Vorstellung des Koalitionsvertrags
Opposition und Verbände reagieren überwiegend enttäuscht

Die Opposition im Bundestag hat scharfe Kritik am Koalitionsvertrag von Union und SPD geübt. Bei Wirtschaftsvertretern rief der Vertrag durchwachsene Reaktionen hervor. Mehrere Verbände äußerten sich erleichtert über den raschen Abschluss der Verhandlungen, es gab es auch Kritik an den Inhalten.

    Im Vordergrund der Entwurf für einen Koalitionsvertrag mit der Aufschrift "Veranwortung für Deutschland". Im Hintergrund stehen auf einer Bühne die vier Parteivorsitzenden von CSU, CDU, und SPD - Söder, Merz, Klingbeil und Esken.
    Präsentation eines Entwurf für einen Koalitionsvertrag (IMAGO / Frank Ossenbrink / IMAGO / Frank Ossenbrink)
    AfD-Parteichefin Weidel monierte, dass die Union gegenüber der SPD zu viele Zugeständnisse gemacht habe. Weidel nannte den Koalitionsvertrag eine "Kapitulationsurkunde von Friedrich Merz". Konkret monierte Weidel Versäumnisse in der Asyl- und Energiepolitik. "Die Migrationswende sei zu den Akten gelegt und der Atomausstieg bleibe bestehen", sagte Weidel. In einem gemeinsamen schriftlichen Statement gingen Weidel und ihr Co-Chef Chrupalla auch auf die Finanzpolitik ein. Union und SPD seien nicht zu einer Steuerreform "im Interesse der Bürger" im Stande gewesen.

    Grüne: "Koalition hat Geld wie Heu, aber Ideen wie Stroh"

    Die Grünen zeigten sich von den Plänen der künftigen Regierung ebenfalls enttäuscht. Nach Ansicht von Parteichef Banaszak hat die designierte Koalition keinerlei Antworten auf zentrale Herausforderungen wie die Klimakrise, die Verwerfungen in der internationalen Politik, sowie in der Rente- und Gesundheitspolitik. Ko-Chefin Brantner sagte: "Diese Koalition hat Geld wie Heu, aber Ideen wie Stroh."
    Die Partei Die Linke hält insbesondere die Sozialpolitik der Koalition für verfehlt. Sie vermisst zum Beispiel Lösungen gegen steigende Mieten und Verbraucherpreise.

    Wirtschaftsverbände mit gemischten Reaktionen

    Der Chef des Hauptverbandes der Deutschen Bauindustrie, Müller, begrüßte den raschen Abschluss der Gespräche. Ob damit auch inhaltlich der Weg für mehr Wachstum, Entbürokratisierung und Vereinfachung eingeschlagen werde, müsse sich zeigen. Der Präsident des Zentralverbands des Deutschen Handwerks, Dittrich, sagte, der Koalitionsvertrag enthalte wirksame Medizin, aber auch bittere Pillen. Der Digitalverband Bitkom begrüßte die geplante Einrichtung eines Ministeriums für Digitalisierung und Staatsmodernisierung; Bitkom-Chef Wintergerst sprach von einem lange erwarteten Aufbruchsignal.
    Der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, Fratscher, kritisierte den Koalitionsvertrag als Kompromiss, der den Status quo weitgehend beibehalte und zentrale Zukunftsfragen unzureichend adressiere. Die Wirtschaftsweise Schnitzer sagte, die Wirtschaftswende falle wohl bescheidener aus, als in den Wahlprogrammen dargestellt.
    Der Bundesverband der Deutschen Industrie sieht Ansätze für Strukturreformen. Die kurzfristige, konkrete Entlastung von Industrie, Gewerbe und privaten Haushalten von zu hohen Energiekosten sei wichtig und richtig, heißt es in einer Stellungnahme. Steuerpolitisch bleibe die Koalition jedoch "hinter dem Notwendigen" zurück.
    Nach Ansicht der Stiftung Familienunternehmen weist der Koalitionsvertrag in die richtige Richtung. Enttäuschend sei allerdings, dass der Einstieg in niedrigere Unternehmenssteuern erst 2028 erfolgen solle.
    Die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft sieht im Koalitionsvertrag sowohl "erfreuliche Festlegungen als auch klare Defizite". In einer Mitteilung begrüßte Verdi-Chef Werneke unter anderem die Stabilisierung des Rentenniveuaus. Nicht akzeptabel seien jedoch die geplanten Änderungen im Arbeitszeitgesetz. Werneke monierte: "Es sei absolut kontraproduktiv, nun eine wöchentliche anstatt einer täglichen Höchstarbeitszeit als Maßstab heranzuziehen. Dies öffne dem Missbrauch Tür und Tor".

    Sozialverbände: Licht und Schatten

    Diakonie und Caritas zeigten sich erleichtert. Der Koalitionsvertrag mache deutlicher als das Sondierungspapier, dass es darum gehe, nicht nur äußere und innere, sondern auch soziale Sicherheit zu verteidigen. Beide Wohlfahrtsverbände forderten überdies zu einer ambitionierten Pflegepolitik auf.
    VdK-Präsidentin Bentele begrüßte unter anderem die Pläne zur Stabilisierung des Rentenniveaus und zur Erweiterung der Mütterrente. Enttäuschend, weil zu unkonkret, blieben die Pläne der Koalition aber bei der Stärkung pflegender Angehöriger, bei der steuerlichen Entlastung für kleinere und mittlere Einkommen sowie bei der Wohnungsmarktpolitik, sagte Bentele.
    Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International zeigt sich alarmiert. Besonders schwerwiegend seien die Beschränkungen des Familiennachzugs zu bestimmten Geflüchteten und drohende Abschiebungen nach Afghanistan und Syrien. Auch die Einstellung aller humanitären Aufnahmeprogramme sei "unvereinbar mit dem angeblichen Bekenntnis zu Menschenrechten".
    Nach Ansicht von LobbyControl trägt der Koalitionsvertrag nicht dazu bei, Transparenz und Lobbykontrolle in Deutschland voranzubringen. Der Verein forderte eine Reform der Parteien- und Wahlkampffinanzierung.
    Diese Nachricht wurde am 09.04.2025 im Programm Deutschlandfunk gesendet.