Tofte, ein kleines Dorf am Oslofjord in Norwegen. In einer Halle im Industriegebiet dröhnen Pumpen. Wasser rauscht durch Leitungen, eine Turbine rotiert mit hoher Drehzahl.
Die Anlage erzeugt Strom, und zwar nach einem ungewöhnlichen Prinzip.
"Das Herzstück ist eine Membran. Auf der einen Seite dieser Membran fließt Salzwasser, auf der anderen Süßwasser. Auf beiden Seiten herrscht also ein unterschiedlicher Salzgehalt. Um das Konzentrationsgefälle auszugleichen, drängt das Süßwasser durch die Membran auf die andere Seite. Dadurch entsteht ein Druck, und dieser Druck treibt eine Turbine an, die dann Strom erzeugt", sagt Frank Neumann, Direktor des Instituts für Infrastruktur, Umwelt und Innovation in Brüssel. Bauen würde man so ein Osmosekraftwerk zum Beispiel an einer Flussmündung, wo Salz- und Süßwasser unweigerlich aufeinanderstoßen.
"Der Vorteil wäre: Es kann kontinuierlich Strom liefern, im Gegensatz zur Windkraft, die ja vom Wetter abhängt. Denn bei einem Osmosekraftwerk lässt sich der Zustrom des Wassers beliebig regeln und damit gleichmäßig Energie erzeugen. Ein weiteres Plus: Solche Kraftwerke wären leise und würden weder Chemikalien noch Treibhausgase freisetzen. Und sie wären ziemlich unauffällig, man könnte sie etwa in Deiche integrieren. Sie hätten also kaum Auswirkungen auf die Umwelt."
Gute Gründe für Statkraft, in die neue Technologie zu investieren. 2009 nahm der norwegische Energieversorger seinen Prototypen in Tofte in Betrieb, mit einer Leistung von vier Kilowatt. Die Anlage lief ordentlich, sodass Statkraft bereits eine größere Anlage in Angriff nahm, geplante Leistung zwei Megawatt. Doch dann, Ende 2013, kam das Aus. Der Prototyp wurde stillgelegt, aus der Konzernzentrale kam eine Pressemitteilung (*):
"Statkraft entwickelt das Osmosekraftwerk nicht mehr weiter. Bei den derzeitigen Marktaussichten muss das Unternehmen feststellen, dass man diese Technologie nicht so weit entwickeln kann, dass sie in absehbarer Zeit konkurrenzfähig wäre."
"Das kam unerwartet und war für die Fachwelt enttäuschend. Ich denke, die Entscheidung hatte mehrere Gründe. Zum einen die niedrigen Preise für Öl, Gas und Kohle: Sie machen es schwer für alternative Konzepte. Zum anderen hatte Statkraft gehofft, dass es in Norwegen eine Einspeisevergütung für Osmosekraftwerke geben würde, ähnlich wie für die Windkraft. Die gab's dann aber doch nicht."
Scheitern eines Vorzeigeprojekts
Ein herber Rückschlag für die Befürworter der Technologie. Das Vorzeigeprojekt der Branche - es war gescheitert, und Statkraft möchte sich heute nicht mehr dazu äußern. Doch gestorben sei das Konzept damit noch nicht, sagt Frank Neumann. So ist in den Niederlanden vor Kurzem eine neue Pilotanlage an den Start gegangen, eingebaut in jenen Deich, der das Ijsselmeer von der Nordsee trennt. Die Technik ist allerdings eine andere als in Norwegen. Sie basiert auf einem batterieähnlichen Konzept.
"Da gibt es zwei Arten von Membranen, ähnlich wie eine Batterie zwei Pole hat. Durch diese Membranen können Ionen wandern, getrieben vom unterschiedlichen Salzgehalt von Salz- und Süßwasser. Dadurch baut sich zwischen den Membranen eine elektrische Spannung auf, also ebenfalls Elektrizität."
In den kommenden Jahren soll die Anlage auf eine Leistung von 50 Kilowatt hochgerüstet werden und zeigen, wie gut das Prinzip funktioniert. Doch auch die Statkraft-Technik könnte wieder aufleben. Derzeit verhandelt der Konzern über eine Verwertung der Patente, und zwar mit Firmen aus Korea und Spanien. Und die, sagt Frank Neumann, planen eine neue, womöglich aussichtsreichere Variante:
"Die neuen Pilotanlagen sollen nicht mit Meerwasser laufen, sondern mit den Abwässern von Entsalzungsanlagen für die Trinkwassergewinnung. Diese Abwässer nämlich sind so salzig, dass man sie nicht so einfach in die Umwelt pumpen darf. In dieser Kombination könnte das Konzept des Osmosekraftwerks dann vielleicht doch wirtschaftlich werden."
Kombianlage statt Kraftwerk, so also die neue Strategie. Die Osmosetechnik würde dann zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: Strom erzeugen und versalzene Abwässer entschärfen.
Zur Sendereihe "Tolle Idee! - Was wurde daraus?
(*) Anm. d. Red.: An dieser Stelle wurde die Online-Fassung des Beitrags gegenüber der Sendefassung klarer formuliert, um deutlicher zu machen, dass das Osmosekraftwerk im Oslofjord 2013 abgeschaltet wurde.