Ein trauriger Tiefstand sei bei der Organspende erreicht, sagte Gesundheitsminister Jens Spahn, nachdem das Kabinett am frühen Morgen seinen Gesetzentwurf verabschiedet hatte. Dabei sprach er von weniger als 800 Spendern im vergangenen Jahr und zeitgleich knapp 10.000 verzweifelten Menschen in Deutschland, die auf ein Spenderorgan warten: "Deswegen müssen wir alles unternehmen, um zu mehr Organspenden in Deutschland zu kommen. Mit dem Gesetz wollen wir insbesondere die Abläufe in den Krankenhäusern verbessern. Es geht um mehr Zeit und mehr Geld für die Organspende, für die Organisation in den Krankenhäusern."
Organspendepraxis soll strukturell reformiert werden
Der Entwurf muss noch im Bundestag beraten werden und soll voraussichtlich in der ersten Jahreshälfte 2019 in Kraft treten. Experten sagen immer wieder, dass der Rückgang bei den Spenderzahlen nicht unbedingt an einer abnehmenden Spendebereitschaft der Bevölkerung liege. Sie machen eher strukturelle und organisatorische Schwachstellen in den Kliniken als Hauptgrund aus. Konkret setzt der Entwurf von Gesundheitsminister Spahn daher an zwei Dingen an: "Zum einen sollen die Krankenhäuser, die Organe entnehmen, besser vergütet werden. Damit nicht die finanziell bestraft sind, die sich um Organspende kümmern."
Dem Entwurf zufolge sollen die Kliniken einen Anspruch auf eine pauschale Abgeltung für die Leistungen erhalten, die sie im Rahmen des Organspende-Prozesses erbringen. Sie sollen außerdem einen Zuschlag als Ausgleich dafür erhalten, dass ihre Infrastruktur im Rahmen der Organspende in besonderem Maße in Anspruch genommen wird. Derzeit erhalten die Krankenhäuser für eine einfache Organentnahme knapp 4.000 Euro – dieser Betrag soll verdoppelt werden.
Gesundheitsminister will mehr Zeit für sensible Gespräche
Spahn will außerdem erreichen, dass die Organe künftig auch in kleineren Krankenhäusern entnommen werden können. Dafür sollen den Kliniken künftig mobile Ärzteteams zur Seite stehen, um die medizinischen Voraussetzungen für Entnahmen festzustellen. "Und zum zweiten wollen wir Transplantationsbeauftragte in den Kliniken freistellen, die Zeit haben, Organspender zu identifizieren, die Zeit haben, die oft ja auch sehr schwierigen Gespräche mit den Angehörigen in der konkreten Situation zu führen. Auch dafür wird es zusätzlich Geld und zusätzlich Ressourcen geben."
Zur Finanzierung der Transplantationsbeauftragten steht von den Gesetzlichen Krankenversicherungen derzeit ein jährlicher Gesamtbetrag von 18 Millionen Euro zur Verfügung. Dieser soll auf 42 Millionen Euro steigen. Außerdem soll die Rolle der Transplantationsbeauftragten generell gestärkt werden, indem ihnen auch eine uneingeschränkte Einsicht in die Patientenakten zur Auswertung des Spenderpotenzials gewährt wird. Vor Eingriffen in den Patientenschutz und in die Bürgerrechte schwerstkranker Menschen hatte zuvor bereits Eugen Brysch, Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, gewarnt. Es sei nicht zu akzeptieren, wenn Transplantationsbeauftragte der Kliniken schon vor Feststellen des Hirntodes uneingeschränkt Einsicht in Patientenakten nehmen dürften, hatte er gewarnt. Kirsten Kappert-Gonther, gesundheitspolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion im Bundestag, begrüßte den Gesetzentwurf generell. Zugleich kritisierte sie jedoch, dass er kein zentrales Register für Organspende-Erklärungen vorsehe.
Widerspruchsregelung bleibt dennoch umstrittener Punkt
Unabhängig von dem heute verabschiedeten Entwurf tritt Spahn für die Einführung einer doppelten Widerspruchslösung ein: Demnach soll jeder als Spender gelten, wenn er oder Angehörige nicht ausdrücklich widersprechen. Bislang ist eine explizite Zustimmung erforderlich. Über eine solche Neuregelung soll der Bundestag aber erst zu einem späteren Zeitpunkt beraten. In der vergangenen Woche hatte sich im Bundestag jedoch bereits fraktionsübergreifend Widerstand gegen die Widerspruchslösung formiert. Die verschiedenen Parlamentarier sehen in der Widerspruchsregelung einen unzulässigen Eingriff in das Selbstbestimmungsrecht.