aufgeteilt werden müssen, um die Gruppe der Militärinternierten zum Beispiel noch zu befriedigen. Es sind über 100.000 Militärinternierte. Die hätten von der IOM noch betreut werden müssen. Wenn man deren Ansprüche anerkannt hätte, hätte die IOM halt auch entsprechend mehr Geld zur Verfügung haben müssen.
Heckmann: Das ist die internationale Migrationsorganisation?
Rebentisch: Richtig, ja.
Heckmann: Das heißt, Sie würden sagen, Wirtschaft und Staat in Deutschland sind unterm Strich ihrer Verantwortung gerecht geworden oder nicht?
Rebentisch: Das ist eine gute Frage. Es ist nicht abgeschlossen. Ich sage es mal so. Es ist ein guter Schritt, es ist ein wichtiger Schritt, es ist ein sehr, sehr wichtiger Beitrag zur Versöhnung, der auch so wahrgenommen wird. Das wollen wir auch gar nicht schmälern. Wir halten das schon für einen großen Erfolg. Man sollte aber über diesen großen Erfolg nicht die Augen davor verschließen, dass nach wie vor noch was zu tun ist.
Heckmann: Das heißt, die Verantwortung bleibt?
Rebentisch: Die Verantwortung bleibt auf jeden Fall. Die Stiftung heißt auch weiter "Erinnerung, Verantwortung und Zukunft". Die Verantwortung verschwindet nicht aus dem Stiftungsnamen. Selbstverständlich bleibt Deutschland immer in der Verantwortung.
Heckmann: Und was ist zu tun, was ist konkret zu tun? Glauben Sie, dass die Gruppen, die wir eben angesprochen haben, die Italiener beispielsweise, im Nachhinein doch noch einbezogen werden könnten in einem zweiten Schritt?
Rebentisch: Ich fürchte, auf juristischem Wege ist es weitgehend am Ende. Die italienischen Militärinternierten liegen vorm Europäischen Menschengerichtshof in Straßburg. Da weiß ich natürlich nicht, wie es ausgeht. Sollte da ein positives Urteil ergehen, wäre Deutschland natürlich noch mal von der juristischen Seite her aufgerufen, noch was zu tun. Sollte da ein negatives Urteil ergehen, ist meiner Ansicht nach Deutschland dennoch immer von der moralischen Seite her aufgerufen, was zu tun. Diese Verpflichtung muss man dann eben in der Öffentlichkeit entsprechend artikulieren und vielleicht auch noch mal einen gewissen Druck aufbauen, damit diese humanitäre Geste der Entschädigung dann auch bei den italienischen Militärinternierten und bei den sowjetischen Kriegsgefangenen ankommt.
Heckmann: Jetzt gibt es, Herr Rebentisch, Überlegungen, das Stiftungsgesetz zu ändern. Demnach könnte es demnächst so sein, dass ausländische Vertreter eben nicht mehr in dem Gremium vertreten sind. Ist das in Ihrem Sinne?
Rebentisch: Nein, das ist nicht in unserem Sinne. Es ist gestern im Kuratorium darüber auch sehr, sehr lange und intensiv diskutiert worden. Es gibt einen Vorschlag oder Überlegungen, die noch in einem sehr, sehr frühen Stadium sind, die tatsächlich das vorgesehen haben, was Sie gerade ansprachen. Danach werden im Übrigen nicht nur die ausländischen Partnerorganisationen nicht mehr vertreten im entscheidenden Gremium, sondern auch die NGOs. Also zum Beispiel die UNHCR oder auch wir wären in diesem Gremium nicht mehr vertreten gewesen. Es ist jetzt so, dass das Kuratorium im Herbst noch mal zu einer Sondersitzung zusammenkommen wird und dass aus dem Kuratorium der Bundesstiftung heraus eigene Vorschläge entwickelt werden sollen, wie, sagen wir mal, die Stiftung strukturell in Zukunft besser aufgestellt ist. Es ist nicht in unserem Sinne, wenn die komplette Entscheidungsgewalt übergeht in ein neues Gremium, in dem die internationalen Partner und auch die NGOs nichts mehr zu sagen haben.
Heckmann: Jost Rebentisch war das, stellvertretender Geschäftsführer des Bundesverbandes Information und Beratung für NS-Verfolgte. Ihnen danke nach Berlin.
Rebentisch: Vielen Dank.