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Optik zählt

Äußerlichkeiten sollten bei einer Bewerbung eigentlich keine Rolle spielen - die Realität sieht anders aus. Das belegt eine aktuelle Studie der Uni Mannheim: Sozialpsychologen haben einer Gruppe von Testpersonen identische Bewerbungsunterlagen vorgelegt, nur die Fotos der Kandidaten waren unterschiedlich. Das Ergebnis: je nach Aussehen und Kleidung wurde den Bewerbern Führungskraft zugetraut oder abgesprochen. Vor allem bei Frauen spielt das richtige Styling offenbar eine viel größere Rolle als vermutet.

    Von Ulrike Till

    Wenn Chefposten zu vergeben sind, werden keineswegs automatisch Männer bevorzugt. Doch maskuline Ausstrahlung ist schon gefragt - sie gilt offenbar als entscheidendes Kriterium für Managerqualitäten. Das belegen aktuelle Studien der Mannheimer Forschungsgruppe "Geschlechterstereotype und Führung", so die Professorin Dagmar Stahlberg:

    Wenn man den Vergleich hat, was wirkt stärker, ob man Mann oder Frau ist, also das biologische Geschlecht oder das maskulin-feminine Aussehen, da ist es eben so, dass das Aussehen den stärkeren Effekt zeigt, also eine maskulin aussehende Frau wirkt bevorzugt vor einem feminin aussehenden Mann.

    Die Sozialpsychologin Anke von Rennenkampf hat in ihrer gerade abgeschlossenen Doktorarbeit herausgefunden, welche Merkmale Chefqualitäten signalisieren:

    Zum Beispiel ein kantiges, energisches Kinn, eine hohe eckige Stirn, auch eine etwas größere Nase, das ist eben typisch männlich. Da hat sich gezeigt: Je maskuliner diese Leute aussahen, umso eher wurden sie auf eine Führungsposition befördert, und umso mehr Führungskompetenz wurde ihnen auch zugeschrieben.

    Am wenigsten durchsetzungsstark wirken Frauen mit besonders weiblichem Äußeren, zum Beispiel Stupsnase, großen Augen, weichen Zügen. Cornelia Schömig, stellvertretende Personalchefin bei Südzucker, bestätigt das Ergebnis der Mannheimer Studie: Wenn sie zum Beispiel eine technische Leitungsposition zu besetzen hat, würde sie sich auch für die Kandidatin mit dem herben Äußeren entscheiden:

    Ich würde da eher die Dame hier unten bevorzugen, weil sie mir durchsetzungsstärker vorkommt. Die Hochgeschlossene mit den Haaren zurück und wenig Schmuck macht mehr den Eindruck, als ob sie technisch ihr Handwerk versteht.

    Trotzdem hat auch die Bewerberin mit dem freundlichen runden Gesicht, offenen Haaren und üppigem Schmuck eine Chance - allerdings für eine andere Art von Job:

    Für eine Position, die mehr auf die Kommunikation absetzt, die mehr auf das Vermittelnde absetzt - die schafft es dann halt mit Charme, und ich denke, dass das sogar eher ein Vorteil ist.

    Cornelia Schömig ist sich bewusst, dass Äußerlichkeiten wie Kleidung und Frisur bei Personalentscheidungen eine wichtige Rolle spielen:

    Also ich denke, dass man von sich behauptet, man lässt sich nicht lenken, das hätten wir alle gern, aber das ist nicht so. Weil jeder hat seine Sympathien, und natürlich kann mir keiner erzählen, wenn jemand zur Tür reinkommt, dann hat man einen ersten Eindruck. Und der erste Eindruck ist sehr wichtig, und das kommt natürlich auch vom entsprechenden Styling, und davon lassen wir uns alle lenken.

    Anke von Rennenkampf hat die Probe aufs Exempel gemacht: Sie hat die ausgeprägt weibliche Frau streng maskulin gestylt - und die maskuline Frau mit offenen Haaren, Dekolleté und Kettchen fotografieren lassen. Prompt trauten die Versuchsteilnehmer der auf männlich umgestylten Frau mehr Führungskompetenz zu:

    Ich war überrascht darüber, wie deutlich es war. Mich hat ein bisschen überrascht, dass es bei männlichen und weiblichen Versuchspersonen ganz ähnlich war, dass also bei beiden Geschlechtern die Stereotype ähnlich stark anschlagen.

    Wer das weiß, kann gezielt gegensteuern: Anke von Rennenkampf empfiehlt Frauen auf dem Weg an die Spitze, sich für Bewerbungsfotos und -gespräche so zurechtzumachen:

    Hochgeschlossene, dunkle Kleidung, kein Schmuck, die Haare aus dem Gesicht frisiert und nur ein ganz dezentes Make-up, eigentlich nur abgepudert. So Sachen wie knalliger Lippenstift, auffälliger Lidschatten, zu sehr die Augen betonen mit Make-up, Haare ins Gesicht fallen lassen, das sind alles typisch feminine Merkmale, die sollte man eher weglassen.

    Der Karrieretipp hat nur einen Haken: Allzu maskulines Auftreten, so die Professorin Dagmar Stahlberg, kann unerwünschte Nebenwirkungen haben:

    Es zeigt sich auch, dass das Aussehen unterschiedliche Effekte hat, also dass zwar die Kompetenzeinschätzung zum Beispiel bei Frauen mit maskulinem Äußeren ansteigt, dass aber gleichzeitig die Sympathieeinschätzungen oft absinken. Es gibt also gegenläufige Effekte, sodass man eben nicht so einfach sagen kann, eine Frau sollte sich jetzt möglichst maskulin stylen und so weiter. Das kann zwar auf einer Variablen optimieren, auf der anderen Variablen aber möglicherweise negative Effekte haben, sodass es eigentlich eine sehr schwere Situation ist, in der sich gerade Frauen oft befinden.