"Wir hatten ja schon seit Adenauer, darf ich einmal sagen, das politische Ziel, die Blöcke zu überwinden und sie nicht eben auf die Ewigkeit festzuschreiben, das wäre ja keine sinnvolle Friedenspolitik. Zum Zweiten: Wir Sozialdemokraten, wir versuchen, unsere politischen Ziele immer zunächst vom Einzelnen her zu definieren. Also zunächst einmal die Antwort zu geben, Freiheit und Selbstbestimmung für den Einzelnen sind das erklärte Ziel. Wenn es den Leuten in Leipzig so gut geht, wie den Leuten hier bei uns in Saarbrücken oder in Bonn, ich glaube, dann stellt sich die Frage ganz, ganz anders, als sie sich jetzt eben stellt. Und zum Dritten: Bei der Wiedervereinigung muss man eben versuchen, das, was sich mit diesem Begriff verbindet, auch mit der zukünftigen Orientierung der Politik zusammen zu bringen. Wir sagen seit dem Heidelberger Programm: Wir wollen die europäische Einigung. Wir sind jetzt dabei, Zuständigkeiten des Nationalstaates Bundesrepublik auf Europa zu übertragen. Also: Wiedervereinigung ja, aber im gemeinsamen europäischen Haus, wobei alle möglichen Zwischenschritte denkbar sind, aber das Ziel bleibt die europäische Einigung und Europa heißt eben nicht nur Westeuropa, sondern auch Osteuropa. Denn Europa definiert sich geschichtlich und kulturell."
Oskar Lafontaine
"Freiheit und Selbstbestimmung für den Einzelnen"
5. November 1989. Der saarländische Ministerpräsident Oskar Lafontaine im Deutschlandfunk zu einer möglichen Wiedervereinigung Deutschlands: