Türkei
Oppositionspartei CHP wählt abgesetzten Istanbuler Bürgermeister Imamoglu zu Präsidentschaftskandidaten

In der Türkei hat die Oppositionspartei CHP den abgesetzten Istanbuler Bürgermeister Imamoglu zu ihrem Präsidentschaftskandidaten gewählt. Parteichef Özel erklärte, es hätten 1,6 Millionen der insgesamt 1,7 Millionen Mitglieder für den 54-Jährigen als Bewerber um das Präsidentenamt gestimmt. Außerdem gaben Özel zufolge Millionen Menschen im ganzen Land ihre Stimme symbolisch für Imamoglu ab.

    Eine Männerhand hält einen Zettel mit dem Bild des Oppositionspolitikers Imamoglu in der Hand und wirft ihn in einen Wahlurne.
    Bei einer Wahl bestimmten CHP-Mitglieder den inhaftierten und abgesetzten Istanbuler Bürgermeister Imamoglu als Präsidentschaftskandidaten ihrer Partei. (picture alliance / ASSOCIATED PRESS / Huseyin Aldemir)
    Sie nutzten dafür sogenannte Solidaritätswahlboxen, die neben den regulären Urnen aufgestellt worden waren. Nach Auszählung von etwas mehr als der Hälfte dieser Boxen komme man bereits auf mehr als 13 Millionen symbolische Stimmen für Imamoglu, sagte Özel vor Teilnehmern einer Demonstration in Istanbul.
    Imamoglu galt bislang als aussichtsreicher Herausforderer des türkischen Präsidenten Erdogan. Er wurde am Mittwoch in Zusammenhang mit Korruptions- und Terrorermittlungen festgenommen und mittlerweile in Untersuchungshaft in einem Gefängnis im Disktrikt Silivri überführt. Dort muss er bis zu einer Verhandlung bleiben. Das entschied ein Gericht mit Verweis auf die Anschuldigungen wegen Korruption. Das Innenministerium erkannte ihm daraufhin das Bürgermeisteramt ab.

    Imamoglu weist Anschuldigungen zurück

    Dem CHP-Politiker werden in zwei getrennten Verfahren Vorwürfe im Zusammenhang mit Terrorismus und Korruption gemacht. Konkret gehe es bei den Korruptionsermittlungen um den Verdacht der Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung, Erpressung, Bestechung, Betrug und Ausschreibungsmanipulation, hieß es. Die Terrorermittlungen betreffen demnach den Vorwurf, Imamoglu habe die verbotene kurdische Arbeiterpartei PKK unterstützt.
    Imamoglu bestreitet die Vorwürfe vehement. "Die gegen mich erhobenen unmoralischen und haltlosen Anschuldigungen, die von erfundenen Berichten bis hin zum Zeitpunkt der Ermittlungen reichen, zielen darauf ab, mein Ansehen und meine Glaubwürdigkeit zu untergraben", ließ Imamoglu über die Stadtverwaltung mitteilen. Er selbst sagte bis in die Nacht vor der Staatsanwaltschaft aus, wie mehrere Medien berichteten.

    Auswärtiges Amt: "Rückschlag für doe Demokratie"

    Der Bürgermeister der Hauptstadt Ankara, Yavas, bezeichnete die Inhaftierung Imamoglus als eine "Schande für das Justizsystem". Er gehört wie Imamoglu der führenden Oppositionspartei CHP an. Gegenüber der Nachrichtenagentur AFP kündigte einer von Imamoglus Anwälten an, juristisch gegen die Untersuchungshaft vorzugehen. Man werde Haftbeschwerde einlegen, hieß es.
    Das Auswärtige Amt in Berlin verurteilte die Inhaftierung Imamoglus und bezeichnete sie als "schweren Rückschlag für die Demokratie in der Türkei". Politischer Wettbewerb dürfe nicht mit Gerichten und Gefängnissen geführt werden.

    Vor allem in Istanbul Proteste

    Wie die britische BBC berichtet, löste die Suspendierung Imamoglus erneut Massenproteste aus. Vor allem in Istanbul seien tausende Menschen auf den Straßen und schwenkten in der Nähe des Rathauses türkische Flaggen. Die Polizei setze Wasserwerfer gegen die Demonstrierenden ein.
    Seit der Festnahme Imamoglus und rund 100 weiterer Oppositionspolitiker und Journalisten finden allabendlich Kundgebungen statt - trotz eines geltenden Versammlungsverbots, das von den türkischen Behörden inzwischen ausgeweitet und bis Mittwoch verlängert wurde. Dem Innenministerium zufolge wurden mehr als 700 Menschen festgenommen. Minister Yerlikaya betonte: "Keinerlei Versuch, die öffentliche Ordnung zu gefährden, wird geduldet".
    Diese Nachricht wurde am 23.03.2025 im Programm Deutschlandfunk gesendet.