Meurer: Seit elf Jahren gibt es ein neues Gesetz, das den Schwangerschaftsabbruch hierzulande regelt. Abtreibung in den ersten drei Monaten ist zwar rechtswidrig, bleibt aber nach einer Beratung straffrei. Um den Frauen zu helfen, können die Bundesländer die Kosten übernehmen. In Sachsen ist das sogar in 98 Prozent aller Fälle von Schwangerschaftsabbruch der Fall. Deswegen hat das Land Sachsen zusammen mit Thüringen eine Initiative gestartet, um hier Einschnitte vorzunehmen. Frauen sollen mehr als bislang selbst ihren Schwangerschaftsabbruch bezahlen. Heute berät die Gesundheitsministerkonferenz der Länder in Dessau und am Telefon begrüße ich die sächsische Gesundheitsministerin Helma Orosz von der CDU. Guten Morgen Frau Orosz!
Orosz: Guten Morgen!
Meurer: Sachsen hat vorletztes Jahr glaube ich 1,7 Millionen Euro für Abtreibungen ausgegeben. Ist das so viel Geld, um ein Gesetz zu verändern?
Orosz: Ja! Inzwischen liegen wir bei über zwei Millionen und es geht ja insgesamt um die Prüfung von Maßnahmen, was kann der Staat noch leisten, was soll er leisten, wo soll er im Rahmen seiner Daseinsfürsorge unterstützen und wo können die Bürgerinnen und Bürger mehr Eigenverantwortung übernehmen. Das ist die Situation, in der wir uns befinden. Die finanziellen Ressourcen werden immer knapper und jetzt müssen Prioritäten gesetzt werden.
Meurer: Geht es Ihnen also ausschließlich darum, Geld zu sparen, oder geht es Ihnen darum, den Schwangerschaftsabbruch zu erschweren?
Orosz: Es geht mir nicht darum, den Schwangerschaftsabbruch zu erschweren, denn das Gesetz klärt ganz deutlich, dass es um eine wirtschaftliche Unabhängigkeit bei der Entscheidung für die Frauen geht und damit um eine Bedürftigkeit. Wer dieser Bedürftigkeit unterliegt, erhält natürlich nach wie vor auch mit unserem Vorschlag Hilfe des Staates. Da beißt die Maus keinen Faden ab.
Meurer: Wie kommt es eigentlich, dass 98 Prozent aller Frauen ihren Schwangerschaftsabbruch in Sachsen bezahlt bekommen? In anderen Bundesländern ist es etwas, aber nicht sehr viel weniger, wo das Gesetz ursprünglich nur vorgesehen hatte, sozusagen in sozialen Notfällen einzugreifen, dass die Bundesländer bezahlen?
Orosz: Genau das ist das Spannungsfeld und die Frage, die uns umtreibt und warum wir dieses Thema auf die Tagesordnung genommen haben. Inzwischen ist es so wie Sie sagen. Ungefähr 90 Prozent aller rechtswidrigen, aber straffreien Schwangerschaftsabbrüche in Deutschland werden von den Ländern finanziert. Das sind jährlich über 200 Millionen Euro. In Sachsen sind es wie gesagt inzwischen fast 100 Prozent, 98,8 Prozent. Im Jahr 2005 haben wir bereits über zwei Millionen finanziert und die Tendenz ist steigend. Ich glaube da ist die Frage berechtigt und ehrlich zu stellen: Ist es in der Tat so, dass all diese Frauen wirklich bedürftig sind im Rahmen der wirtschaftlichen Prüfung. Da sind wir auf zwei Dinge gestoßen. Zum einen lässt das Gesetz eine genaue Nachweisprüfung nicht zu. Allein eine Glaubhaftmachung ist ausreichend, so dass also auch hier noch Spielräume sind. Wir sagen, das muss definitiv formuliert werden.
Meurer: Wie soll denn die Überprüfung aussehen, die ja vermutlich weiter durch die Krankenkassen erfolgen soll?
Orosz: Ganz einfach, wie das auch bei anderen Transferleistungen des Staates ist, dass ich einen schriftlichen Nachweis meiner Einkommens- und Vermögensverhältnisse vorlegen muss.
Meurer: Welche Frauen sollen in Zukunft noch einen Schwangerschaftsabbruch bezahlt bekommen, wenn Ihre Vorstellungen sich durchsetzen würden?
Orosz: Die, die nach dem Willen des Gesetzes – der soll ja nicht angegriffen werden – bedürftig bleiben. Im Moment ist die Grenze ja bei 929 Euro. Dazu kommt noch ein möglicher Zuschlag für Kinder, wenn vorhanden, und auch noch ein Beitrag, ein so genannter übersteigender Mehrbetrag für Kosten der Unterkunft. Da kommt man natürlich ganz schnell über 1.000 Euro und wir sagen die Frauen, die an dieser Grenze liegen, können nach unserem Verständnis eigenverantwortlich die Kosten übernehmen. Wir sprechen hier von zirka 300 Euro einmaliger Leistung. Das ist jetzt zu überprüfen und gemeinsam mit meinen Kolleginnen und Kollegen zu diskutieren.
Meurer: Wollen Sie mit Ihrer Initiative auch dazu beitragen, dass Frauen in den neuen Ländern und andernorts besser verhüten?
Orosz: Das ist natürlich auch eine Diskussion, die wir seit Jahren führen. Verhütung von ungewollten Schwangerschaften. Ich meine da gibt es sehr, sehr viele Möglichkeiten, nicht nur die Aufklärungskampagnen des Staates. In Familien wird aufgeklärt, in der Schule. Wir beginnen bereits mit Sexualerziehung im frühkindlichen Bereich. Hier ist eigentlich eine Vielzahl von Informationen für jeden zugänglich und möglich. Darüber hinaus gibt es Regelungen, dass Krankenkassen auch bis zum 18. Lebensjahr beziehungsweise 21. Lebensjahr die Pille bezahlen und so weiter. Ich glaube hier ist es ohne weiteres möglich, die Anzahl der Schwangerschaftsabbrüche zu minimieren bei mehr Eigenverantwortung in diesem persönlichen Bereich und natürlich auch entsprechender Nutzung von Verhütungsmitteln.
Meurer: Nun war zu DDR-Zeiten ja Abtreibung einfacher möglich, als es heute der Fall ist. Wie ist Ihrer Auffassung nach heute die Einstellung in den neuen Ländern zum Thema Abtreibung?
Orosz: Ich glaube nicht, dass es da einen Unterschied zwischen Ost und West gibt. Wenn die Frau entsprechend eine Beratung nachweist, kann sie ungehindert den Schwangerschaftsabbruch machen lassen. Da gibt es keine mir bekannten Schwierigkeiten. Mir sind keine bekannt. Von daher geht also der Appell gleich in Richtung Ost und auch in Richtung West.
Ich darf auch noch eine weitere Information hinzufügen. Der saarländische Rechnungshof hat im Jahr 2004 ja gleiches Gesetz kritisiert mit der Aufforderung an die Regierung des Saarlandes, dieses Gesetz zu ändern. Auch er spricht von einer Gerechtigkeitslücke und fordert die Länder auf, hier im Gesetz nachzubessern, vor allen Dingen was die Klärung der Bedürftigkeit und den Nachweis der Bedürftigkeit betrifft. Also wir sind hier übereinstimmend mit der Auffassung des Rechnungshofes.
Meurer: Noch ganz kurz: Bestreiten Sie, dass die Abtreibungsquote in Ostdeutschland höher ist als in Westdeutschland?
Orosz: Das kann ich nicht bestreiten, weil ein Vergleich mir nicht vorliegt. Ich meine es gibt die Zahlen, die Sie schon genannt haben. Zum Beispiel in Bayern sind es durchschnittlich wohl 68 Prozent der Übernahme der Kosten, bei uns wie gesagt fast 100 Prozent. Das kann sowohl eine Frage der Wirtschaftlichkeit sein; das kann aber auch eine Frage von mehr Fällen sein. Da gibt es keine dezidierte Auswertung.
