Organspende
Was die erweiterte Zustimmungslösung bedeutet

Angesichts Tausender Menschen auf den Wartelisten will die Politik in Deutschland mehr Organspenden möglich machen. Die Einführung einer Widerspruchsregelung hat der Bundestag abgelehnt. Stattdessen halten die Abgeordneten am Prinzip der Zustimmung fest, stimmten aber für Modifizierungen.

    Ein Fragezeichen und ein Ausrufezeichen, die aus Organspendeausweisen gebildet werden
    Wer einen Organspendeausweis hat, dokumentiert damit eindeutig seinen Willen zur Organspende. Es gibt aber auch andere Möglichkeiten. (ZB)
    Der Gesetzentwurf von Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) und SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach, wonach jeder Bürger im Falle eines Hirntodes als potenzieller Organspender eingestuft wird, solange er nicht widersprochen hat, ist vom Bundestag abgelehnt worden.
    Montgomery (Bundesärztekammer) zur Organspende - "Wir brauchen vor allem die Überzeugung der Menschen"
    Die logistischen und administrativen Probleme rund um die Transplantation von Organen in Deutschland ließen sich lösen, sagte Frank Ulrich Montgomery, Ehrenpräsident der Bundesärztekammer, im Dlf. Wenn aber die Menschen beim Thema Organspende nicht überzeugt seien, bringe das alles nichts.
    Die Abgeordneten entschieden dennoch, das Verfahren der Organspende neu zu regeln und votierten für die sogenannte erweiterte Zustimmungsregelung, die ebenfalls zur Abstimmung stand.
    Hermann Gröhe (CDU) spricht im Bundestag
    Ex-Gesundheitsminister Gröhe (CDU) - "Widerspruchslösung gleich mehr Organe stimmt nicht"
    Hermann Gröhe (CDU) bezweifelt, dass durch eine Widerspruchslösung mehr Organe gespendet würden. Wichtiger sei, die Identifizierung potentieller Spender zu verbessern, sagte er im Dlf.
    Die Zustimmungsregelung sieht vor, dass die Organspende eine bewusste und freiwillige Entscheidung bleibt, die nicht durch den Staat erzwungen werden darf. Demnach sollen nur dem Menschen Organe entnommen werden dürfen, der zu Lebzeiten explizit eingewilligt hat. Schweigen dürfe nicht als Zustimmung gewertet werden, argumentierten die Befürworter dieses Modells.
    Der entsprechende Gesetzentwurf, der unter anderem von der Grünen-Vorsitzenden Annalena Baerbock und dem ehemaligen Gesundheitsminister Herman Gröhe (CDU) vorgelegt wurde, setzt auf verstärkte Aufklärung und Information, um die Spendenbereitschaft zu stärken: So sollen Ärzte ihre Patienten und Bürgerämter die Bürger bei der Beantragung von Ausweisdokumenten auf die Organspende ansprechen.
    Karin Maag (CDU)
    "Organspende muss eine freiwillige Entscheidung bleiben"
    Otto Fricke (FDP)
    "Man kann einen Bürger nicht zu einer bestimmten Entscheidung zwingen"
    Die Erklärung zur Organspendenbereitschaft soll in einem Online-Register gespeichert werden, geführt vom Deutschen Institut für Medizinische Dokumentation und Information. Dort soll das erfasst werden, was derzeit im Organspendeausweis steht: Zustimmung, Ablehnung, Ausschluss oder Auswahl bestimmter Organe und Gewebe sowie Übertragung der Entscheidung auf eine dritte Person. Zu dem Online-Register soll es mehrere Zugangsmöglichkeiten geben, unter anderem ein persönlicher Online-Zugang – etwa mit geschützten Pin- und Tan-Nummern.
    Ist der Wille des Verstorbenen nicht im Online-Register oder in anderer Form hinterlegt, müssen die Ärzte die nächsten Angehörigen fragen.
    Die erweiterte Zustimmungsregelung in Kürze:

    - Organentnahme nur möglich, wenn der Spender zu Lebzeiten ausdrücklich zugestimmt hat

    - Bürger sollen aber künftig verstärkt auf Organspende angesprochen werden (bei Arztbesuchen oder Behördengängen)

    - In einem Online-Register soll jeder Bürger seine Haltung zur Organspende dokumentieren und jederzeit ändern können
    Vorraussetzung für Organspende
    Damit die Organe für eine Transplantation entnommen werden können, muss in Deutschland der Hirntod zweifelsfrei feststehen. Das heißt, der unwiderrufbare Ausfall der Gesamtfunktion des Großhirns, des Kleinhirns und des Hirnstamms. Das müssen zwei Ärzte unabhängig voneinander überprüfen. Kritikern reicht auch das nicht aus. Sie verweisen auf körperliche Reaktionen von Hirntoten und Unklarheit darüber, ob diese bei der Organentnahme Schmerzen empfinden.
    Ein Styropor-Behälter zum Transport von zur Transplantation vorgesehenen Organen wird am Eingang eines OP-Saales vorbei getragen. 
    Schweigen als Zustimmung und das umstrittene Konzept des Hirntods
    Nur 36 Prozent der Deutschen besitzen einen Organspendeausweis. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) will deshalb die Widerspruchslösung einführen, doch der Entwurf ist umstritten.
    Widerspruchsregelung
    Mit der von Gesundheitsminister Jens Spahn vorgeschlagegenen und und vom Bundestag abgelehnten Widerspruchslösung wäre rechtlich jeder Bürger im Falle eines Hirntods als potentieller Organ- oder Gewebespender eingestuft - wenn er dem zu Lebzeiten nicht ausdrücklich schriftlich widersprochen hat. Schweigen wäre demnach als Zustimmung gedeutet worden. Ein Widerspruch hätte in einem zentralen Register hinterlegt werden. Vor einer möglichen Organentnahme wären die verantwortlichen Ärzte verpflichtet, das Widerspruchsregister zu prüfen.
    Zu wenige Spender in Deutschland
    In Deutschland warten mehr als 9.000 schwerstkranke Patienten auf ein neues Organ. Alljährlich verschlechtert sich bei mehr als 1.000 dieser Patienten auf den Wartelisten der Gesundheitszustand so sehr, dass entweder keine Transplantation mehr möglich ist – oder sie sogar sterben. Nach Angaben der Deutschen Stiftung Organtransplantation sterben statistisch gesehen täglich drei schwer kranke Patienten, weil für sie nicht rechtzeitig ein passendes Organ verfügbar ist.
    Organspende
    Nur wenige Deutsche spenden
    Seit Jahren verharrt die Zahl der Organspender in Deutschland auf niedrigem Niveau. Im vergangenen Jahr waren es nach Angaben der Deutschen Stiftung Organtransplantation (DSO) 932 - das sind 23 weniger als 2018. Mit einer Quote von 11,2 Spendern pro eine Millionen Einwohner gehört Deutschland damit im europäischen Vergleich zu den Schlusslichtern. Nach Angaben der DSO ist die Spenderquote nur in der Türkei (7,5) und in Bulgarien (4,1) noch schlechter. Spendenspitzenreiter sind die Spanier mit einer Spenderquote von fast 50 Prozent.