Manfred Kloiber: Was hat die Bundesregierung da vor, Peter Welchering?
Peter Welchering: Bundesinnenminister Schäuble möchte das Mautsystem für Fahndungszwecke nutzen. Dazu sollen zum einen die Zweckbindung von Mautdaten aufgehoben werden. Die dürfen nämlich bisher ausschließlich für Abrechnungszwecke der LKW-Maut berechnet werden. Die Strafverfolgungsbehörden sollen also Zugriff auf die Mautdaten bekommen. Und zweitens gibt es Überlegungen, das Mautsystem zu einem regelrechten Rasterfahndungssystem auszubauen. Wenn diese beiden Vorhaben gelingen, und wenn es zur Einrichtung einer Anti-Terror-Datei kommt, dann könnte das Mautsystem als Rasterfahndungssystem eben auch Daten für diese Anti-Terror-Datei liefern. Ohne Probleme kann dann ermittelt werden. Ohne Probleme ließe sich dann mit wenigen Mausklicks recherchieren: Wohin ist denn der Autofahrer Peter Welchering am Samstag, den 12. August 2006, um 17:30 Uhr gefahren? Welche Autobahnauffahrt hat er genommen, welche Abfahrt hat er genommen, wann war das genau und welche Strecke hat er zurückgelegt?
Kloiber: Welche Daten erfasst das Mautsystem denn bisher?
Welchering: Es werden bisher zwei Fotos gefertigt, eines vom Kfz-Kennzeichen, ein anderes vom Fahrzeug selbst. Daneben wird über die On-Board-Unit ermittelt, wer das Fahrzeug gerade fährt, Ort und Zeit der mautpflichtigen Autobahnbenutzung und solche Dinge wie Achsenzahl und Angaben für die direkte Mautberechnung. Diese Daten sollen für Fahndungszwecke zur Verfügung gestellt werden. Aber das sind reine LKW-Daten. Deshalb wird zum Beispiel vom bayerischen Innenminister Beckstein gefordert, dass auch PKW mit dem Mautsystem überwacht werden sollen. Und im Rahmen dieser Diskussion kam dann die Idee auf, nicht nur vom Kfz-Kennzeichen und vom Fahrzeug selbst ein Foto zu fertigen, sondern auch vom Fahrer. Das dritte Foto aufzunehmen, erfordert nur kleinere Softwareänderungen am Mautsystem. Inwieweit das Bundesinnenministerium nur die bisher erfassten Mautdaten für die Fahndung nutzen will, was die Datenschützer auch schon bedenklich finden, oder ob Innenminister Schäuble das Mautsystem wirklich zu einem Rasterfahndungssystem ausbauen will, bleibt ein wenig im Dunkeln. Denn auf entsprechende konkrete Anfragen erklärte das Ministerium gegenüber dem Deutschlandfunk schriftlich:
Minister Schäuble hatte die Änderung des Mautgesetzes mit dem einer Nutzung dieser Daten für bestimmte Fälle der Strafverfolgung und Gefahrenabwehr bereits zu Beginn seiner Amtszeit angeregt. Derzeit befindet sich ein Gesetzentwurf in der Ressortabstimmung.
Welchering: Zu diesem Gesetzesentwurf gibt es eben viele Diskussionen. Um die besser einschätzen zu können, haben der SPD-Abgeordnete Jörg Tauss und mehrere Bundestagsabgeordnete der Grünen auf Basis des Informationsfreiheitsgesetzes Einblick in das mehrere tausend Seiten dicke Vertragswerk zwischen dem Bundesverkehrsministerium und dem Maut-Konsortium gefordert. Denn dann hätte man auch besser sagen können, inwieweit denn die bisherigen Verträge und die dort geregelte Technik den Ausbau des Mautsystems zu einem Fandungssystem zulassen. Die Bundesregierung hat die Einsichtnahme in das Vertragswerk verweigert, Geheimhaltungsklauseln stünden dem entgegen. Und man könne nicht genau trennen zwischen geheimhaltungsbedürftigen und nicht geheimhaltungsbedürftigen Passagen.
Kloiber: Welche technischen Änderungen werden denn da im Verkehrsministerium und im Innenministerium diskutiert?
Welchering: Neben dem zusätzlichen Fahrerfoto geht es vor allen Dingen um den Serverausbau und eine leistungsstärkere Anbindung der Mautbrücken. Bisher sind nur zehn Prozent der Mautbrücken im so genannten Beweissicherungsmodus, das heißt nur zehn Prozent der Mautbrücken erheben Daten und leiten sie zur Auswertung an die Toll-Collect-Rechner weiter. Für Fahndungszwecke reichen zehn Prozent nicht aus. Außerdem geht es um die Vernetzung der Bewegungsdaten. Um hier von mehreren hunderttausend Fahrzeugen gleichzeitig Bewegungsprofile erstellen zu können, müssen Streckendaten in Echtzeit verarbeitet werden. Bisher schicken die On-Board-Units ihre Streckendaten erst, wenn der Mautbetrag 20 Euro übersteigt. Damit kann man aber keine Rasterfahndung betreiben. Deshalb sollen die Streckendaten ab dem ersten Euro ermittelt werden. Die Folgen bewertet Heiderose Berroth, die parlamentarische Geschäftsführerin und verkehrspolitische Sprecherin der FDP-DVP-Landtagsfraktion in Baden-Württemberg so.
