Das Leben der Kleopatra, kein Zweifel, gehört zu den Themen, die so gut wie alle Welt fortdauernd interessieren: diese Mischung aus höchst gerühmter menschlicher Schönheit, Kurtisanen- und Machtinstinkt sowie kleineren oder größeren Verwerflichkeiten der besonderen Delikatesse. Tja.
Das Libretto von Louis Payen (alias Albert Liénard) und Henri Cain konzentriert sich auf den vierten und letzten Abschnitt des Liebeslebens und der politischen Intrigen der ägyptischen Königin - sattsam bekannt aus Film und Fernsehen. Von 41 v.Chr. bis zum Tod im Jahr 30 war sie in mehr oder minder fester Form mit dem römischen Militärmachthaber Marcus Antonius verbunden - in der Oper wird er als siegreicher Feldherr in Kleinasien vorgestellt, der den Gedanken einer möglichen Verbindung mit der Pharaonin, der ihm souffliert wird, weit von sich weist (er will nicht in die Fußstapfen des gerade ermordeten Caesar treten). Doch alsbald erliegt der Triumvir dem Zauber und Reiz des schönen Schnäuzchens und wird Partner dieser Ratte der Weltgeschichte. Das alles erscheint nun transformiert in eine Oper aus dem Geist des Fin de Siècle: Béatrice Uria-Monzon wirkt in der Titelpartie solide und in den tieferen Lagen auch überzeugend, verfügt aber nicht über brillante Höhen und jene schauspielerische Aura, die einer Kleopatra nicht schlecht zu Gesicht steht. Jean-François Lapointe, ein stimmgewaltiger Bariton, erscheint als wuchtiger Feldherr und Liebhaber auf den Schauplätzen der Weltgeschichte.
Der orientalischen Welt der erotischen Dynamik und wechselnden exotischen Schauplätze stellt sich die in Stein sedimentierte Machtzentrale des römischen Weltreichs gegenüber - Marc Anton erscheint im Senat und an der Tür des Brautgemachs, in dem er eigentlich Octavia beglücken sollte, die Schwester des nachmaligen Kaisers Augustus; er tritt aber vom Vorsatz zurück, weil ihm die heiße Cleopatra nicht aus dem Sinn kommt. Dann Gegenschnitt zu dieser Welt der Schönen und Reichen: das Alltagsleben der multikulturellen Gesellschaft an den Gestaden des Mittelmeers, wie es bereits in Flauberts "Salammbô" und mit Ernest Reyers gleichnamiger Oper rekonstruiert worden war. In diesem Unterland des dampfenden halb nackten Fleisches, der leiblichen Genüsse aller Arten und vornan des exzessiven Tanzes amüsiert sich Cleopatra inkognito, ohne in der Inszenierung von Charles Rouboud die Merkmale einer raubtierhaften Grausamkeit an den Tag zu legen. Generell hält es der Regisseur mit abgeschwächter Kostümfilmästhetik.
Die Rezeptionsgeschichte von Jules Massenets letzter Oper bricht nach der Uraufführung (1914 in Monte Carlo) ab. Das hängt offensichtlich mit dem Ersten Weltkrieg zusammen und dessen Folgen. Nach dem Desaster 1914/18 und den revolutionären Umbrüchen in den meisten europäischen Ländern war der erotisch aufgeladenen, exotisch luxurierenden Grand Opéra weithin der Boden entzogen. Das Interesse fokussierte sich auf neue Themen und theatrale Modelle. Und mit "Werther", "Manon" sowie "Cendrillon" war man eben ausreichend mit Massenets Kunst bedient. Wenn nun nach 99 Jahren die in spätbürgerliche Musik gehüllte "Cléopâtre" wieder stolz das Haupt erhebt, dann schließt sich für die auf Vielfalt hinsichtlich Gegenwart und Vergangenheit erpichten Ohren und Augen eine Lücke, die man als solche bislang gar nicht wahrgenommen hat. Die letzte Arbeit des bereits schwer von einer Krebserkrankung gezeichneten Massenet ist ein respektables, aber kein sensationelles Werk. Es wird handwerklich gediegen aufgeführt in Marseille - und wird vielleicht in einiger Zeit anderswo nochmals "wiederentdeckt" werden. Womöglich dann mit einer etwas elastischer und emphatischer musizierten Tonspur und mit einer Inszenierung, die die bereits zu deren Lebzeiten einsetzende Inszenierungsgeschichte der Kleopatra ironisch und witzig aufgreift. Weil das kulturelle Gedächtnis ja nicht nur die einzelnen Perlen liebt, sondern auch die Konfiguration der Geschmeide.
