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Opium fürs Volk?

Wohin man auch zappte, auf fast allen Kanälen tummelte sich der europäische Hochadel vor den Kameras. Und von den kommentierenden Experten erfuhr man ganz Erstaunliches darüber, wie es im Adel bei solchen Hochzeiten zugeht.

Von Klaus Deuse | 30.04.2011
    Kate: "... to love and to charish, so death do us part … and there too I give you my trust."

    Da waren sie endlich heraus, die Worte, die zig Millionen in Deutschland von Kate Middleton hören wollten. Die Republik lag nicht nur im royalen Rausch, es herrschte der totale mediale Ausnahmezustand.

    In der ARD hieß die Veranstaltung "Küss mich Kate", bei RTL "Die Traumhochzeit", bei SAT 1 "Die Märchenhochzeit" und im ZDF hing das "Royal Team" wie eine Klette an dem Brautpaar Kate und William. Geschlagene sechs Stunden lang übertrugen diese Sender die Hochzeit aus London. N-TV und N 24 füllten mit dem blaublütigen Bimbamborium quasi das komplette Tagesprogramm.

    Wohin man auch zappte, auf fast allen Kanälen tummelte sich der europäische Hochadel vor den Kameras. Und von den kommentierenden Experten erfuhr man ganz Erstaunliches darüber, wie es im Adel bei solchen Hochzeiten zugeht.

    "Also ich denke, dass Enkel und Oma sich zusammengesetzt haben und gesagt haben: wie machen wir das denn nun."

    Denn ohne die Oma, also Queen Elizabeth, läuft auf dieser Bühne offenbar nichts.

    "Die Queen ist hier quasi omnipräsent. Sie ist auf jedem Geldschein, sie ist auf Briefmarken. Man kommt an ihr gar nicht vorbei."

    Und da alle Sender fast das gleiche Bildmaterial servierten, versuchten sie ihr Profil in der Kommentierung der Bilder zu schärfen. So bat das RTL-Team die Zuschauer, in der Westminster Abbey doch mal einen verschärften Blick auf den Mann mit der bunten Mütze und dem opulenten grauen Rauschebart zu werfen. Der sehe zwar aus wie der Weihnachtsmann, sei aber der Erzbischof von Canterbury, der die Trauung vollziehen werde. Und dann folgte live ganz große Aufgeregtheit.

    "Wir unterbrechen, weil … denn David Beckham soll angekommen sein. Da … sehen wir ihn noch nicht. Oder doch? Das ist er…"

    Im Schlepptau des Kickers befand sich dessen hochschwangere Ehefrau Victoria. Modisch mutig in tiefem Schwarz.

    "Ich sag jetzt mal frech: schwarz macht schlank."

    Den Berichterstattern entging wirklich nichts. Schon gar nicht als die Braut in die Karosse huschte.

    "Die Haare trägt sie offen. Wäre ja auch schade bei ihrem schönen Haar."

    Und wenn es nicht viel Neues zu sehen gab, spekulierte man in den blauen Dunst hinein. Zum Beispiel, wann Kate den blauen Verlobungsring trägt, den ihr William aus dem Nachlass seiner Mutter Prinzessin Diana an den Finger gesteckt hatte.

    "Also zum Abwasch würd' ich ihn jetzt nicht benutzen, weil er leicht kaputt geht, aber sonst trägt man ihn immer."

    Der Zuschauer bekam nicht nur ein royales Schaulaufen präsentiert, sondern erfuhr auch, was der Londoner Bürgermeister Boris Johnson so treibt.

    "Ein echtes Original der Mann, er hat die Fahrräder hier eingeführt … Boris Johnson ist durch und durch heterosexuell ... weil immer alle erzählen von seinen interessanten Ausflügen in dieser Richtung."

    Hätte es nicht diesen medialen Auftrieb rund um die Traumhochzeit von Kate und William gegeben, wann hätte man das im deutschen Fernsehen erfahren! Aber wer weiß: Fortsetzung folgt vielleicht.

    Warum sollte es bei einer derartigen royalen Einschaltquote demnächst nicht eine Direktübertragung aus dem Urlaub von Kate und William oder eine Kamin-Sprechstunde zu Ehefragen geben. Blaublüter sind schließlich nicht nur für sich selbst da. Die Massen-Vermarktung übernehmen die Medien nur zu gern.