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Orkantief
Xaver nicht der "schlimmste Sturm"

Die entscheidende Zeit für die Entwicklung des Orkans wird zwischen null und drei Uhr am Freitagmorgen sein, prognostiziert Sylvin Müller-Navarra vom Bundesamt für Seeschifffahrt. In Hamburg könnte der Pegel auf drei Meter über mittlerem Hochwasser steigen.

Sylvin Müller-Navarra im Gespräch mit Friedbert Meurer |
    Friedbert Meurer: Die Menschen auf Hooge und auf den anderen Halligen und viele andere in Norddeutschland verfolgen jetzt vor allen Dingen die Meldungen, welche Pegelstände und Windstärken wo und wann erreicht werden. Im Gespräch erwähnt wurde dabei ja schon gerade das Bundesamt für Seeschifffahrt in Hamburg. Leiter des Warndienstes dort ist Sylvin Müller-Navarra. Guten Tag, Herr Müller-Navarra.
    Sylvin Müller-Navarra: Guten Tag!
    Meurer: Wo ist die Lage im Moment am heftigsten?
    Müller-Navarra: Im Moment ist es so, dass man den Höchstwasserstand für das Nachmittaghochwasser oder für das Mittaghochwasser an den ostfriesischen Inseln schon erkennt. Da ist es relativ glimpflich abgelaufen - zum Beispiel in Borkum wird ein Meter über mittlerem Hochwasser sein -, so dass wir uns mittlerweile fokussieren auf das Nachthochwasser, und das könnte in der Tat deutlich höher ausfallen. Da wäre die Lage jetzt, um das zu beschreiben: Für die ostfriesischen Inseln rechnen wir im Moment noch mit vielleicht zweieinhalb Meter über mittlerem Hochwasser, für Hamburg können auch drei erreicht werden und für die Halligen, die ja eben schon erwähnt wurden, könnte es sein, dass man sogar mit zwei Metern über mittlerem Hochwasser auskommt. In Husum allerdings sind ohne weiteres auch zweieinhalb Meter über mittlerem Hochwasser möglich, so dass dies die Spanne ganz gut beschreibt.
    Meurer: Um mal über das Szenario vielleicht in der Hansestadt Hamburg zu reden. Dort sind Sie ja im Moment gerade, Herr Müller-Navarra. Drei Meter möglicherweise über mittlerem Hochwasser in Hamburg – ich glaube, für morgen Früh besteht diese Gefahr. Was würden drei Meter bedeuten?
    Müller-Navarra: Drei Meter würden bedeuten, dass schon eine ganze Reihe von Flächen überflutet werden, dass auch Obacht gegeben werden muss, dass man bestimmte Dinge wegräumt, zum Beispiel Autos und so weiter, dass die Flutschutztore geschlossen werden. Aber das ist Aufgabe der Stadt Hamburg, das wird alles von den entsprechenden Stäben der Innenbehörde gehändelt. Da haben wir als Bundesbehörde ja nichts mit zu tun, wir geben nur die Vorhersagen und daraus werden dann schon die richtigen Schlüsse gezogen.
    Meurer: Es kommt natürlich auf den Mix an zwischen Hochwasserflut und dem Orkan. Würden Sie insgesamt sagen, Herr Müller-Navarra, da braut sich doch ein gefährlicher Mix von beidem zusammen an entscheidender Stelle?
    Müller-Navarra: Die entscheidende Zeit für die Entwicklung des Orkans ist, was die Wasserstände angeht, die Zeit zwischen null und drei Uhr am Freitag Früh in der offenen deutschen Bucht, in der südlichen deutschen Bucht. Wenn sich da noch eine Verschärfung einstellt in dieser Zeit, die eine gewisse Möglichkeit gäbe, dann würden wir mit drei Metern nicht auskommen über mittlerem Hochwasser. Aber ich sehe das im Moment nicht.
    Das ist aber eine Sache, die wir in der nächsten Viertel Stunde besprechen wollen, und dann wollen wir mit den ganzen internen Sachen ja um 15 Uhr durch sein und dann gehen erst die Warnungen raus. Sie hatten vorhin schon – irgendwo hatte ich das erwähnt gehört -, dass wir schon Warnungen rausgegeben haben. Wir haben für das Morgenhochwasser und das Nachthochwasser Freitag noch keine Warnungen herausgegeben. Das wollen wir erst am Nachmittag machen.
    Meurer: Das heißt, wenn ich Sie richtig verstehe, das schlimmste steht noch bevor, oder der härtere Teil steht noch bevor?
    Müller-Navarra: Das Nachmittaghochwasser ist deutlich niedriger als das, was wir für Freitag Früh erwarten. In der Tat kann ich Sie bestätigen: Die härtere Sturmflut steht noch bevor, ja.
    Meurer: Würden Sie insgesamt sagen, Herr Müller-Navarra, das ist der schlimmste Sturm seit 10, 20 Jahren?
    Müller-Navarra: Nein, das kann man überhaupt nicht sagen. Wenn wir zurückdenken, war es genau vor 14 Jahren, am 3.12.1999. Da ging das Orkantief Anatol über Deutschland hinweg und über Norddeutschland hinweg. Das war erheblich giftiger.
    Meurer: Sie arbeiten, Herr Müller-Navarra, ja für das Bundesamt für Seeschifffahrt. Vermutlich hört man auch auf See und an Bord der Schiffe Ihre Warnungen, Ihre Hinweise. Muss man sich das als Landbewohner jetzt so vorstellen, dass die meisten Schiffe doch versuchen, Hafen anzulaufen?
    Müller-Navarra: Die Windgeschwindigkeiten auf See und entsprechende Warnungen, die werden vom Deutschen Wetterdienst, Seewetteramt herausgegeben, und entsprechend werden bestimmte Arten von Schiffen die Heimathäfen aufsuchen. Das ist sehr ungemütlich da draußen. Die Wellenhöhen können in so einer Situation gerne mal fünf bis zehn Meter erreichen oder noch höher, und da kann man dann mit bestimmten Booten nicht mehr fahren.
    Meurer: Da sollten dann nur noch die ganz großen Schiffe draußen bleiben?
    Müller-Navarra: Die ganz großen Schiffe lassen sich da meistens nicht von stören. Allerdings hat man da manchmal Probleme, die Lotsen an Bord zu bringen. Dann können die halt auch nicht einlaufen. Das ist auf jeden Fall mit Problemen verbunden, und wenn die Wasserstände im Hamburger Hafen sehr hoch sind, dann hat man auch an der Pier Probleme. Die Seeschifffahrt ist dann auch für eine kurze Zeit beeinträchtigt, das ist klar.
    Meurer: Die Folgen des Orkans Xaver schilderte uns Sylvin Müller-Navarra, der Leiter des Warndienstes des Bundesamts für Seeschifffahrt in Hamburg. Danke Ihnen und gute Arbeit noch.
    Müller-Navarra: Gern geschehen!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.