Mit diesem kleinen Scherz kündigte Sean Penn den diesjährigen Oscar-Gewinner an: "Birdman oder die unverhoffte Macht der Ahnungslosigkeit" von Alejandro Gonzales Innáritu, der ja aus Mexiko stammt. Er triumphierte bei der 87. Oscarverleihung in Los Angeles. In den vier wichtigsten Kategorien wurde der Film mit der renommiertesten Auszeichnung der Filmwelt bedacht; als bester Film mit dem besten Regisseur, dem besten Kameramann und dem besten Drehbuch. Die Geschichte eines ehemaligen Superhelden, der am Broadway ein Stück inszenieren will, stammt wie die meisten nominierten Filme nicht aus dem Hollywoodmainstream. "Birdman" ist die unabhängige Produktion eines Außenseiters.
"Birdman" als unabhängige Produktion eines Außenseiters
Der Regisseur hatte deshalb schon am Abend vorher bei den "Independent Spirits Awards", eigentlich einer Gegenveranstaltung zu den Oscars, den Hauptpreis gewonnen. Im ausgeglichenen Feld der besten fremdsprachigen Filme gewann der schöne polnische Film „Ida". Die großen Produktionen aus der Traumfabrik, meist Serienfilme und Remakes, sind schon seit einigen Jahren auf dem Rückzug und haben immer seltener eine Chance auf den berühmtesten Filmpreis der Welt. Die Hollywoodcommunity hält es eher mit der Filmkunst und dem Autorenfilm.
Als härtester Konkurrent um die wichtigsten Preise galt daher "Boyhood", das künstlerische Experiment von Richard Linklater, der einen Jungen zwölf Jahre beim Aufwachsen begleitet hatte. Die Umgebung der Hauptfigur wurde von professionellen Schauspielern dargestellt. Sein teilweise abwesender Vater von Ethan Hawke und die oft überforderte Mutter von Patricia Arquette, die dann doch als beste Nebendarstellerin ausgezeichnet wurde und die bei der Entgegennahme des Preises eine Lanze für alle Mütter und überhaupt für die Gleichberechtigung der Frauen derart engagiert brach, dass es ihre eigentliche Konkurrentin um den Preis Meryl Streep nicht mehr auf dem Sitz hielt.
"Es ist zuweilen schon einmal vorgekommen, dass die Zuschauer Zeugen politischer Statements auf der Oscarbühne wurden. Doch so dominant waren die Kommentare zum Weltgeschehen noch nie."
"Selma" prangert den Rassismus in Amerika an
Julianne Moore forderte als beste Hauptdarstellerin in dem Film "Alive – Mein Leben ohne Gestern" einen anderen gesellschaftlichen Umgang mit ALS und Alzheimer ein. Graham Moore, der für sein bestes adaptiertes Drehbuch zu dem Film "The Imitation Game" prämiert worden war, berichtete von seinen Selbstmordgedanken als Jugendlicher, weil er sich nirgendwo hingehörig gefühlt hatte. Er versicherte allen, dass sie wie er selbst ihren Platz in der Welt finden würden. Eine flammende Rede hielten John Legend und Common, die für den Song "Glory" aus dem Martin-Luther-King-Film "Selma" geehrt wurden, und prangerten den aktuellen Rassismus in der amerikanischen Gesellschaft an. Das war allgemein erwartet worden, schließlich waren weder die Regisseurin noch ihr Hauptdarsteller für "Selma" auch nur nominiert worden, was im Vorfeld der Oscars zu scharfen Polemiken geführt hatte. Fehlte nur noch die Snowden-Affäre. Dieses Thema übernahm dann Laura Poitras, als sie für "Citizenfour" die Statue für den besten Dokumentarfilm in Händen hielt.
Wim Wenders ging in der Dokumentarfilm-Kategorie mit seinem Film "Salz der Erde" leider leer aus.
Sämtliche emotional vorgetragenen politischen Erklärungen wurden aufs heftigste beklatscht. Leonardo di Caprio erhob sich beim Applaus jedesmal demonstrativ. Entweder hatten die Redenschreiber hinter der Bühne die politischen Themen einfach umfassend gut verteilt oder die Ständevertretung der Filmschaffenden ist tatsächlich so liberal und politisch korrekt. Jedenfalls waren die Damen- und Herrschaften sichtlich mit sich selbst zufrieden. Da durfte natürlich auch der große Oscarsieger nicht abseits stehen. Er setzte sich für seine mexikanischen Landsleute ein.
Man fragt sich schon jetzt: Was werden die Themen beim nächsten Aktivistentreffen im Dolby-Theatre am Hollywoodboulevard sein.