Als vor rund 66 Millionen Jahren ein Meteor die Halbinsel Yucatan im heutigen Mexiko traf, wurde die Erde für viele Arten unbewohnbar. Die Dinosaurier sind die prominentesten Opfer dieses Artensterbens. Andererseits liegt in dieser Epoche der Ursprung der Artenvielfalt, wie wir sie heute kennen, sagt Professor Erich Jarvis von der Duke University Medical School im US-amerikanischen Durham.
"Als der Asteroid die Erde traf und so viele Arten auslöschte, hinterließ er ökologische Nischen, auf die sich andere Tiere spezialisieren konnten. Wir glauben, dass Vögel besonders gut darin waren, als der Staub sich legte, neue Arten zu bilden, die in den verschiedensten Lebensräumen zurechtkamen."
Schon lange versuchen Forscher, den Nebel um diesen Teil des Vogel-Stammbaums zu lichten. Anfangs konnten sie lediglich von Körpermerkmalen und aus Fossilien Rückschlüsse auf seine Verästelungen ziehen. Seit einigen Jahren hilft ihnen dabei eine genetische Methode: die "Molekulare Uhr". Sie geht davon aus, dass sich Gene in verwandten Arten ähnlich schnell verändern. Wenn sich die beiden Arten also in einem Gen unterscheiden, lässt sich zurückrechnen, wann ihr letzter gemeinsamer Vorfahr gelebt haben muss. Verschiedene Forschergruppen haben das in den letzten Jahren versucht, allerdings immer nur mit einzelnen Genen und mit widersprüchlichen Ergebnissen.
"Jetzt machen neue Technologien das Sequenzieren von DNA einfacher und billiger. Mit ihrer Hilfe konnten wir uns anschauen, ob man einen genaueren Stammbaum erhält, wenn man die kompletten Genome der Arten vergleicht. Wir haben 48 repräsentative Vogelarten ausgewählt, um den Stammbaum neu nachzuzeichnen."
Selbstkontrolle der Forscher
Um sich selbst zu kontrollieren, berechneten die Forscher den Stammbaum mit zwei Wegen: Einmal als Quintessenz aus Stammbäumen für jedes einzelne der 14.000 Vogel-Gene, einmal für die kompletten Genome der Tiere. Das hätte selbst die existierenden Supercomputer überfordert. Darum entwickelten Forscher aus Karlsruhe und Illinois neue Algorithmen, sagt Professorin Tandy Warnow, Bioinformatikerin an der University of Illinois in Urbana-Champaign.
"Mit den neuen Methoden brauchte die Analyse dieses wirklich großen Datensatzes statt zwei Jahren nur einen Monat. Und beide Bäume sind sich extrem ähnlich, das hat uns stark bestätigt."
Erst jetzt wissen die Forscher, dass der Meteoriteneinschlag für die Vögelvielfalt ein Urknall war. 95 Prozent der heute über 10.000 Vogelarten sind in den darauffolgenden 10 bis 15 Millionen Jahren entstanden – in evolutionären Maßstäben ein kurzer Zeitraum. Und erst jetzt wisse man, dass sich dieser Ast gleich erneut teilte, sagt Ed Braun von der University of Florida.
"Eine Seite führt zu einer wirklich seltsamen Gruppe. Wir nennen sie Columbea, weil die meisten Arten Tauben sind. Aber auch Flamingos und Lappentaucher gehören dazu. Schon die sehen ja ziemlich verschieden aus, aber sie sind immerhin beide Wasservögel. Mit den Tauben haben sie jedoch kaum Merkmale gemeinsam. Dass sie so eng verwandt sind, war eine echte Überraschung."
Aber auch im zweiten Ast, der zu den Raubvögeln, Wasservögeln und Singvögeln führt, haben die Forscher einige Zweige umsortiert. Sie stellten zum Beispiel fest, dass Falken näher mit Singvögeln und Papageien verwandt sind als mit Adlern, Eulen und Geiern. Und die Forscher haben festgestellt, dass der vielfältige Vogelgesang, also die Fähigkeit, komplizierte Lautketten zu bilden und Gehörtes nachzuahmen, gleich drei Mal unabhängig voneinander entstanden ist: bei Papageien, Sperlingsvögeln und Kolibris. Denn auch ihre Zweige liegen weit auseinander auf dem neuen Baum.