"Wenn man herangeht, das nun aufzurüsten, habe ich erhebliche Bedenken. Denn wir kommen damit immer mehr in den Überwachungsstaat. Es ist zur Mauterfassung nicht notwendig, und ich bin strikt dagegen, zusätzliche Daten zu erfassen. Also das ist genau das, dass wir dann tatsächlich ein Bewegungsbild von unserer Bevölkerung erstellen. Wozu brauchen wir diese Einrichtung? Nun generell jeden Verkehrsteilnehmer zum Verdächtigen zu machen, das geht mir wirklich über die Hutschnur."
Welchering: Vor allen Dingen die geforderte Vorratsdatenhaltung der Mautdaten von mindestens sechs Monaten ist hinsichtlich der Erstellung von Bewegungsbildern natürlich sehr problematisch und wird von den Datenschützern kritisiert.
Kloiber: Als erster Schritt für die Nutzung der Mautdaten zu Fahndungszwecken ist von Verkehrsexperten die so genannte Klassifikationsabfrage von Toll Collect beim Kraftfahrtbundesamt in Flensburg ins Spiel gebracht worden, die heute schon möglich sei. Was verbirgt sich dahinter?
Welchering: Das Kraftfahrtbundesamt darf den Strafverfolgungsbehörden ständig Halterinformationen übermitteln. Und weil im Mautgesetz festgehalten ist, dass eine Mautbrücke automatisch beim Computersystem des Kraftfahrtbundesamtes anfragen darf, ob ein erkannter LKW vielleicht von der Maut befreit ist, gibt es offensichtlich Überlegungen der Bundesregierung, diese Anfragen zu sammeln und auszuwerten. Ohne Änderung des Mautgesetzes, ohne technische Aufrüstung des Mautssytem, hätte man damit schon heute ein Rasterfahndungswerkzeug für LKW. Um Personenkraftfahrzeuge damit zu erfassen, müsste allerdings die PKW-Maut beschlossen werden.
Peter Welchering: Bundesinnenminister Schäuble möchte das Mautsystem für Fahndungszwecke nutzen. Dazu sollen zum einen die Zweckbindung von Mautdaten aufgehoben werden. Die dürfen nämlich bisher ausschließlich für Abrechnungszwecke der LKW-Maut berechnet werden. Die Strafverfolgungsbehörden sollen also Zugriff auf die Mautdaten bekommen. Und zweitens gibt es Überlegungen, das Mautsystem zu einem regelrechten Rasterfahndungssystem auszubauen. Wenn diese beiden Vorhaben gelingen, und wenn es zur Einrichtung einer Anti-Terror-Datei kommt, dann könnte das Mautsystem als Rasterfahndungssystem eben auch Daten für diese Anti-Terror-Datei liefern. Ohne Probleme kann dann ermittelt werden. Ohne Probleme ließe sich dann mit wenigen Mausklicks recherchieren: Wohin ist denn der Autofahrer Peter Welchering am Samstag, den 12. August 2006, um 17:30 Uhr gefahren? Welche Autobahnauffahrt hat er genommen, welche Abfahrt hat er genommen, wann war das genau und welche Strecke hat er zurückgelegt?
Kloiber: Welche Daten erfasst das Mautsystem denn bisher?
Welchering: Es werden bisher zwei Fotos gefertigt, eines vom Kfz-Kennzeichen, ein anderes vom Fahrzeug selbst. Daneben wird über die On-Board-Unit ermittelt, wer das Fahrzeug gerade fährt, Ort und Zeit der mautpflichtigen Autobahnbenutzung und solche Dinge wie Achsenzahl und Angaben für die direkte Mautberechnung. Diese Daten sollen für Fahndungszwecke zur Verfügung gestellt werden. Aber das sind reine LKW-Daten. Deshalb wird zum Beispiel vom bayerischen Innenminister Beckstein gefordert, dass auch PKW mit dem Mautsystem überwacht werden sollen. Und im Rahmen dieser Diskussion kam dann die Idee auf, nicht nur vom Kfz-Kennzeichen und vom Fahrzeug selbst ein Foto zu fertigen, sondern auch vom Fahrer. Das dritte Foto aufzunehmen, erfordert nur kleinere Softwareänderungen am Mautsystem. Inwieweit das Bundesinnenministerium nur die bisher erfassten Mautdaten für die Fahndung nutzen will, was die Datenschützer auch schon bedenklich finden, oder ob Innenminister Schäuble das Mautsystem wirklich zu einem Rasterfahndungssystem ausbauen will, bleibt ein wenig im Dunkeln. Denn auf entsprechende konkrete Anfragen erklärte das Ministerium gegenüber dem Deutschlandfunk schriftlich:
Minister Schäuble hatte die Änderung des Mautgesetzes mit dem einer Nutzung dieser Daten für bestimmte Fälle der Strafverfolgung und Gefahrenabwehr bereits zu Beginn seiner Amtszeit angeregt. Derzeit befindet sich ein Gesetzentwurf in der Ressortabstimmung.