Das Libretto von Louis Payen (alias Albert Liénard) und Henri Cain konzentriert sich auf den vierten und letzten Abschnitt des Liebeslebens und der politischen Intrigen der ägyptischen Königin - sattsam bekannt aus Film und Fernsehen. Von 41 v.Chr. bis zum Tod im Jahr 30 war sie in mehr oder minder fester Form mit dem römischen Militärmachthaber Marcus Antonius verbunden - in der Oper wird er als siegreicher Feldherr in Kleinasien vorgestellt, der den Gedanken einer möglichen Verbindung mit der Pharaonin, der ihm souffliert wird, weit von sich weist (er will nicht in die Fußstapfen des gerade ermordeten Caesar treten). Doch alsbald erliegt der Triumvir dem Zauber und Reiz des schönen Schnäuzchens und wird Partner dieser Ratte der Weltgeschichte. Das alles erscheint nun transformiert in eine Oper aus dem Geist des Fin de Siècle: Béatrice Uria-Monzon wirkt in der Titelpartie solide und in den tieferen Lagen auch überzeugend, verfügt aber nicht über brillante Höhen und jene schauspielerische Aura, die einer Kleopatra nicht schlecht zu Gesicht steht. Jean-François Lapointe, ein stimmgewaltiger Bariton, erscheint als wuchtiger Feldherr und Liebhaber auf den Schauplätzen der Weltgeschichte.
Der orientalischen Welt der erotischen Dynamik und wechselnden exotischen Schauplätze stellt sich die in Stein sedimentierte Machtzentrale des römischen Weltreichs gegenüber - Marc Anton erscheint im Senat und an der Tür des Brautgemachs, in dem er eigentlich Octavia beglücken sollte, die Schwester des nachmaligen Kaisers Augustus; er tritt aber vom Vorsatz zurück, weil ihm die heiße Cleopatra nicht aus dem Sinn kommt. Dann Gegenschnitt zu dieser Welt der Schönen und Reichen: das Alltagsleben der multikulturellen Gesellschaft an den Gestaden des Mittelmeers, wie es bereits in Flauberts "Salammbô" und mit Ernest Reyers gleichnamiger Oper rekonstruiert worden war. In diesem Unterland des dampfenden halb nackten Fleisches, der leiblichen Genüsse aller Arten und vornan des exzessiven Tanzes amüsiert sich Cleopatra inkognito, ohne in der Inszenierung von Charles Rouboud die Merkmale einer raubtierhaften Grausamkeit an den Tag zu legen. Generell hält es der Regisseur mit abgeschwächter Kostümfilmästhetik.
Die Rezeptionsgeschichte von Jules Massenets letzter Oper bricht nach der Uraufführung (1914 in Monte Carlo) ab. Das hängt offensichtlich mit dem Ersten Weltkrieg zusammen und dessen Folgen. Nach dem Desaster 1914/18 und den revolutionären Umbrüchen in den meisten europäischen Ländern war der erotisch aufgeladenen, exotisch luxurierenden Grand Opéra weithin der Boden entzogen. Das Interesse fokussierte sich auf neue Themen und theatrale Modelle. Und mit "Werther", "Manon" sowie "Cendrillon" war man eben ausreichend mit Massenets Kunst bedient. Wenn nun nach 99 Jahren die in spätbürgerliche Musik gehüllte "Cléopâtre" wieder stolz das Haupt erhebt, dann schließt sich für die auf Vielfalt hinsichtlich Gegenwart und Vergangenheit erpichten Ohren und Augen eine Lücke, die man als solche bislang gar nicht wahrgenommen hat. Die letzte Arbeit des bereits schwer von einer Krebserkrankung gezeichneten Massenet ist ein respektables, aber kein sensationelles Werk. Es wird handwerklich gediegen aufgeführt in Marseille - und wird vielleicht in einiger Zeit anderswo nochmals "wiederentdeckt" werden. Womöglich dann mit einer etwas elastischer und emphatischer musizierten Tonspur und mit einer Inszenierung, die die bereits zu deren Lebzeiten einsetzende Inszenierungsgeschichte der Kleopatra ironisch und witzig aufgreift. Weil das kulturelle Gedächtnis ja nicht nur die einzelnen Perlen liebt, sondern auch die Konfiguration der Geschmeide.