Ukraine-Krieg
"Oreschnik": Das ist bekannt über die neue russische Mittelstrecken-Rakete

Russland hat die ukrainische Stadt Dnipro mit einer neuartigen Rakete beschossen. Präsident Putin sprach von einer experimentellen Rakete mit Hyperschallgeschwindigkeit. Vertreter westlicher Staaten kritisierten Moskau. Das ist über die neuartige Rakete bekannt.

    Das Foto der ukrainischen Rettungskräfte zeigt Feuer nach dem Raketenangriff auf Dnipro am 21. November 2024
    Das Foto der ukrainischen Rettungskräfte zeigt Feuer nach dem Raketenangriff auf Dnipro am 21. November 2024. (AFP / HANDOUT)

    Um was für eine Rakete handelt es sich?

    Über die Eigenschaften der neuen russischen Mittelstreckenrakete herrscht noch Rätselraten. Nach Angaben der USA handelt es sich um eine ballistische Mittelstreckenrakete - nicht, wie zunächst von der Ukraine mitgeteilt, eine Interkontinentalrakete. Der Typ wird Oreschnik (übersetzt: Nussstrauch) genannt. Russlands Präsident Putin sagte, amerikanische Raketenabwehrsysteme hätten keine Chance, diese abzufangen.
    Die Rakete ist nach ukrainischen Angaben von der Region Astrachan am Kaspischen Meer aus zusammen mit weiteren Geschossen auf die viertgrößte Stadt der Ukraine abgefeuert worden. Die örtlichen Behörden in Dnipro teilten mit, bei dem Angriff seien zwei Menschen verletzt und eine Industrieanlage sowie ein Rehazentrum für Menschen mit Behinderungen beschädigt worden. Dnipro ist Standort des früher sowjetischen und jetzt ukrainischen Raketenbau- und Rüstungskonzerns Juschmasch.
    Experten werten den Einsatz von mehreren Sprengköpfen in Dnipro als Hinweis, dass die Rakete auch nuklear bestückt werden kann. Das US-Verteidigungsministerium geht davon aus, dass die ballistische Mittelstreckenrakete auf dem Modell der russischen Interkontinentalrakete RS-26 basiert. 

    Warum hat Russland diesen Raketentyp jetzt eingesetzt?

    Russlands Präsident Putin sprach von einer Reaktion darauf, dass die USA und andere westliche Länder der Ukraine den Einsatz weitreichender Waffen auch auf russischem Territorium erlaubt hätten. "Wir haben mehrfach unterstrichen, dass der vom Westen provozierte Regionalkonflikt in der Ukraine Elemente globalen Charakters angenommen hat", sagte er. Zudem nannte er das neue System die Moskauer Antwort darauf, dass die USA Mittelstreckenraketen in Europa und im Pazifik stationieren wollten.
    Putin ergänzte: "Wir sehen uns im Recht, unsere Waffen gegen militärische Objekte der Länder einzusetzen, die es zulassen, dass ihre Waffen gegen Objekte bei uns eingesetzt werden."
    In den vergangenen Tagen hatte die Ukraine Ziele auf russischem Territorium mit US-Raketen des Typs ATACMS und mit von Großbritannien gelieferten Storm-Shadow-Marschflugkörpern angegriffen. Mehrere westliche Länder, darunter Großbritannien, die USA und Frankreich, haben der Ukraine Raketen und Lenkwaffen mit größerer Reichweite geliefert. Washington hatte Kiew zuletzt die Genehmigung erteilt, diese Waffen im russischen Hinterland einzusetzen.

    Wie glaubwürdig sind Putins Drohnungen?

    Der russische Angriff auf Dnipro solle vor allem die Ukraine und ihre Unterstützer einschüchtern und öffentliche Aufmerksamkeit erregen, sagte ein Vertreter der US-Regierung. Moskau besitze vermutlich nur eine Handvoll dieser experimentellen Raketen. Die Ukraine habe schon Angriffe von Raketen mit viel größeren Sprengladungen überstanden.
    Die USA haben nach eigenen Angaben Kiew und die Verbündeten jüngst über einen möglichen Einsatz der neuen Rakete informiert. Moskau wiederum habe die USA kurz vor dem Abschuss informiert, sagte die Vize-Sprecherin des amerikanischen Verteidigungsministeriums, Singh.
    Unklar ist, ob Putins Aussagen stimmen, man könne die Rakete nicht abfangen. Ähnliches habe er bereits über die Hyperschall-Rakete Kinschal gesagt, betonte Deutschlandfunk-Korrespondent Peter Sawicki. Man wisse aber inzwischen, dass das nicht stimme.

    Welche Reaktionen gibt es auf den Einsatz?

    Der ukrainische Präsident Selenskyj verlangte von der Weltgemeinschaft eine entschiedene Reaktion auf den russischen Angriff. "Dies ist eine eindeutige und ernsthafte Ausweitung des Ausmaßes und der Brutalität dieses Krieges, eine zynische Verletzung der UNO-Charta durch Russland", teilte Selenskyj mit.
    Die Vereinten Nationen sprachen von einer "besorgniserregenden Entwicklung". Bundeskanzler Scholz erklärte, es handele sich um eine "furchtbare Eskalation, genauso wie vorher die Nutzung von nordkoreanischen Soldaten, die jetzt in diesem Krieg eingesetzt werden und sterben für den imperialen Traum von Putin".
    Die USA betonten, der Einsatz der Rakete sei in diesem Konflikt kein "Gamechanger". Eine NATO-Sprecherin sagte, die neue Waffe werde "weder den Verlauf des Konflikts ändern noch die NATO-Verbündeten davon abhalten, die Ukraine zu unterstützen".

    Weiterführende Informationen

    Sicherheitslage in Europa: Russland, die NATO und die Kriegsgefahr
    Diese Nachricht wurde am 22.11.2024 im Programm Deutschlandfunk gesendet.