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Opposition blockiert ukrainisches Parlament

Von geregelten politischen Verhältnissen kann in der Ukraine nicht die Rede sein. Erneut blockiert die Opposition das Parlament. Der Grund dieses Mal: Die Regierung hat einem nicht genehmen Oppositionspolitikern einfach das Mandat entzogen.

Von Sabine Adler |
    Das ukrainische Parlament, die Werchowna Rada, findet in keinen Arbeitsrhythmus. Die Opposition blockiert, im wahrsten Sinne des Wortes. Wie hier im Dezember bei der Wahl des Regierungschefs. Weil Abgeordnete der Präsidentenpartei der Regionen mehrfach gestimmt hatten, für andere, die gar nicht anwesend waren, ging die Opposition auf die Schummler los. Einer blieb auf Abstand: Vitali Klitschko, der ehemalige Boxweltmeister und Chef der Oppositionspartei "UDAR". Im Dezember und Januar wurde erst geschlagen, dann blockiert, jetzt wieder Blockade. Pawel Rosenko von UDAR erklärt, was das heißt.

    "Wir verhindern, dass der Parlamentspräsident die Sitzung eröffnen kann. Die Abgeordneten haben freien Zugang in den Saal. Den Vorsitzenden der Werchowna Rada lassen wir nicht auf seinen Platz auf dem Präsidium. Er kann die Sitzung nicht eröffnen."

    Das erste Mal blockierte "UDAR", was übersetzt "der Schlag" heißt, das Parlament für 20 Tage. Zusammen mit "Batkiwschtschyna", der Vaterlandspartei von Julia Timoschenko, wollten sie erreichen, dass bei einer namentlichen Abstimmung die Deputierten tatsächlich persönlich erscheinen und nicht einer wie bisher für viele andere Klavier spielt, wie Tetjana Donets das vielfache Drücken der Anstimmungstaste nennt.

    "Bei der namentlichen Abstimmung war die Abstimmungsanlage bisher immer für fünf Minuten angeschaltet. Ein Abgeordneter drückte für die anderen mehrfach auf die Abstimmungstasten, deswegen unsere Bezeichnung Klavierspielen. Die Partei der Regionen hielt an dem System fest, obwohl selbst der Präsident seine Abschaffung gefordert hat.
    Wir haben mit unserer Blockade erreicht, dass, wenn jetzt einer dabei ertappt wird, dass er für einen anderen abstimmt, alles wiederholt werden muss."

    Ein Sieg der Opposition, freut sich die Abgeordnete von "Vaterland". In dieser Woche, in der die Werchowna Rada tagt, blockieren die beiden Oppositionsparteien erneut. Dieses Mal, weil drei Abgeordneten - Dambrowski, Bologin und Wlassenko - das Mandat entzogen wurde. Sie hatten nicht versprochen, die Partei der Regionen des Präsidenten Janukowitsch zu unterstützen.

    "Um den Abgeordneten die Mandate zu entziehen, wurde der der oberste Gerichtshof instrumentalisiert. Die gesamte Justiz gehorcht einzig und allein dem Präsidenten, sie handelt nicht objektiv. Unserer Auffassung nach war das ein schwerer Verfassungsverstoß, weil ein Mandat eines Abgeordneten nur von den Wählern entzogen werden kann oder aber von der Werchowna Rada, dem Parlament der Ukraine."

    Seit den Parlamentswahlen vor vier Monaten haben sich die Mehrheitsverhältnisse in der Werchowna Rada geändert, ist es für die Partei der Regionen von Präsident Viktor Janukowitsch sehr viel schwerer, eine Mehrheit der Stimmen zusammenzubekommen. Hatte sie in der vorherigen Legislaturperiode noch komfortable 250 Stimmen – 226 werden zur Mehrheit gebraucht – sind es heute nur noch 208.

    Also versucht man zunächst die unabhängigen Deputierten auf Linie zu bringen. Auch Serghij Wlassenko, dem Verteidiger der inhaftierten Julia Timoschenko, ebenfalls sein Mandat zu entziehen, könnte die Schraube jetzt überdreht haben. Wieder versucht Janukowitsch, in dessen Auftrag das oberste Gericht entschieden haben soll, Timoschenko zu treffen und wieder handelt es sich wohl um einen Fall selektiver Justiz, die die Europäische Union mehrfach beanstandet hat.

    "Das ist kein Schritt in Richtung Europäische Union und in Richtung europäische Werte, die wir anstreben. Damit wird das Assoziierungsabkommen mit der EU in Gefahr gebracht, wenn nicht sogar gesprengt. In der ukrainischen Regierung gibt es eine sehr starke Gruppe, die die europäische Integration überhaupt nicht will."

    Die Opposition ist empört, wie offensichtlich der Vorsitzenden des Geschäftsordnungsausschusses und auch die Gerichte instrumentalisiert worden sind. Der Ausschuss hatte mit dem Entzug der Abgeordnetenmandate gar nicht befasst, trotzdem wurde ein Protokoll angefertigt, das einer nicht stattgefundenen Sitzung. Das nichtsdestotrotz Entscheidungsgrundlage für das Gericht war, sagt Pawel Rosenko, der Abgeordnete der Klitschko-Partei. Die Rechtsbrüche in der Ukraine reißen nicht ab.