Kommentar zur Ukraine-Hilfe
Gemeinsam gegen Orbán

Victor Orbán werde in der EU ein Querulant bleiben und weiter nur seinen Vorteil suchen, kommentiert Klaus Remme. Durch geschlossenes Auftreten hätten die EU-Regierungschefs die Ukraine-Hilfen gegen Orbáns Willen durchgebracht. Das mache Mut.

Ein Kommentar von Klaus Remme |
Victor Orban in Nahaufnahme
Victor Orbán stellt sich oft quer: die EU müsse langfristig einen Umgang damit finden, kommentiert Klaus Remme. (picture alliance / ASSOCIATED PRESS / Stephanie Lecocq)
Es gibt Entscheidungen, bei denen das Ergebnis wichtiger ist als die Umstände, unter denen sie zustande gekommen sind. Die heutige Vereinbarung, in den nächsten vier Jahren Unterstützungszahlungen in Höhe von 50 Milliarden Euro an die Ukraine zu zahlen, gehört eindeutig in diese Kategorie. Angeschlagen durch fehlende Erfolge an der Front und bedroht durch einen Rückgang amerikanischer Hilfe, war das heutige Signal aus Brüssel dringend notwendig für die Moral und den Durchhaltewillen der Ukraine.
Dennoch muss über die Umstände gesprochen werden, denn die EU-Staats- und Regierungschefs haben in letzter Minute zusammengefunden. Der Konsens kam spät, der heutige Gipfel selbst war Ergebnis der Blockade Ungarns im Dezember.

Orbán bleibt ein Querulant

Bundeskanzler Olaf Scholz hat heute sehr viel Wert auf die Tatsache gelegt, dass Victor Orban doch noch überzeugt werden konnte, zuzustimmen. „Das ist jetzt etwas, wo wir als Familie zusammenstehen müssen“, sagte Scholz blumig, und wer sich jetzt vorstellt, dass Orbán, um im Bilde zu bleiben, als „verlorener Sohn“ endlich zurückgekehrt ist, der ist im falschen Film.
Victor Orbán bleibt in dieser Familie ein Querulant. Einer, der allein seinen Vorteil sucht und in der Regel keine Rücksicht darauf nimmt, ob er damit der gemeinsamen europäischen Sache schadet. Orbán hat heute auch nicht plötzlich eingesehen, dass Kiew in katastrophaler Notlage dringend geholfen werden muss. Schon beim Gipfel im Dezember war zu erkennen, dass er im Kreis der Regierungschefs komplett isoliert war. Das war heute nicht anders.

Zusammenhalt hat Orbán Grenze aufgezeigt

Eine substantielle Gegenleistung für seine Zustimmung ist nicht zu erkennen. Konnte man im Dezember noch annehmen, dass es Orbán nicht zufällig unmittelbar vor dem EU-Gipfel noch gelang, 10 Milliarden Euro gesperrter Gelder für Ungarn loszueisen, steht er heute mit leeren Händen da. Selbst mögliche Hebel, die Milliarden für Kiew in den nächsten Jahren erneut in Frage zu stellen, wurden ihm aus der Hand geschlagen. Gut so!
Auf Dauer stellt sich aber weiter die Frage, wie die EU als Konsensmaschine mit Quertreibern wie Victor Orbán umgeht. Die oft markig vorgetragene Option, einem Land zur Not das Stimmrecht zu entziehen, gilt vielen als zu riskant. Immerhin, der heutige Tag zeigt, was möglich ist, wenn alle anderen EU-Partner entschlossen sind, sich nicht vorführen zu lassen. Schon diese Erfahrung war die heutige kurze Dienstreise der Regierungschefs wert!