Das Youtube-Video ist beeindruckend: Es zeigt eine millimeterdünne Folie, die sich - wie von Geisterhand bewegt - zu einem handtellergroßen vierbeinigen Gebilde faltet, das dann aufsteht und gemächlich davon krabbelt. Der faltbare Laufroboter, den Forscher der Universität Harvard im Sommer im Fachmagazin "Science" beschrieben, markiert einen neuen Trend bei der Entwicklung intelligenter Maschinen. Statt starrer Mechanik nutzen Forscher zunehmend weiche Werkstoffe, um die Roboter von morgen flexibler zu machen. 'Soft Robotics' heißt das Schlagwort, erklärt Professor Jamie Paik.
Die US-Amerikanerin hat im Harvard-Labor für Mikrorobotik ihren Post-Doc gemacht und die Arbeiten an dem faltbaren Vierbeiner von Beginn an verfolgt. Heute leitet sie an der Schweizer Ecole Polytechnique in Lausanne das 'Labor für konfigurierbare Roboter' und tüftelt selbst an Origami-Robotern.
"Ich nenne es 'Robogami' und ich denke: Faltbare Roboter sind perfekt, um unseren Traum von wandlungsfähigen Maschinen zu verwirklichen."
Das Ziel: weiche, verformbare Roboter schaffen
Nachgiebige Roboter, die auch in unbekannter Umgebung zurecht kommen, weil sie sich situationsangepasst verhalten – das ist die Vision.
"Das Fernziel sind weiche Roboter, die ihren Körper bei unvorhergesehenen Ereignissen automatisch so verformen, dass sie nicht kaputt gehen und ihre Aufgabe erfüllen können."
Als Ausgangsmaterial für ihre Origami-Roboter verwendet Jamie Paik folienartige Strukturen, die etwa einen Millimeter dick sind. Sie bestehen aus dreieckigen Kacheln, die über Gelenke verbunden sind.
"Zurzeit haben wir sechs mal sechs Zentimeter große Folien, bestehend aus 40 bis 50 dreieckigen Kunststoffkacheln. Die Kacheln sind starr, doch die Scharniere dazwischen sind aus weichem Material und können mit Stromimpulsen geknickt werden. Je nachdem, wie man sie ansteuert, entstehen unterschiedliche Konfigurationen. Mal bekommt der Körper einen Greifer, mal einen Arm, mal die Beine einer Laufmaschine. Egal, welche Fähigkeit gerade gefragt ist: Um sie zu erlangen, nimmt Robogami einfach die passende Form an."
Der Hollywood-Streifen 'Transformers' lässt grüßen. Nur dass die Technik längst nicht so weit ist. Noch ist Jamie Paik vor allem damit beschäftigt, robuste Gelenke und Sensoren zu entwickeln, die sich in die millimeterdünnen Strukturen einbetten lassen. Als Antrieb dienen haarfeine Filme aus Formgedächtnislegierungen. Doch das Krabbeln der ersten Prototypen wirkt noch so unbeholfen, dass sie so schnell sicher keinem konventionellen Roboter Konkurrenz machen.
Das sei aber auch gar nicht das vorrangige Ziel, so die Forscherin. Ihr schwebt vor, die verformbaren Folien mit Sensoren zu spicken, um damit filigrane Oberflächen zu vermessen. Zum Beispiel die menschliche Haut.
"Wir wollen Robogamis entwickeln, die bei der Diagnose und Therapie von Lähmungen der Gesichtszüge helfen. Die Diagnose solcher Erkrankungen ist heute sehr subjektiv: Ein Arzt schaut sich die eingeschränkte Mimik des Patienten an und klassifiziert den Grad seiner Behinderung dann auf einer Skala von 0 bis 4. Wir wollen in unsere flexiblen Folien Sensoren einbauen, die auf Druck, elektrische Felder oder Wärme reagieren – und so die Bewegung aller Gesichtsmuskeln präzise erfassen."
Feinfühlige Folien als Diagnosewerkzeug? Für Jamie Paik wäre das nur der erste Schritt. Der zweite wäre der Einsatz bei Reha-Übungen. Denn die eingebauten Aktuatoren könnten lahme Gesichtsmuskeln gezielt stimulieren. Heute machen das Physiotherapeuten mittels Massage. Künftig vielleicht einmal sensible Origami-Roboter, die den Patienten dabei unterstützen, seine Mimik zu trainieren.
Programmtipp: "Der kluge Roboter gibt nach - weiche Maschinen auf dem Vormarsch"
Sonntag, 21. Dezember, ab 16.30 Uhr im Deutschlandfunk
Hören Sie den Trailer zur Sendung: Der kluge Roboter gibt nach
Sonntag, 21. Dezember, ab 16.30 Uhr im Deutschlandfunk
Hören Sie den Trailer zur Sendung: Der kluge Roboter gibt nach