Welchering: Zu diesem Gesetzesentwurf gibt es eben viele Diskussionen. Um die besser einschätzen zu können, haben der SPD-Abgeordnete Jörg Tauss und mehrere Bundestagsabgeordnete der Grünen auf Basis des Informationsfreiheitsgesetzes Einblick in das mehrere tausend Seiten dicke Vertragswerk zwischen dem Bundesverkehrsministerium und dem Maut-Konsortium gefordert. Denn dann hätte man auch besser sagen können, inwieweit denn die bisherigen Verträge und die dort geregelte Technik den Ausbau des Mautsystems zu einem Fandungssystem zulassen. Die Bundesregierung hat die Einsichtnahme in das Vertragswerk verweigert, Geheimhaltungsklauseln stünden dem entgegen. Und man könne nicht genau trennen zwischen geheimhaltungsbedürftigen und nicht geheimhaltungsbedürftigen Passagen.
Kloiber: Welche technischen Änderungen werden denn da im Verkehrsministerium und im Innenministerium diskutiert?
Welchering: Neben dem zusätzlichen Fahrerfoto geht es vor allen Dingen um den Serverausbau und eine leistungsstärkere Anbindung der Mautbrücken. Bisher sind nur zehn Prozent der Mautbrücken im so genannten Beweissicherungsmodus, das heißt nur zehn Prozent der Mautbrücken erheben Daten und leiten sie zur Auswertung an die Toll-Collect-Rechner weiter. Für Fahndungszwecke reichen zehn Prozent nicht aus. Außerdem geht es um die Vernetzung der Bewegungsdaten. Um hier von mehreren hunderttausend Fahrzeugen gleichzeitig Bewegungsprofile erstellen zu können, müssen Streckendaten in Echtzeit verarbeitet werden. Bisher schicken die On-Board-Units ihre Streckendaten erst, wenn der Mautbetrag 20 Euro übersteigt. Damit kann man aber keine Rasterfahndung betreiben. Deshalb sollen die Streckendaten ab dem ersten Euro ermittelt werden. Die Folgen bewertet Heiderose Berroth, die parlamentarische Geschäftsführerin und verkehrspolitische Sprecherin der FDP-DVP-Landtagsfraktion in Baden-Württemberg so.
"Wenn man herangeht, das nun aufzurüsten, habe ich erhebliche Bedenken. Denn wir kommen damit immer mehr in den Überwachungsstaat. Es ist zur Mauterfassung nicht notwendig, und ich bin strikt dagegen, zusätzliche Daten zu erfassen. Also das ist genau das, dass wir dann tatsächlich ein Bewegungsbild von unserer Bevölkerung erstellen. Wozu brauchen wir diese Einrichtung? Nun generell jeden Verkehrsteilnehmer zum Verdächtigen zu machen, das geht mir wirklich über die Hutschnur."
Welchering: Vor allen Dingen die geforderte Vorratsdatenhaltung der Mautdaten von mindestens sechs Monaten ist hinsichtlich der Erstellung von Bewegungsbildern natürlich sehr problematisch und wird von den Datenschützern kritisiert.
Kloiber: Als erster Schritt für die Nutzung der Mautdaten zu Fahndungszwecken ist von Verkehrsexperten die so genannte Klassifikationsabfrage von Toll Collect beim Kraftfahrtbundesamt in Flensburg ins Spiel gebracht worden, die heute schon möglich sei. Was verbirgt sich dahinter?
Welchering: Das Kraftfahrtbundesamt darf den Strafverfolgungsbehörden ständig Halterinformationen übermitteln. Und weil im Mautgesetz festgehalten ist, dass eine Mautbrücke automatisch beim Computersystem des Kraftfahrtbundesamtes anfragen darf, ob ein erkannter LKW vielleicht von der Maut befreit ist, gibt es offensichtlich Überlegungen der Bundesregierung, diese Anfragen zu sammeln und auszuwerten. Ohne Änderung des Mautgesetzes, ohne technische Aufrüstung des Mautssytem, hätte man damit schon heute ein Rasterfahndungswerkzeug für LKW. Um Personenkraftfahrzeuge damit zu erfassen, müsste allerdings die PKW-Maut beschlossen werden.