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Oscars
Perfekte, langweilige, glamouröse und ausgeleierte Show

Die gleiche Prozedur wie jedes Jahr, fasst der Journalist Hartwig Tegeler die Oscar-Verleihungen 2015 zusammen: Einige Filme, Filmemacher und Filmfirmen würden daraus wieder ihren Aufmerksamkeits- und Geschäftserfolg ziehen können. Aber er fand auch einige Momente eindrucksvoll.

Von Hartwig Tegeler |
    Alejandro Gonzalez Inarritu gewann 2015 mit "Birdman" drei Oscars.
    Alejandro Gonzalez Inarritu gewann mit "Birdman" drei Oscars. (picture alliance / dpa / J. Emilio Flores)
    Cate Blanchett: "And the Oscar goes to Eddie Redmayne."
    Gut, die Klischees schnell abgehakt. Natürlich gab es sie zuhauf. Dieses ewige danke, danke, danke, in unterschiedlicher Begeisterung und Tränenreichtum. Beispiel: bester Darsteller für "Die Entdeckung der Unendlichkeit". Dank, danke, danke, schluchz:
    Eddie Redmayne: "Thank you for the academy. This, this oscar, whoww!"
    Geschenkt. Vorher, lange vorher, nach nur sechs Sekunden seiner Begrüßung nämlich, gab Moderator Neil Patrick Harris eine süffisante Breitseite von sich:
    "Wir ehren Hollywoods beste und weißeste, sorry, ..."
    Dann sang Neil Patrick Harris. Aber der rassistische Vorwurf an die Juroren von Nummer 87 stand wieder im Raum. Dass sie nämlich die Möglichkeit, mit Ava DuVernay, Regisseurin von "Selma", das erste Mal eine Afroamerikanerin für die beste Regie nominieren zu können, nicht beim Schopf ergriffen hatten. "Selma" gewann auch nicht den Oscar für den besten Film, für den die eindrucksvolle Geschichte über die Bürgerrechtsbewegung in den 1960er-Jahren nominiert war.
    Aber wenn man diese Glamour-Feier schon gesellschaftspolitische einordnen will, ist es dann nicht ein Widerspruch, dass Clint Eastwoods Kriegsepos "American Sniper", für sechs Oscars nominiert war, aber nur den für den besten Tonschnitt bekam? Was faktisch durchgefallen bedeutet. Zeigt das nicht, im Gegensatz zum Rassismus-Vorwurf, die Liberalität Hollywoods? Fragezeichen über Fragezeichen, wie sie nun mal bei fundierter Kaffesatzleserei auftauchen.
    Eindrucksvolle Momente beim Thema Rassismus
    Es gab eindrucksvolle Momente. Als John Legend, zusammen mit Rapper Common, für den "Selma"-Filmsong "Glory" ausgezeichnet, deutlich machte, dass das Thema des Rassismus in den USA keineswegs erledigt sei. Heute lebten mehr Afroamerikaner unter staatlicher Kontrolle als 1850, zu Zeiten der Sklaverei.
    "There a more black man under correctional control today than were under slavery 1850."
    Aber das Eindrückliche wurde natürlich von der großen Show schnell wieder erschlagen. In Clint Eastwood Kriegshelden-Schmonzette "American Sniper" kann man ja hineinlesen, was man will: kritische oder pathologisch-patriotische Töne. So steht es auch um die Oscar-Verleihung.
    Edward-Snowden-Doku erhält Oscar
    Gut, die Juroren haben deutlich gemacht, dass für sie Edward Snowden kein Landesverräter ist. Laura Poitras' Doku über den Whistleblower errang die Auszeichnung für den besten Dokumentarfilm. Wim Wenders ging somit für "Das Salz der Erde" leer aus. Nach der Dankesrede von Laura Poitras machte Moderator Neil Patrick Harris über den im Moskauer Exil sitzenden Snowden die Bemerkung, dass Snowden wegen "irgendeinem Verrat" nicht in L. A. sein könne.
    "The subject of Citizenfour, Edward Snowden, could not be here tonight for some (t)reason."
    Aus irgendeinem Grund - "reason" - oder Hochverrat - "treason"? Böses Fettnäpfchen von Harris? Wohl eher satirische Spitze, denn dann setzt der Moderator fort mit dem wohl wahrhaftigsten Satz über diese Veranstaltung:
    "And now to counterbalance that celebration of truth telling and honesty in film please enjoy the next few minutes of commercials."
    Und jetzt, meinte Neil Patrick Harris, als Ausgleich für soviel Feier von Wahrheit und Aufrichtigkeit im Film, genießen sie jetzt die Werbung. Na ja, na klar, war die Oscar-Verleihung wie immer ein Füllhorn von Schlagworten: Magie des Kinos, der Filmemacher, und:
    "We as a filmmaking community have a responsibility. No once voice is silenced by threats."
    Verantwortung, moralisch, die sei da, meinte die erste afroamerikanische Vorsitzende des Oscar-Komitees, Cherry Boone Isaacs vor dem Milliarden-TV-Publikum, keine Stimme dürfe durch Drohung zum Verstummen gebracht werden. Gut: Wie es in Hollywood läuft, wie die Geschichte, die keinen Boxoffice-Erfolg verspricht, zum Verstummen gebracht, weil gar nicht erzählt wird, davon erzählen ja illusionslos viele Filme. Manchmal melancholisch, wie der Oscar-Gewinner des Jahres, Alejandro González Iñárritus "Birdman", manchmal von einer großen Klarheit und Härte. Also, alles Geschwätz in Abendkleid, Robe und Smoking, geschenkt.
    Am Ende war es eine perfekte, langweilige, glamouröse wie ausgeleierte Show, aus denen einige Filme, Filmemacher und Filmfirmen ihren Aufmerksamkeits- und Geschäftserfolg ziehen werden. Mit anderen Worten, the show must go on. Oder:
    - Butler: "Same procedure as last year, Miss Sophie?"
    - Miss Sophie: "The same procedure as everything year, James."