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Transplantationsmedizin
Schweizer Erfindung verlängert Verfügbarkeit von Spenderorganen

Perfusionsmaschine nennt das Schweizer Forschungsteam seine Entwicklung, die mehr lebenswichtige Organtransplantationen möglich machen könnte. Denn in der Maschine können Spenderorgane nicht nur mehrere Tage aufbewahrt, sondern offenbar auch deren Qualität verbessert werden.

von Veronika Reinhold |
Der Bote trägt grüne Hosen, einen grünen Kittel und eine Haube. Er bringt den weißen Behälter, der über seine Schulter hängt, zu einem Transporter mit der Aufschrift "Organtransport".
Bisher muss alles bei der Transplantation eines Organs sehr schnell gehen. Mit der Schweizer Erfindung soll mehr Zeit bleiben. (Soeren Stache / dpa)
Die Warteliste für Organe ist lang. Zu wenige werden gespendet. Auf eine Million Menschen in Deutschland kommen bundesweit nur knapp elf Organspender. Mit der Folge, dass diejenigen, die auf ein Spenderorgan angewiesen sind, oft Monate oder sogar Jahre darauf warten müssen. Mit einer sogenannten Perfusionsmaschine, wie sie Max Hefti gemeinsam mit einem Team entwickelt hat, ließe sich das künftig vielleicht ändern.
Der Molekularbiologe ist technischer Leiter am Liver4Life-Projekt an der Universität Zürich. Und seine Perfusionsmaschine hat bereits einem Patienten das Leben gerettet. Mit Zeit. Indem eine gespendete Leber nicht nur zwölf Stunden lang erhalten werden konnte, sondern ganze drei Tage bis zur Transplantation. "Mit unserer Maschine kann man die Leber bis zu zehn Tage oder auch mehr erhalten. Bis dato war das nicht möglich. Das längste, was wir gefunden haben, waren zwei bis drei Tage, aber dann auch nicht mit einer anschließenden Transplantation in den Menschen, sondern da wurde dann das Organ nicht weiterverwendet."

Maschine ahmt menschlichen Körper nach

Für die Transplantationsmedizin ist das ein wichtiger Fortschritt. Denn gespendete Herzen, Nieren, Lebern und Co. müssen teils über weite Strecken transportiert werden, bevor sie in den Körper der Empfängerinnen und Empfänger eingepflanzt werden können. Bislang liegen die Organe dabei größtenteils auf Eis, erklärt Max Hefti: "Das ist immer noch der Standard, und jedes Organ wird runtergekühlt vor der Transplantation. Und dadurch verlängert sich die Haltbarkeit des Organs."
Züricher Wissenschaftler schließen eine Spenderleber im Reinraum an ihre neu entwickelte Perfusionsmaschine an.
Die Züricher Wissenschaftler schließen die Spenderleber im Reinraum an ihre neu entwickelte Perfusionsmaschine an. (NICO WICK, USZ)
Doch diese Haltbarkeit hat Grenzen. Wenn Organe nicht mit Sauerstoff versorgt werden, nehmen sie Schaden. Der menschliche Körper ist die beste Umgebung, die ein Organ haben kann. Die Perfusionsmaschine versucht deshalb, unseren Organismus möglichst präzise nachzuahmen. Eine Pumpe versorgt den Kreislauf mit Blut, ein Oxygenerator liefert anstelle der Lungen Sauerstoff und Dialyse-Module ersetzen die Nieren, um nur einige der Funktionen zu nennen.

Test mit Spenderleber erfolgreich

In dieses künstliche Versorgungssystem setzten Max Hefti und das Forschungsteam auch die Spenderleber ein. Und während Organe auf Eis mit jeder Stunde an Qualität verlieren, war die Leber im Perfusionsgerät nach drei Tagen sogar in einem besseren Zustand als davor. Wie ist das möglich? "Das hatte zwei konkrete Gründe. Das eine war, die Leber hatte eine Infektion, und der zweite Grund war, dass die Leber selber einen Tumor beherbergt. Und aufgrund dessen wurde auch die Leber ursprünglich mal abgelehnt von allen Zentren in der Schweiz. Und wir haben dann aber versucht, diese Leber aufzubereiten, auf unserer Maschine, indem wir zwei Sachen gemacht haben."
Über das Perfusionsgerät kann die Leber mit Antibiotika und Medikamenten versorgt werden. Die Infektion ist bald geheilt. Aber längere Untersuchungen sind notwendig, um das Ausmaß des festgestellten Tumors zu überprüfen. "Man wollte sicher sein, dass das kein bösartiger Tumor ist, weil man offensichtlich keine Leber mit einem bösartigen Tumor irgendeinem Patienten transplantieren will."
Nach vielen Untersuchungen stand fest, dass die Leber trotz Tumor für eine Transplantation geeignet ist. Der Regelfall ist das nicht, aber der Patient stimmte dem Versuch zu. Anstatt sofort mit der Transplantation zu beginnen, vergingen allerdings noch weitere zwei Tage. Max Hefti und das Team beobachteten während dieser Zeit anhand von Biomarkern, wie sich der Zustand der Leber allmählich verbesserte und ein stabiles Niveau erreichte.
"Aber es war in insofern kein Wettlauf gegen die Zeit, weil wir wissen, dass unsere Maschine eben bis zu fünf oder sieben Tage die Leber erhalten kann. Das ist heute eben gerade bei der Standardmethode ein Problem, weil man nur ein paar Stunden zur Verfügung hat. Wenn es ein gutes Organ ist, reicht es auch. Bei so schlechteren Organen kann das teilweise dann limitierend sein."

Ziel: Aufbewahrungsdauer von bis zwei Wochen

Die Aufbewahrungsdauer ließe sich wohl noch weiter verlängern, doch Max Hefti hält es für unnötig, eine Leber oder andere Spenderorgane ein oder gar zwei Wochen an das Perfusionsgerät anzuschließen. So lange wie nötig und so schnell wie möglich, das sei die Philosophie, sagt er. "Meiner Ansicht nach wird es nicht der neue Standard, aber es koexistiert mit der traditionellen Lagerung der Organe. Die beste Situation ist, wenn man für die Organe, für die es sich lohnt, eine Perfusion durchzuführen, dass auch machen kann und für Organe, wo man sich ziemlich sicher ist, dass eine Eislagerung ausreicht, dass man die dann auch nachher direkt transplantiert. Ich denke, das ist die beste Situation für die Patienten."