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ORF-Generaldirektor
"Die Beitragsfinanzierung bietet eine größere Unabhängigkeit"

Dass die österreichische Regierung überlegt, den öffentlich-rechtlichen Rundfunk künftig aus dem Haushaltsbudget zu finanzieren, beunruhigt den ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz. Eine Beitragsfinanzierung biete eine größere Unabhängigkeit, "als wenn man jedes Jahr zum Finanzminister muss", sagte Wrabetz im Dlf.

Alexander Wrabetz im Gespräch mit Bettina Schmieding | 05.03.2019
Alexander Wrabetz (ORF) gestikuliert im September 2018, während der Diskussion "Elefantenrunde TV: Disruption oder Destruktion" im Rahmen der Österreichischen Medientage 2018 in Wien.
"Es geht meistens eine substanzielle Schwächung des Öffentlich-Rechtlichen einher mit der Umstellung auf Budgetfinanzierung", meint Alexander Wrabetz, Generaldirektor des ORF, (dpa / APA / GEORG HOCHMUTH )
Bettina Schmieding: Heute Abend lässt sich beim Spiel Dortmund gegen Tottenham Hotspur besichtigen - vorausgesetzt, man ist Pay-TV-Kunde - dass Fußball beim Kicken vielleicht noch, aber beim Gucken schon längst kein Volkssport mehr ist. In Wien sind wir jetzt mit Alexander Wrabetz, dem Generaldirektor des ORF, verbunden. Wie ist das in Österreich? Guten Tag, Herr Wrabetz! Gibt es da die Champions League bei Ihnen im ORF-Programm, also frei empfangbar?
Alexander Wrabetz: Guten Tag! Nein, seit der heurigen Saison auch nicht mehr, es ist leider hinter einer Pay-Schranke verschwunden, die Champions League.
"Die Diskussion ist eine, die uns natürlich auch beunruhigt"
Schmieding: Also genau wie in Deutschland. Wir haben eben den ORF-Journalisten Armin Wolf gehört, der beklagt, dass die Politik der rechtskonservativen Regierung in Österreich versucht, auf den Rundfunk des Landes Einfluss zu nehmen. Zurzeit arbeiten die Regierungsparteien ÖFP und FPÖ an einem neuen Gesetz für den ORF. Was hören Sie, was könnte da ein Bezug auf die Finanzierung des ORF, der sich ja zurzeit vor allem aus Rundfunkgebühren finanziert, drin stehen?
Wrabetz: Na ja, das ist eine Diskussion, die noch nicht abgeschlossen ist, auch in der Regierung noch nicht abgeschlossen ist. Aber es steht im Raum, insbesondere auf Forderung der FPÖ, das Gebühren- oder Beitragsfinanzierungssystem abzuschaffen und den ORF in Zukunft aus dem Budget zu finanzieren. Diese Diskussion ist eine, die uns natürlich auch beunruhigt, weil wir glauben, dass die Beitragsfinanzierung durch drei Millionen Gebührenhaushalte eine größere Unabhängigkeit ist, als wenn man jedes Jahr zum Finanzminister um ein Budget einkommen muss.
Wrabetz erwartet bei Budgetfinanzierung Einnahmenreduktionen
Schmieding: Der öffentlich-rechtliche Rundfunk in Dänemark zum Beispiel, auch der in Spanien wird durch die Staatshaushalte ja finanziert. Die dänische Regierung hat dem Rundfunk aufgetragen, sich auf Inhalte zu konzentrieren, die die privaten Sender nicht anbieten. Das klingt doch eigentlich vernünftig, oder? Wäre das ein Modell für den ORF?
Wrabetz: Das wäre kein Modell für den ORF. In den allermeisten EU-Staaten und demokratischen Staaten gibt es eine Form von Beitragsfinanzierung, ob es die Licence wie bei der BBC oder die Haushaltsabgabe in Deutschland ist oder auch bei uns eben das Rundfunkentgelt, und das hat sich bewährt. Das ist demokratisch, das ist solidarisch, weil es auch entsprechende Befreiungen gibt, und das soll und kann leicht eine ausreichende Finanzierung sicherstellen, weil in all den Ländern, wo man umgestellt hat von der erfolgreichen Beitragsfinanzierung auf Budgetfinanzierung sind ja substanzielle Einnahmenreduktionen verbunden gewesen, in Dänemark um 20 Prozent, in Holland um in Summe an die 40 Prozent und in Spanien waren es auch ganz erhebliche Beträge.
Das heißt, es geht meistens eine substanzielle Schwächung des Öffentlich-Rechtlichen einher mit der Umstellung auf Budgetfinanzierung. Und in Dänemark zum Beispiel, weil Sie das angesprochen haben, führt das dazu, dass natürlich vor allem auch Angebote, die der Vielfalt … im Radiobereich Features, im Fernsehbereich Dokumentationen, solche Angebote zurückgenommen werden in der Realität und hunderte Journalisten und Journalistinnen ihren Job verloren haben.
"ORF von über 80 Prozent der Bevölkerung unterstützt"
Schmieding: Es gibt ja auch die Fälle in Europa, dass dann die Rundfunkgebühren erhalten bleiben und es trotzdem massiv zu Sparmaßnahmen kommt. Gestern jährte sich ja die "No Billag"-Abstimmung in der Schweiz zum ersten Mal, der öffentlich-rechtliche Rundfunk dort wurde durch das Ergebnis einer Volksabstimmung wider Erwarten sehr stark gestützt und muss jetzt trotzdem stark sparen. Sie können sich auch eine Volksabstimmung über den ORF vorstellen. Was soll die bringen?
Wrabetz: Ich habe nur gemeint, der ORF wird nach unseren Umfragen ähnlich wie die SRG in der Schweiz von über 80 Prozent der Bevölkerung unterstützt. Wenn also die Regierung, was ich hoffe, dass sie nicht tun wird, hergehen würde und sagen würde, sie möchte den ORF filetieren, in seiner Substanz erschüttern und seine Angebote schwächen oder gar vom Markt nehmen, von den Zuschauern fernhalten, dann müsste man davor die Bevölkerung befragen und dann wäre ich zuversichtlich, dass das für den ORF und seine Angebote ausgehen würde.
Heißt nicht, dass ich mir das wünsche, sondern ich hoffe, dass die Regierung einen vernünftigen Gesetzesvorschlag machen wird, der eine ausreichende, aber eben auch staatsferne oder budgetferne Finanzierung vorsieht.
Schmieding: Im Mai sind Europawahlen. Ist der ORF in gewisser Weise zwischen die Fronten der rechtskonservativen Koalition in Wien geraten, also zum Politikum geworden?
Wrabetz: Sehen wir momentan eigentlich gar nicht so sehr im Fokus, da geht es in der innenpolitischen Diskussion eher um anderes. Aber natürlich wissen wir, dass im Hintergrund für nach der EU-Wahl – vor der EU-Wahl wird man das sicher nicht tun – ein Gesetzesvorschlag vorbereitet wird. Und da tut eine öffentliche Diskussion darüber gut, weil ich glaube, die Österreicher haben ein Recht darauf, auch in etwa zu wissen, in welche Richtung es mit ihrem ORF gehen soll.
Schmieding: Alexander Wrabetz ist Generaldirektor des österreichischen Rundfunks ORF. Ich danke sehr für das Gespräch!
Wrabetz: Danke auch.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.