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Osmosekraftwerk in Norwegen
Die Idee von der Stromgewinnung mit Hilfe von Salz

Im norwegischen Tofte ging am 24. November 2009, vor zehn Jahren, das erste Osmosekraftwerk an den Start. Das Prinzip: Der unterschiedliche Salzgehalt von Meer- und Süßwasser sorgt für Strom. Dieser erste Prototyp wurde wieder abgeschaltet - aber die Idee wird weiterentwickelt.

Von Frank Grotelüschen |
    Das weltweit erste Osmose-Kraftwerk in Tofte in der Nähe von Oslo, Norwegen
    Das weltweit erste Osmose-Kraftwerk in Tofte in der Nähe von Oslo, Norwegen (picture alliance / dpa / Statkraft)
    Das Video zeigt eine Halle in einem schmucklosen Industriegebiet in Tofte, am Oslofjord im Süden Norwegens. Pumpen dröhnen, Wasser rauscht durch die Leitungen, weiter hinten dreht eine Turbine – wie eine Waschmaschine im Schleudergang, nur deutlich schneller.

    "Das ist der weltweit erste Prototyp eines Osmosekraftwerks. Seine Leistung reicht im Moment gerade mal aus, um eine Tasse Tee zu kochen."
    Sagt Simen Braein vom norwegischen Energieversorger Statkraft. Am 24. November 2009 weiht das Unternehmen die Anlage ein – und damit ein neues Prinzip der Energieversorgung: Ein Rohr leitet salziges Meerwasser in die Anlage. Durch ein zweites Rohr kommt Süßwasser aus einem Fluss. Im Kraftwerk hält eine Membran beides voneinander getrennt – auf beiden Seiten der Membran herrscht also eine unterschiedliche Salzkonzentration. Um diesen Konzentrationsunterschied auszugleichen, drängt das Süßwasser durch die Membran auf die andere Seite. Dadurch entsteht ein Druck. Und dieser Druck treibt eine Stromturbine an. Könnte man ein Osmosekraftwerk in großem Maßstab bauen, hätte das folgenden Vorteil:
    "Ein Osmosekraftwerk ist ein Grundlast-Kraftwerk. Es kann den ganzen Tag über zuverlässig Strom liefern, wogegen Windräder und Solarzellen vom Wetter abhängen. Außerdem können Osmosekraftwerke dicht am Verbraucher gebaut werden. Denn wo Flüsse ins Meer fließen, sind oft auch große Städte."
    Insbesondere Flussmündungen sind geeignet
    Bauen wollte man die Kraftwerke vor allem an Flussmündungen. Dort stoßen Salz- und Süßwasser unweigerlich aufeinander. Die Hoffnungen, die Statkraft in die neue Technik setzte, waren beträchtlich, denn:
    "Das Potenzial ist ziemlich groß. Weltweit gehen wir von 1.600 Terawattstunden pro Jahr aus. In Europa dürften es immerhin 180 Terawattstunden sein."
    1.600 Terawattstunden: Das ist die Hälfte des Stromverbrauchs der EU. Zunächst schien der Prototyp in Tofte ordentlich zu laufen. Statkraft kündigte sogar an, an den Plänen für eine größere Anlage zu tüfteln. Doch dann, im Dezember 2013, verschickte der Konzern eine Pressemitteilung.
    "Statkraft entwickelt das Osmosekraftwerk nicht mehr weiter. Bei den derzeitigen Marktaussichten muss das Unternehmen feststellen, dass man diese Technologie nicht so weit entwickeln kann, dass sie in absehbarer Zeit konkurrenzfähig wäre."
    Das Vorzeigeprojekt war gescheitert, Statkraft nahm den Prototyp vom Netz. Einer der Gründe: jene Membran, die Süß- und Salzwasser trennt.
    "Diese Membran ist die Schlüsselkomponente, und sie ist zu teuer und zu ineffizient. Man müsste erst mal bessere Membranen entwickeln und ihre Entwicklung deutlich beschleunigen."
    Die Branche jedenfalls zeigte sich vom plötzlichen Ausstieg schockiert.
    "Das kam unerwartet und war für die Fachwelt enttäuschend. Ich denke, die Entscheidung hatte mehrere Gründe. Zum einen die niedrigen Preise für Öl, Gas und Kohle: Sie machen es schwer für alternative Konzepte. Zum anderen hatte Statkraft gehofft, dass es in Norwegen eine Einspeisevergütung für Osmosekraftwerke geben würde, ähnlich wie für die Windkraft. Die gab’s dann aber doch nicht."
    Sagt Frank Neumann vom Institut für Infrastruktur, Umwelt und Innovation in Brüssel.
    Weitere Versuche mit der Osmose
    Dennoch: Vollends ad acta gelegt ist das Konzept offenbar noch nicht. Vor einiger Zeit ging in den Niederlanden eine neue Pilotanlage an den Start, eingebaut in einen Deich. Die Technik ist allerdings eine andere als die in Norwegen, sie basiert auf einem batterieähnlichen Konzept. Wie gut sie funktioniert, muss sich in den kommenden Jahren zeigen. Doch vielleicht wird auch die originale Statkraft-Technik eines Tages wiederaufleben. Und zwar in einer anderen, womöglich aussichtsreicheren Variante.
    "Hier würde die Energie nicht durch Meerwasser erzeugt, sondern mit den Abwässern von Entsalzungsanlagen für die Trinkwassergewinnung. Denn diese Abwässer sind so salzig, dass man sie nicht so einfach in die Umwelt pumpen kann. In dieser Kombination könnte das Konzept des Osmosekraftwerks vielleicht doch wirtschaftlich werden."
    Kombi-Anlage statt Kraftwerk, so die neue Strategie. Die Osmosetechnik würde dann zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: Strom erzeugen und versalzene Abwässer entschärfen. Sollte die Fachwelt dieses Konzept also tatsächlich aufgreifen – der Prototyp im Industriegebiet von Tofte wäre vielleicht doch kein Fehlschlag gewesen.