Meurer: Das war Helma Orosz, die Gesundheitsministerin des Freistaats Sachsen (CDU). Frau Orosz, besten Dank und auf Wiederhören!
Orosz: Auf Wiederhören!
Orosz: Guten Morgen!
Meurer: Sachsen hat vorletztes Jahr glaube ich 1,7 Millionen Euro für Abtreibungen ausgegeben. Ist das so viel Geld, um ein Gesetz zu verändern?
Orosz: Ja! Inzwischen liegen wir bei über zwei Millionen und es geht ja insgesamt um die Prüfung von Maßnahmen, was kann der Staat noch leisten, was soll er leisten, wo soll er im Rahmen seiner Daseinsfürsorge unterstützen und wo können die Bürgerinnen und Bürger mehr Eigenverantwortung übernehmen. Das ist die Situation, in der wir uns befinden. Die finanziellen Ressourcen werden immer knapper und jetzt müssen Prioritäten gesetzt werden.
Meurer: Geht es Ihnen also ausschließlich darum, Geld zu sparen, oder geht es Ihnen darum, den Schwangerschaftsabbruch zu erschweren?
Orosz: Es geht mir nicht darum, den Schwangerschaftsabbruch zu erschweren, denn das Gesetz klärt ganz deutlich, dass es um eine wirtschaftliche Unabhängigkeit bei der Entscheidung für die Frauen geht und damit um eine Bedürftigkeit. Wer dieser Bedürftigkeit unterliegt, erhält natürlich nach wie vor auch mit unserem Vorschlag Hilfe des Staates. Da beißt die Maus keinen Faden ab.
Meurer: Wie kommt es eigentlich, dass 98 Prozent aller Frauen ihren Schwangerschaftsabbruch in Sachsen bezahlt bekommen? In anderen Bundesländern ist es etwas, aber nicht sehr viel weniger, wo das Gesetz ursprünglich nur vorgesehen hatte, sozusagen in sozialen Notfällen einzugreifen, dass die Bundesländer bezahlen?
Orosz: Genau das ist das Spannungsfeld und die Frage, die uns umtreibt und warum wir dieses Thema auf die Tagesordnung genommen haben. Inzwischen ist es so wie Sie sagen. Ungefähr 90 Prozent aller rechtswidrigen, aber straffreien Schwangerschaftsabbrüche in Deutschland werden von den Ländern finanziert. Das sind jährlich über 200 Millionen Euro. In Sachsen sind es wie gesagt inzwischen fast 100 Prozent, 98,8 Prozent. Im Jahr 2005 haben wir bereits über zwei Millionen finanziert und die Tendenz ist steigend. Ich glaube da ist die Frage berechtigt und ehrlich zu stellen: Ist es in der Tat so, dass all diese Frauen wirklich bedürftig sind im Rahmen der wirtschaftlichen Prüfung. Da sind wir auf zwei Dinge gestoßen. Zum einen lässt das Gesetz eine genaue Nachweisprüfung nicht zu. Allein eine Glaubhaftmachung ist ausreichend, so dass also auch hier noch Spielräume sind. Wir sagen, das muss definitiv formuliert werden.
Meurer: Wie soll denn die Überprüfung aussehen, die ja vermutlich weiter durch die Krankenkassen erfolgen soll?
Orosz: Ganz einfach, wie das auch bei anderen Transferleistungen des Staates ist, dass ich einen schriftlichen Nachweis meiner Einkommens- und Vermögensverhältnisse vorlegen muss.
Meurer: Welche Frauen sollen in Zukunft noch einen Schwangerschaftsabbruch bezahlt bekommen, wenn Ihre Vorstellungen sich durchsetzen würden?
