Es gehört fast schon zur medienpolitischen Folklore nach Wahlen in Österreich. Ändern sich die politischen Verhältnisse, bleibt es auch nicht ruhig um den öffentlich-rechtlichen österreichischen Rundfunk ORF, das mit Abstand größte Medienhaus des Landes. Fritz Wendl war 22 Jahre lang Vorsitzender des Redakteursrats des ORF und ist als Ehrenvorsitzender des Gremiums auch heute noch eng im Sender vernetzt. Seiner Erfahrung nach haben die ORF- Reformen nach Wahlen selten etwas Positives mit sich gebracht:
"Sie haben oft vor allem nur deshalb stattgefunden, um eine neue Geschäftsführung einzusetzen und passieren immer vor dem Hintergrund, dass in Österreich Medienpolitik von den Verantwortlichen mit Klientelpolitik beziehungsweise mit der Durchsetzung parteipolitischer Interessen verwechselt wird."
ÖVP und FPÖ wollen ORF reformieren
Dementsprechend groß ist auch die Unruhe auf den Fluren des ORF mit Blick auf die laufenden Koalitionsverhandlungen zwischen der konservativen ÖVP und der rechtpopulistischen FPÖ. Die Verhandlungen laufen seit etwas mehr als einem Monat und es dringt sehr wenig nach außen – auch was die medienpolitischen Vorstellungen der neuen Regierung anbetrifft. Fakt ist: Sowohl ÖVP als auch FPÖ haben sich eine Reform des ORF verordnet. Eine der wenigen Äußerungen dazu stammt vom FPÖ Vorsitzenden Heinz Christian Strache zum Beginn der Koalitionsverhandlungen.
"Unsere Forderung ist, dass wir zustande bringen, Zwänge in unserer Gesellschaft abzuschaffen - wie eben Zwangsgebühren beim ORF."
Neben der Neujustierung des Finanzierungsmodells, gilt es als wahrscheinlich, dass die neue Regierung ein neues ORF-Gesetz einbringen wird. Das hätte zur Folge, dass die Geschäftsführung des Hauses ausgetauscht werden müsste. In der Vergangenheit war das stets ein probates Mittel, um den Sender politisch gefügig zu machen, sagt ORF-Veteran Fritz Wendl.
"Interventionen werden sicher wieder passieren"
"Wir hatten einige Politiker, die wirklich geglaubt haben, sie können Tag für Tag in den Redaktionen anrufen und sich etwas wünschen. Wir haben mehrfach solche Interventionen veröffentlicht, was durchaus dazu beigetragen hat, das zu verhindern. Aber das hat nichts am wirklichen Bewusstsein geändert. Das hat nur dazu geführt, dass der eine oder andere versucht hat, sich geschickter zu verhalten. Und solche Dinge werden sicher wieder passieren, darauf kann man sich schon verlassen."
Das neue Gesetz könnte im Laufe des kommenden Jahres verhandelt werden und am 1. Januar 2019 in Kraft treten. Genug Zeit für den ORF-Intendanten, hier heißt es Generaldirektor, Alexander Wrabetz mit passenden Personalentscheidungen im Vorfeld gegenzusteuern. Der Sozialdemokrat Wrabetz gilt ORF-intern als Überlebenskünstler – nicht zuletzt weil er als erster ORF-Chef drei Mal hintereinander gewählt worden ist und vier Regierungen überlebt hat. Das bestätigt auch ORF-Kenner und Medienredakteur bei der Wiener Tageszeitung der Standard, Harald Fiedler.
"Dass Generaldirektoren des ORF meistens, vor allem der amtierende Generaldirektor des ORF Alexander Wrabetz, das bleiben wollen, was sie sind, richten sie sich tatsächlich nach den tatsächlichen oder vermuteten Wünschen der Politik oder der Stiftungsräte oder der Politik und der Stiftungsräte, meistens ist es eh deckungsgleich."
Sorge vor politischem Einfluss auf Berichterstattung
Auch die Zusammensetzung des Stiftungsrats, der den ORF ähnlich wie die Rundfunkräte in Deutschland als Aufsichtsorgan kontrolliert, wird sich mit der neuen Regierung ändern, denn sie folgt den politischen Kräfteverhältnissen. ÖVP und FPÖ werden sehr wahrscheinlich zwei Drittel der Mitglieder des mächtigen Gremiums stellen, das den Intendanten und die Geschäftsführung des ORF ernennt und wesentliche Unternehmensentscheidungen absegnen muss. Auch das nährt die Sorge vor politischem Einfluss auf die Berichterstattung. Medienjournalist Harald Fiedler sieht aber keinen Grund für Panik.
"Ich möchte mich gegen den Eindruck verwahren, welcher Kanzler auch immer spielt auf seiner Flöte ein Liedchen und denkt, der ganze ORF tanzt danach. Das ist nicht der Fall. Man muss nur jeden Tag darauf achten, dass die Journalisten, die unabhängig und kritisch und distanziert in alle Richtungen arbeiten wollen, das auch weiterhin können."
ORF-Veteran Fritz Wendel spricht sich aus seiner Erfahrung dafür aus, alle Versuche der politischen Einflussnahme senderintern zu dokumentierem und auch zu veröffentlichen.
"Das funktioniert, solange die Mehrzahl der Kolleginnen und Kollegen nicht glaubt, durch Duckmäusertum oder durch Nichtauffallen könnte man persönlich Kariere machen."