In der Siedlung "Jubilejne" sind Rentnerinnen vor örtliche Verwaltungsgebäude gekommen. Sie fordern, dass die Verantwortlichen der selbst ernannten "Volksrepublik Donezk" endlich etwas unternehmen.
"Das Oberhaupt unserer Republik kennt die Situation bei uns ja: Wir haben keinen Strom, kein fließendes Wasser - und deshalb auch keine Heizung. Wir bitten, dass die Reparaturen beschleunigt werden."
Eine andere der Versammelten erklärt, dass sie die separatistische Bewegung ja unterstützte. Aber wir frieren, das darf doch nicht sein, fügt sie hinzu.
Die Bilder, die ein Internet-Fernsehkanal zeigt, sind mit einer Amateurkamera gedreht. Aber sie sind authentisch: In dem Filmchen taucht auch ein Angestellter der Siedlungsverwaltung auf.
Nicht nur in dieser Siedlung: Im ganzen von Separatisten besetzten Gebiet wachse der Unmut, sagt der aus Donezk stammende Journalist Denis Kazjanski.
"Die Anführer haben den Leuten ja versprochen, dass Russland dieses Gebiet aufnimmt. Und für viele dort ist Putin der Befreier, auf den sie warten. Nun fangen sie an zu zweifeln: Wir sind doch auch nicht schlechter als die Krimbewohner, die Russland doch auch aufgenommen hat! Die Entscheidung der Ukraine, in den Separatisten-Gebieten keine Renten mehr auszuzahlen, hat die Lage noch einmal verschärft. Sie beweist, dass die Separatisten finanziell am Ende sind."
Seit Anfang Dezember wollen die sogenannten Volksrepubliken Donezk und Luhansk selber die Renten auszahlen. An manchen Punkten gelingt ihnen das auch, jedoch bei Weitem nicht überall. Das Oberhaupt der Volksrepublik Luhansk Igor Plotnizkyj räumte gestern ein, dass ihm dafür die Mittel fehlen.
Die Separatisten hätten fast keine Steuereinnahmen, sagt der Wirtschaftsexperte Oleksandr Scholud vom Kiewer Zentrum für Perspektivische Forschungen.
"Sie treiben nur dort Steuern ein, wo es am leichtesten ist - auf den Gemüsemärkten, bei Taxifahrern und in Linienbussen. Aber bei den großen Unternehmen ist nichts zu holen, weil die meisten Fabriken stillstehen. Sie wissen nicht, wohin sie ihre Waren verkaufen sollten."
Wirtschaftlicher Kollaps und humanitäre Katastrophe
Die Unternehmen im Donezk-Becken fördern vor allem Kohle, verarbeiten sie zu Koks und stellen Stahl her. Damit haben sie früher auch andere ukrainischen Regionen versorgt, etwa die Metall-Unternehmen in den benachbarten Bezirken Dnipropetrowsk und Zaporischja. Die Ukraine weigert sich jedoch weitgehend, die Produkte aus dem Separatisten-Gebiet einzuführen - sieht man von Kohle ab, die heimlich über die informelle Grenze gebracht wird. Oleksandr Scholud:
"Russland auf der anderen Seite braucht die Erzeugnisse aus dem Donezk-Becken nicht. Es stellt die gleichen Waren her - und die Unternehmer dort wollen keine Konkurrenz. Bliebe der Export in dritte Staaten. Aber auf dem Landweg über Russland wäre das sehr teuer. Und einen Zugang zum Meer haben die Separatisten nicht."
Zumindest im wirtschaftlichen Sinn: Das von ihnen beherrschte Nowoasowsk liegt zwar am Asowschen Meer. Aber dort gibt es keinen Hafen. Die Export-Möglichkeiten der Separatisten würden sich erst dann verbessern, wenn sie das 40 Kilometer weiter im Westen gelegene Mariupol einnehmen würden. Dann müssten sie aber auch weitere knapp 500.000 Menschen versorgen.
Die sogenannten Volksrepubliken Donezk und Luhansk steuerten deshalb in diesem Winter auf den wirtschaftlichen Kollaps und eine humanitäre Katastrophe zu, so Oleksandr Scholud.
"Die Leute leben von ihren Vorräten, von dem, was sie im Sommer auf ihren Grundstücken anbauen konnten. Und von der humanitären Hilfe, die mit großem Pathos aus Russland kommt - aber auch aus der Ukraine, obwohl die Separatisten das nicht zugeben."
Im Winter würden immer mehr Menschen protestieren, einfach aus Hunger, glaubt der Journalist Denis Kazjanski. Drohende soziale Unruhen sind seiner Ansicht nach einer der Gründe dafür, warum sich die separatistischen Kämpfer in den vergangenen Tagen kompromissbereiter zeigten und die längst beschlossene Waffenruhe nun umsetzen wollen.