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Orgelbau
Der Pilz in den Pfeifen

Orgelreinigung ist das Spezialgebiet der Orgelwerkstätten Willi Peter, und es ist viel zu tun. Denn Klimawandel und die Dämmung der Kirchen schaffen ein günstiges Klima für Schimmel. Die Sporen stören nicht nur den Klang, sie sind auch gefährlich.

Von Mirko Smiljanic |
    Blick auf die Silbermann-Orgel im Dom Freiberg (Sachsen), aufgenommen am 30.04.2014.
    Noch hustet der Engel nicht. Wenn aber die Sporen kommen, muss die Orgel gereinigt werden. (picture alliance / dpa / Hendrik Schmidt)
    Zwölf Uhr mittags im rheinland-pfälzischen Oberwambach. Wie fast jeden Tag sitzt Sven Hellinghausen, Organist der evangelischen Kirche, an der Orgel und probt für den Gottesdienst. Wunderschöne Musik des venezianischen Komponisten Tomaso Albinoni, die auch auf der vergleichsweise kleinen schwedischen Orgel den Kirchenraum mit vollem Volumen ausfüllt. Genauer: noch ausfüllt. Denn das 1979 gebaute Musikinstrument hat ein Problem: Schimmelpilze haben sich im Innern festgesetzt.
    Vorsichtig öffnet Christoph Böttcher, Geschäftsführer der zurate gezogenen Kölner "Orgelbauwerkstätten Willi Peter", das Musikinstrument und zeigt auf die Windlade: "Das ist in diesem Fall so ein heller Sporenstaub, der da drauf liegt, das ist aber kein Baustaub, und wenn man so richtig schaut, erkennt man auch wieder so eine pustelartige Anordnung, das bedeutet, auch hier fängt der Schimmel an zu wachsen."
    Der ideale Lebensraum von Schimmelpilzen ist feucht und dunkel! Und genau diese Bedingungen finden sie zunehmen in Kirchenorgeln. Etwa jedes dritte Instrument sei mittlerweile betroffen, schätzen Sachverständige, die bei fortgeschrittenem Befall wie in Oberwambach nur eine Lösung des Problems kennen: Das Instrument muss von Grund auf gereinigt werden. Teilweise in der Kirche, teilweise aber auch in der Werkstatt, die sich beim "Orgelbau Willi Peter GmbH & Co. KG" auf 4.500 Quadratmetern hinter der Fassade eines gutbürgerlichen Wohnhauses am Kölner Rheinufer erstreckt.
    Pfeife für Pfeife testet Mitgeschäftsführer Thomas Kötschau, wirklich gut klingen sie nicht: "So eine Pfeife hat eine Funktion wie eine Blockflöte, und ab dieser Kernspalte kommt ein Windband raus, und das ist ein so enges Windband, da können Sie im Grunde genommen – zum Verständnis – wie eine Briefmarke, die kriegen Sie gerade darein, so schmal ist das, und wenn sich da Pilzsporen festsetzen, dann wird der Ton viel, viel leiser und die ganze Pfeife wird auch im Klang beeinflusst."
    Bessere Bedingungen für Pilze
    Die Zahl der von Pilzen befallenen Orgeln ist in den letzten Jahren dramatisch nach oben geklettert. Die Gründe für diese Entwicklung sind gleich an mehreren Stellen zu suchen. Der Klimawandel sei schuld, sagen einige, es wird wärmer und feuchter, ideale Bedingungen für Schimmelpilze. Außerdem wurden viele Kirchen gedämmt, um die hohen Heizkosten zu reduzieren. "Früher gab es Durchzug in den Kirchen, weil die Fenster nicht so dicht gewesen sind, das finden heute alles nicht mehr statt, und die Lebensbedingungen für Schimmelpilze haben sich dadurch extrem verbessert."
    Ist eine Orgel von Pilzen befallen, muss sie rasch gereinigt werden. Nicht nur, um die Ohren der Kirchgänger zu schonen, wichtig ist auch die Gesundheit aller, die während des Orgelspiels in der Kirche sind: Sie atmen die Pilzsporen ein, die sich im Raum sammeln. Für eine effektive Reinigung bestimmen die Orgelbauer zunächst die Art des Pilzes, der das Musikinstrument befallen hat. Erst jetzt legen sie die Reinigungsmethode fest: "Es gibt so Wasserstoffperoxid-Sachen, dann müssen die einzelnen Teile dann noch möglichst UV-Licht ausgesetzt werden, damit dieser Schimmelpilz abstirbt."
    Zwei Jahre Vorlauf
    Egal welche Methode zum Einsatz kommt, die Orgel wird komplett demontiert. Das ist langwierig und teuer. Die Reinigung kleiner Orgeln kostet schon mal 10.000 Euro, bei großen Orgeln geht es rasch über die 100.000-Euro-Grenze – eine immense Kostenlawine, die da auf Kirchen zurollt – was für Orgelbauer allerdings ein wichtiges Auftragspolster ist. Neue Orgeln geben Gemeinden kaum noch in Auftrag, die "Orgelwerkstätten Willi Peter" leben weitgehend von der Restaurierung und Reinigung alter Instrumente: "Heute ist man schon gut beschäftigt, wenn man eine Vorlaufzeit von ein bis zwei Jahren hat im Orgelbau. Früher hätten die Orgelbauer graue Haare bekommen, da lagen die Vorlaufzeiten bei vier, fünf oder mehr Jahren."
    Zwölf Mitarbeiter hat der Kölner Betrieb, den der 1978 verstorbene Willi Peter nach dem Zweiten Weltkrieg gegründet hat. Umsatzahlen gibt die heutige GmbH & Co. KG nicht bekannt, man sei aber stolz darauf, sagt Christoph Böttcher, Lehrlinge auszubilden: "Wir haben zurzeit fünf Azubis, das reduziert sich von Jahr zu Jahr natürlich. Es kommt auch immer darauf an, ob man geeignete Azubis findet. Das ist im Orgelbau nicht ganz einfach, weil wir von den Azubis fordern, dass sie eine sehr starke Affinität zum Orgelbau mitbringen."
    Mittlerweile stimmt Orgelbaugeselle Thomas Hildner die ersten gereinigten Orgelpfeifen aus Oberwambach: "Ja, das Cis, würde ich sagen, wäre soweit fertig, das würde jetzt mit den anderen Pfeifen in die Kiste verpackt und in der Kirche in die Orgel eingebaut, um da weiter ausprobiert zu werden."