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Oppositionsstreit
Kriegstreiber und Russenfreunde

Linke und die Grünen sind sich zurzeit wenig grün. Sahra Wagenknechts Kritik am Ukraine-Russland-Kurs des Westens und eine provokative Fotomontage eines Grünen dazu haben den Streit ausgelöst – und gefährden ein avisiertes Bündnis auf Landesebene.

Von Thomas Otto |
    Großaufnahme von Sahra Wagenknecht während einer Rede im Bundestag im Februar 2013.
    Sahra Wagenknechts Kritik am westlichen Russland-Kurs ärgert die Grünen (dpa picture alliance / Wolfgang Kumm)
    Dienstagabend im Düsseldorfer Kulturzentrum ZAKK. Etwa 20 Gäste, meist ältere Herren, haben sich zu einem Diskussionsabend eingefunden. Der linke Verein "Institut für sozial-ökologische Wirtschaftsforschung" hat eingeladen zur Veranstaltung: Europa am Scheideweg. Es geht hoch her.
    Unter den Gästen: Helmut Born, Landesvorstand der Linken in Nordrhein-Westfalen. Den Streit zwischen Grün und links hat er mitverfolgt. Er ist sauer auf die Grünen im Bundestag.
    "In der Tat sind die Grünen diejenigen, die am lautesten fordern, dass die Bundeswehr international eingesetzt werden soll."
    Kriegstreiber, Russenfeinde, einsatzfreudig wie einst die FDP - mancher Linke schießt sich dieser Tage regelrecht auf die Grünen ein. Ausgelöst hat den öffentlichen Streit eine Fotomontage. Darauf zu sehen sind vermutlich russische Soldaten auf der Krim, davor Sahra Wagenknecht. Das Ganze ist versehen mit der Bildunterschrift: "Jetzt neu: Linkspartei erstmals für Auslandseinsätze."
    Das Foto ist eine Reaktion auf ihre Äußerungen, es gäbe machtpolitische Gegebenheiten, die man akzeptieren müsse. Gemeint ist damit die Angliederung der Krim an Russland. Die USA und die Bundesrepublik hätten jedes Recht verwirkt, Völkerrechtsbrüche zu kritisieren, sagt Wagenknecht, weil beide Staaten selbst so viele begangen hätten.
    Veröffentlicht wurde die Fotomontage auf Twitter und umgehend von zahlreichen Nutzern weiterverbreitet.
    Neues von der #Linkspartei! #Krim pic.twitter.com/FTDbBvtNAH— Reinhard Bütikofer (@bueti) March 14, 2014
    "Die Provokation, die habe ich in Umlauf gebracht."
    Reinhard Bütikofer, Abgeordneter der Grünen im Europaparlament.
    "Sahra Wagenknecht hat diese russische Aggression legitimiert, für Verständnis geworben, immer wieder Ausreden gefunden. Es war jedes Mal der Westen schuld, wenn Putin Übergriffe vornehmen ließ. Und das fand ich unerträglich."
    Bütikofer provoziert, er ist bekannt für markige Sprüche. Und erntet damit die gewünschte Reaktion.
    "Ich finde, man sollte auf dem Teppich bleiben."
    Inge Höger, Bundestagsabgeordnete der Linken.
    "Wie kann man so eine Fotomontage machen, nur weil Sahra Wagenknecht genauer gesagt hat, dass Russland auch berechtigte Interessen in der Region hat, und dass man das auch verstehen und nachvollziehen kann."
    Dabei gibt es die gemäßigten Stimmen, die eine Zusammenarbeit zwischen Grünen und Linken anstreben, in beiden Parteien. 2017 etwa, nach der nächsten Bundestagswahl. Sven Lehmann, Landesvorstand der Grünen in NRW.
    "Ich finde die Äußerungen von Wagenknecht auch teilweise unerträglich, aber ich finde nicht, dass die Grünen eine Politik machen sollten, die dieses Niveau noch unterbietet. Man kann der Linkspartei vieles vorwerfen, aber nicht, dass sie eine aggressive Außenpolitik betreibt und Militäreinsätzen das Wort redet."
    Linke uneins über Einsatz der Bundeswehr in Syrien
    Dem würde die Linke wohl geschlossen zustimmen. Dann aber endet die Geschlossenheit. Deutlich wurde das zuletzt bei der Abstimmung über den Einsatz der Bundeswehr bei der Vernichtung syrischer Chemiewaffen. Bisher haben die Bundestagsabgeordneten der Linken alle Auslandseinsätze abgelehnt oder sich im Parlament enthalten. Gestern aber wurde die Abstimmung zum ersten Mal freigegeben, jeder sollte selbst entscheiden. Für Inge Höger unverständlich.
    "Das ist wirklich eine grundlegende Frage. Ich denke, dann sind wir überflüssig, wenn wir das machen. Dann machen wir die gleiche Politik wie die Grünen und SPD, dann braucht uns niemand im Land."
    Im Klartext: Die Abgeordnete sorgt sich um das Alleinstellungsmerkmal der Linken. Und mehr: Sie fürchtet, weiteren Einsätzen so Tür und Tor zu öffnen.
    "Ich halte das für eine Argumentation, mit der man die Angst vor der Verantwortung bemäntelt."
    Entgegnet Reinhard Bütikofer. Und doch haben sie es getan. Fünf Linke haben gestern im Bundestag dafür gestimmt, dass die Bundeswehr die Vernichtung syrischer Chemiewaffen an Bord eines US-Schiffes absichert.
    "Das ist ein erster, kleiner Schritt zu einem praktizierten Realismus. Ich würde mir wünschen, da folgt mehr."
    Auf Landes- und Kommunalebene gibt es sie, die erfolgreiche grün-linke Zusammenarbeit. Im Bund dagegen sind die Oppositionsparteien nicht immer grün, trotz Übereinstimmung in vielen Bereichen. Wenn es aber um Auslandseinsätze geht, ist der Graben tief.
    "Wer sich davor fürchtet, im Einzelfall zu entscheiden und deswegen ein nicht-realitätstaugliches Prinzip errichten will, der ist für die Verantwortung nicht gemacht."
    Zwischen Grün und links.
    "In Fragen der Auslandseinsätze werden wir uns nicht bewegen."
    Und um die ganze Sache noch komplizierter zu machen: Auch innerhalb beider Parteien gibt es einen Graben, wenn es um rot-rot-grüne Gedankenspiele geht. In der Linken stehen die Gegner eines Auslandseinsatzes denjenigen gegenüber, die sich mit einer Zustimmung an Grüne und SPD annähern wollen. Und auch bei den Grünen gibt es Provokateure, wie Reinhard Bütikofer, die eine Koalition mit den Linken ablehnen und Pragmatiker, die eine Annäherung zumindest in Erwägung ziehen.
    Linken-Landesvorstand Helmut Born glaubt nicht daran, dass sich Linke und Grüne bald annähern könnten. Für seine Partei sei das ausgeschlossen. Er sieht schwarz für Rot-Rot-Grün in naher Zukunft.
    "Wenn sie glaubwürdig bleiben wollen, dann wird das nix werden."
    Im Düsseldorfer Kulturzentrum ZAKK wird noch immer diskutiert. Wie kann ein neues, linkes Europa entstehen? Wie können die Menschen dafür begeistert werden? Wie können linke Positionen besser kommuniziert werden? Eine Lösung wird an diesem Abend nicht gefunden. Zu viel Ideologie und zu wenig Pragmatismus.