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Orientierung an Konstantinos Kavafis

Konstantinos Kavafis wurde vor 150 Jahren geboren, Griechenland erlebt also 2013 das Kavafis-Jahr. Und bis heute ist der Einfluss des metapher- und ausdrucksstarken Autoren auf die Literaturszene Griechenlands ungebrochen.

Von Marianthi Milona | 01.01.2013
    In einem Café im Zentrum Thessalonikis sitzt Dimitris Miggas vor einem frisch gebrauten Mokka und einem Stapel Bücher über Konstantinos Kavafis. Für den heute 60-jährigen Autor ist Kavafis Werk immer Orientierung und Leitfaden für sein eigenes literarisches Schaffen gewesen. Und er ist kein Einzelfall in griechischen Literatenkreisen.

    "Ich kann mir nicht vorstellen, dass es heute jemanden unter uns gibt, der nicht eifersüchtig auf Kavafis wäre. Ich glaube auch nicht, dass irgendjemand von uns nicht von ihm beeinflusst worden ist und sogar intensiv seinen Kopf über Kavafis gebeugt hat, um seinen Stil, seinen Ausdruck, seine Metaphern zu studieren. Wir sind immer auf der Suche, herauszufinden, wie er das gemacht hat."

    Die Kavafis-Begeisterung wird schon in der Schule gelegt. Vom fünften Schuljahr bis zum Abitur gehört der Dichter zum Lehrstoff. Wer sich dann später selbst dem Schreiben widmet, dem bietet das griechische Buchzentrum in Athen sogar eine unerschöpfliche Auswahl an Dichtern aus der ganzen Welt an, die in der, wie man sagt, Kavafschen Dichtungstradition stehen und schreiben. Dieses starke Interesse an Poesie und Prosa hat seit der griechischen Antike in Griechenland Tradition. Aber der Schriftsteller Dimitris Miggas macht es heute vor allem daran fest, dass die Auseinandersetzung mit Kavafis einfach nicht abnimmt.

    "Ich muss immer wieder feststellen, dass auch die ganz jungen Autoren sich Kavafis zu Herzen nehmen. Sie lieben ihn und lassen sich gern von ihm inspirieren. Und das, obwohl Dichten in Zeiten der Krise erst recht als brotlose Kunst gilt. Dichtung ist in Griechenland einfach wichtig. Schauen sie, nicht ohne Grund hat es uns zwei Literaturnobelpreise eingebracht. Die von Giorgos Seferis und Odysseas Elytis. Interessanterweise haben sich auch diese beiden Gelehrten Zeit ihres Lebens sehr stark mit Kavafis auseinandergesetzt."

    Kavafis Dichtung ist dramatisch, ausdrucksstark, metaphorisch. So erhält er die Spannung in seiner Erzählung aufrecht. Auch inszeniert er immerzu neue Situationen, findet einprägsame Bilder und lässt historische Personen so gelungen und aktuell über sich erzählen, dass man Gefahr läuft, zu vergessen, dass sie längst nicht mehr am Leben sind. Das Faszinierende dabei ist, dass jeder Leser etwas von Kavafis in Erinnerung behält.

    Maria Rapti, Autorin, Philologin, hat von Kavafis viel gelernt. Die 25-Jährige hat vor Kurzem ihr erstes Buch herausgebracht. 15 Kurzgeschichten, die sich mit dem Seltsamen beschäftigen. Etwas, worüber man sich in Griechenland nicht all zu oft Gedanken macht, glaubt Maria Rapti. Die junge Autorin kann sich ein Leben ohne ihr literarisches Vorbild Kavafis nicht vorstellen. Vor allem, weil er die Griechen ständig dazu auffordert, die Welt genauer zu betrachten.

    "Die Bedeutung von Geschichte durchzieht wie ein roter Faden das gesamte Werk von Kavafis. Das gilt für die historischen als auch für seine erotischen Gedichte. Für die Griechen, die Erinnerung einerseits wie einen musealen Gegenstand betrachten, andererseits sich mit Vergangenheit überhaupt nicht beschäftigen, kann die Art und Weise, wie Kavafis Geschichte in seiner Dichtung behandelt, helfen, sich heute in das Zeitgeschehen besser einzuordnen."

    Ähnlich denkt auch Aris Dimokidis. Er ist einer der erfolgreichsten griechischen Kinderbuchautoren. Mit 34 Jahren hat er bereits zwölf Bücher herausgebracht. Dimokidis fühlt sich seit seiner Schulzeit von Kavafis Sprache magisch angezogen. Er umschreibt sie als übersichtlich, würdevoll und seriös. Manchmal ist sie vielleicht auch mit einem ironischen Unterton versehen, der aber immer respektvoll, nie anmaßend wirkt.

    "Für die griechischen Autoren gilt Kavafis Werk als der heilige Gral der Dichtkunst. Sein Können hat einfach die Zeit überdauert. Er hat sogar die Dichter der 30er-Jahre überholt, die bis heute noch nicht im Ausland gelesen worden sind. Keiner von ihnen hat eine solche Fähigkeit, die menschlichen Sinne so stark zu erwecken, wie Kavafis."