Orosz: Die, die nach dem Willen des Gesetzes – der soll ja nicht angegriffen werden – bedürftig bleiben. Im Moment ist die Grenze ja bei 929 Euro. Dazu kommt noch ein möglicher Zuschlag für Kinder, wenn vorhanden, und auch noch ein Beitrag, ein so genannter übersteigender Mehrbetrag für Kosten der Unterkunft. Da kommt man natürlich ganz schnell über 1.000 Euro und wir sagen die Frauen, die an dieser Grenze liegen, können nach unserem Verständnis eigenverantwortlich die Kosten übernehmen. Wir sprechen hier von zirka 300 Euro einmaliger Leistung. Das ist jetzt zu überprüfen und gemeinsam mit meinen Kolleginnen und Kollegen zu diskutieren.
Meurer: Wollen Sie mit Ihrer Initiative auch dazu beitragen, dass Frauen in den neuen Ländern und andernorts besser verhüten?
Orosz: Das ist natürlich auch eine Diskussion, die wir seit Jahren führen. Verhütung von ungewollten Schwangerschaften. Ich meine da gibt es sehr, sehr viele Möglichkeiten, nicht nur die Aufklärungskampagnen des Staates. In Familien wird aufgeklärt, in der Schule. Wir beginnen bereits mit Sexualerziehung im frühkindlichen Bereich. Hier ist eigentlich eine Vielzahl von Informationen für jeden zugänglich und möglich. Darüber hinaus gibt es Regelungen, dass Krankenkassen auch bis zum 18. Lebensjahr beziehungsweise 21. Lebensjahr die Pille bezahlen und so weiter. Ich glaube hier ist es ohne weiteres möglich, die Anzahl der Schwangerschaftsabbrüche zu minimieren bei mehr Eigenverantwortung in diesem persönlichen Bereich und natürlich auch entsprechender Nutzung von Verhütungsmitteln.
Meurer: Nun war zu DDR-Zeiten ja Abtreibung einfacher möglich, als es heute der Fall ist. Wie ist Ihrer Auffassung nach heute die Einstellung in den neuen Ländern zum Thema Abtreibung?
Orosz: Ich glaube nicht, dass es da einen Unterschied zwischen Ost und West gibt. Wenn die Frau entsprechend eine Beratung nachweist, kann sie ungehindert den Schwangerschaftsabbruch machen lassen. Da gibt es keine mir bekannten Schwierigkeiten. Mir sind keine bekannt. Von daher geht also der Appell gleich in Richtung Ost und auch in Richtung West.
Ich darf auch noch eine weitere Information hinzufügen. Der saarländische Rechnungshof hat im Jahr 2004 ja gleiches Gesetz kritisiert mit der Aufforderung an die Regierung des Saarlandes, dieses Gesetz zu ändern. Auch er spricht von einer Gerechtigkeitslücke und fordert die Länder auf, hier im Gesetz nachzubessern, vor allen Dingen was die Klärung der Bedürftigkeit und den Nachweis der Bedürftigkeit betrifft. Also wir sind hier übereinstimmend mit der Auffassung des Rechnungshofes.
Meurer: Noch ganz kurz: Bestreiten Sie, dass die Abtreibungsquote in Ostdeutschland höher ist als in Westdeutschland?
Orosz: Das kann ich nicht bestreiten, weil ein Vergleich mir nicht vorliegt. Ich meine es gibt die Zahlen, die Sie schon genannt haben. Zum Beispiel in Bayern sind es durchschnittlich wohl 68 Prozent der Übernahme der Kosten, bei uns wie gesagt fast 100 Prozent. Das kann sowohl eine Frage der Wirtschaftlichkeit sein; das kann aber auch eine Frage von mehr Fällen sein. Da gibt es keine dezidierte Auswertung.
Meurer: Das war Helma Orosz, die Gesundheitsministerin des Freistaats Sachsen (CDU). Frau Orosz, besten Dank und auf Wiederhören!
Orosz: Auf Wiederhören!