Vor fast genau einem Jahr ist das neuartige Coronavirus erstmals in der chinesischen Millionenstadt Wuhan aufgetaucht. Viele sind damals davon ausgegangen, dass sei vor allem ein chinesisches Problem - eine tödliche Fehleinschätzung. China reagierte - wenn auch verspätet - mit aller Härte, verhängte rigorose Lockdowns und verschärfte noch einmal die staatliche Überwachung - mit Erfolg, zumindest was die reinen Corona-Fallzahlen angeht.
Aber wie sieht es heute in Wuhan aus? Wie ist die Stimmung in der Millionenstadt? Was denken die Menschen dort? ARD- und DLF-Korrespondent Steffen Wurzel ist nach einem Jahr noch einmal nach Wuhan gereist und vergleicht den Ort, der für immer mit dem Coronavirus in Verbindung gebracht werden wird, zu Zeiten vor der Krise mit der Gegenwart.
Viel ruhiger in der Stadt als vor Ausbruch des Virus
Die Stadt ist momentan viel ruhiger als vor Ausbruch des Virus. Es gab viele Firmenpleiten, viele Geschäfte machten dicht und ganz viele inländische Arbeitsmigranten, also sogenannte Wanderarbeiter, die den Dienstleistungssektor wie in allen chinesischen Städten geprägt haben oder prägen, sind einfach nicht nach Wuhan zurückgekehrt.
Ansonsten ist wieder der Alltag eingekehrt. Abstand halten im öffentlichen Raum ist kaum noch zu sehen. Allerdings ist auffällig, das wirklich jeder einen Mund-Nasen-Schutz trägt, anders als zum Beispiel in Shanghai oder Peking oder anderen großen chinesischen Städten.
Hoher Zaun versperrt den Marktzugang
Steffen Wurzel besuchte auch den Markt, wo das Virus vermutlich ausgebrochen ist. An die Markthalle kommt man direkt nicht mehr dran. Die chinesischen Behörden haben die Markthalle Ende 2019 dichtgemacht. Dort versperrt ein blickdichter, blauschwarzer Drei-Meter-Zaun den Zugang. "Viele Menschen, mit denen wir dort gesprochen haben, die sagen, ach, was kommt ihr hier wieder an mit dieser Geschichte? Das Virus kommt doch ganz woanders her. Wir haben ganz oft ja diese Verschwörungstheorie gehört", berichtet Wurzel. Sehr viele Menschen vor Ort sagen auch, dass sie gar nicht mehr zurückschauen wollen.
Auch der chinesische Augenarzt Li Wenliang, der vor einem jahr Berühmtheit erlangte, weil er die Pandemie frühzeitig voraussagte (und im Februar selbst 34-jährig an Covid 19 starb), spielt in der Öffentlichkeit keine Rolle mehr. "Er galt für einige Wochen als Held im Kampf gegen die damals - so haben es viele gesehen - brutale Herrschaft der Behörden. Inzwischen hat sich das tatsächlich ein bisschen umgedreht. Inzwischen sagen ganz viele: Schaut doch mal nach Europa, schaut doch mal in die USA. Dort ist viel mehr Chaos geschehen. Dort leiden viel mehr Menschen immer noch an Covid19 als hier in China. Dieses Andenken an Li Wenliang zum Beispiel, auch in einem Krankenhaus, wo er gearbeitet hat, ist quasi nicht mehr vorhanden", so Steffen Wurzel.
Druck der Behörden auf Kritiker
Ganz viele Menschen machten auf den ersten Blick einen positiven Eindruck. Sie seien sehr zufrieden mit ihrem Leben, und die Kommunistische Partei habe ja alles richtig gemacht, sagen die meisten. "Wenn man dann aber auf Leute trifft, die das Ganze etwas anders und kritischer sehen, dann winken diese ab und sagen entweder, sorry, ich kann mich nicht äußern, oder ich will mich nicht äußern. Oder ganz häufig auch, ich habe mir schon irgendwo eine rote Nase geholt." Häufig sei es so, dass geplante Interviews einfach nicht stattfänden und fadenscheinige Begründungen angeführt würden. "Das ist ganz offensichtlich, dass die Behörden da Druck machen", so Wurzel.